Herausforderungen der Wirtschaftspolitik. Dirk Linowski

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Herausforderungen der Wirtschaftspolitik - Dirk Linowski

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vertauscht. Karitative Dinge wie Blutspenden wurden durch bezahlte Blutspenden ersetzt, welche insgesamt durch eine schlechtere Blutqualität als zuvor charakterisiert waren usw., usw.

      Es ist eine Folge der unveränderlichen Grundprinzipien der Ökonomie, dass Industrien bzw. Produkte, die durch hohe Fixkosten (die zumeist und dann zum größten Teil Sunk CostsSunk Costs sind) und niedrige variable Kosten charakterisiert sind, zur Bildung von temporären Monopolen tendieren müssen. Dies kann u.a. hervorragend in den ersten beiden Kapiteln des vor mehr als 20 Jahren erschienen Buches „Information Rules“ von Hal Varian und Carl Shapiro nachgelesen werden.

      Eine Konsequenz dieser technologischen Entwicklung ist, dass einzelne Unternehmen finanziell und intellektuell (!) derart mächtig geworden sind, dass es selbst größeren Staaten schwerfällt, mit ihnen auf Augenhöhe zu verhandeln. Ende 2021 betrug die Marktkapitalisierung des auf 40 Werte erweiterten DAX’ ca. 2.000 Mrd. Euro und damit nicht einmal die Marktkapitalisierung von Apple oder Microsoft. Zudem machten diese beiden Unternehmen mit Amazon, Google und Facebook im wichtigsten US-Börsenindex S&P 500 ca. ein Viertel der gesamten US-Marktkapitalisierung aus.[14]

      Diese Entwicklung kam natürlich nicht aus dem Nichts. In Tabelle 1.1 werden die Börsenkapitalisierungen der teuersten Firmen weltweit im Jahr 2004 und im Jahr 2014 gegenübergestellt.

2004 2014
Börsenwert in Mrd. US-Dollar Börsenwert in Mrd. US-Dollar
1 General Electric (USA) 331 1 Apple (USA) 612
2 Microsoft (USA) 308 2 Exxon Mobil (USA) 425
3 Exxon Mobil (USA) 290 3 Google (USA) 390
4 Pfizer (USA) 262 4 Microsoft (USA) 370
5 Citigroup (USA) 240 5 Berkshire Hathaway (USA) 336
6 Wal-Mart (USA) 225 6 Johnson & Johnson (USA) 291
7 BP (GB) 193 7 Wells Fargo (USA) 268
8 AIG (USA) 186 8 General Electric (USA) 262
9 Intel (USA) 179 9 Royal Dutch Shell (NL) 262
10 Bank of America (USA) 173 10 Roche (CH) 252
11 Johnson & Johnson (USA 165 11 China Mobile (CN) 252
12 HSBC (GB) 164 12 Nestlé (CH) 250

      Tab. 1.1.

      Die teuersten Unternehmen der Welt 2004 vs. 2014 (Quelle: FAZ[15])

      Insgesamt konstatieren wir innerhalb dieser 10 Jahre eine Bewegung von Industrie, Banken und Versicherungen sowie Rohstoffexploration hin zu IT, Pharma, Gesundheit und Nahrungsmitel, was uns nach den Betrachtungen zur Demografie noch weniger überraschen wird.

      Die Weichenstellung für den weltweiten Erfolg der US-Technologiefirmen erfolgte im Mutterland des Kapitalismus bereits in den späten 1990er Jahren3. Lediglich den chinesischen Internetfirmen Tencent und Alibaba und dem südkoreanischen Unternehmen Samsung gelang es zwischenzeitlich (?) – durch nationale Industriepolitik – in den vergangenen Jahren in die Phalanx der teuersten Unternehmen einzudringen (mehr dazu in Kapitel 6).

      1.3 Positive vs. Normative Theorie

      WirtschaftspolitikWirtschaftspolitik basiert auf ökonomischen Kriterien und Normen, die auf Werturteilen beruhen.

      Im Unterschied zu den Naturwissenschaften, den Ingenieurwissenschaften, der Mathematik und mit Abstrichen der Medizin, können Sie in den Sozialwissenschaften nicht einfach die Versuchseinstellungen variieren und zum Beispiel schauen und messen, was passiert (Konkreter: Wie werden Zielgrößen wie z.B. die Beschäftigung, Inflation, Staatsverschuldung etc. beeinflusst?), wenn Sie die Einkommensteuertarife absenken, die Körperschaftssteuer abschaffen und dafür die Mehrwertsteuer erhöhen. Daran ändert auch die Tatsache wenig, dass die Simulationstechnik, die „digitale Experimente“ mit Hilfe von Computern vornimmt, in den vergangenen Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht hat. Was praktisch immer fehlt, ist eine reale Vergleichsgruppe. Wir können damit nur ahnen bzw. prognostizieren, welche Auswirkungen eine politische Maßnahme im Zeitverlauf haben wird.

      Tatsächlich hat die Anwendung von Methoden der mathematischen Statistik und Ökonometrie vor allem aufgrund gestiegener Computerrechenleistung in den beiden vergangenen Jahrzehnten stark an Bedeutung zugenommen, insbesondere dann, wenn es darum geht, Annahmen oder Politikansätze „zu beweisen“.

      Normative Wirtschaftspolitik wie FinanzwissenschaftFinanzwissenschaft beschäftigt sich mit dem anzustrebenden Zustand einer Volkswirtschaft. Sie basiert somit auf Werturteilen und damit (nicht nur in Demokratien) auf (vermuteten) Zielpräferenzen, die eine hinreichende Anzahl der Bürger bzw. Bewohner einer territorialen Einheit teilt.

      Die Aussage, dass ein MindestlohnMindestlohn wichtig ist, um ein selbstbestimmtes Dasein führen zu können, ist normativ. Verinnerlichen Sie auch hier, dass dominierende bzw. weitgehend akzeptierte gesellschaftliche Werte sich im Zeitverlauf verändern.

      Die positive WissenschaftFinanzwissenschaft beschreibt und untersucht Zusammenhänge, ohne Werturteile zu fällen. Beispielfragen lauten im obigen Zusammenhang: Wie wirken finanzpolitische Maßnahmen wie der MindestlohnMindestlohn auf die Einkommensverteilung, den Einkommensmedian, den Gini-Index, etc.?

      Bemerkung:

      Es gibt zum Thema Mindestlohn Abertausende von Studien und inzwischen auch mehr als eine Handvoll Metastudien. Der zu verallgemeinernde Erkenntnisgewinn ist beschränkt. Während etwa die Hälfte der Studien „nachweist“, dass ein Mindestlohn

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