Das grüne Gesicht. Gustav Meyrink
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Wlodzijmierz Ciechonski."
Hauberrisser verbeugte sich kaum merklich und murmelte seinen Namen so unverständlich wie nur möglich, der Graf
schien jedoch ein ungemein feines Ohr zu haben, denn er sprang freudig erregt auf, eilte zum Tisch, nahm sofort in
Pfeills leerem Sessel Platz und rief jubelnd: "Hauberrisser! Der berühmte Torpedoingenieur Hauberrisser? Graf
Ciechonski mein Name, Graf Wlodzimierz Ciechonski, Sie gestatten doch?"
Hauberrisser schüttelte lächelnd den Kopf. "Sie irren, ich war niemals Torpedoingenieur." ("Ein dummes Luder das",
setzte er innerlich hinzu, "schade, daß er den polnischen Grafen mimt; als Professor Zitter Arpád aus Preßburg wäre er
mir lieber gewesen; ich hätte ihn dann im Lauf der Zeit wenigstens über seinen Kompagnon Chidher Grün ausholen
können.")
"Njicht? Schade. Aber das macht nichts. Schon der Name Hauberrisser erweckt in mir, oh, so liebe Erinnerungen",
die Stimme des Grafen zitterte vor Rührung, – "er und der Name Eugène Louis Jean Joseph sind eng mit unserer
Familie verknüpft."
"Jetzt will er, daß ich frage, wer dieser Louis Eugène Joseph ist. Just nicht", dachte sich Hauberrisser und sog stumm
an seiner Zigarette.
"Eugène Jean Louis Joseph war nämlich mein Taufpate. Gleich darauf ging er nach Afrika in den Tod."
"Wahrscheinlich aus Gewissensbissen", brummte Hauberrisser in sich hinein. "So, hm, in den Tod, sehr bedauerlich."
"Ja leider, leider, leider. Eugène Louis Jean Joseph! Er hätte Kaiser von Frankreich sein können."
"Was hätte er?" – Hauberrisser glaubte falsch gehört zu haben – "Kaiser von Frankreich hätt' er sein können?"
"Sicherlich!" Stolz spielte Zitter Arpád seinen Trumpf aus: "Prinz Eugène Louis Jean Joseph Napoleon IV. Er fiel am
1. Juni 1879 im Kampf gegen die Zulus. Ich besitze sogar eine Locke von ihm", er zog eine goldene Taschenuhr von
Beefsteakgröße und geradezu teuflischer Geschmacklosigkeit hervor, öffnete den Deckel und deutete auf ein Büschel
schwarzer Pinselhaare. "Die Uhr ist auch von ihm. Ein Taufgeschenk. Ein Wunderwerk." Er erläuterte: "Wenn man hier
drückt, schlägt sie Stunden, Minuten und Sekunden, und gleichzeitig erscheint auf der Rückseite ein bewegliches
Liebespaar. Dieser Knopf löst die Rennzeiger aus; dieser stoppt sie; wenn man ihn weiter hinunterdrückt, erscheint das
jeweilige Mondviertel; noch tiefer hinein, und das Datum klappt auf. Dieser Hebel nach links, und ein Tropfen
Moschusparfüm spritzt hervor, – nach rechts, und es ertönt die Marseillaise. Es ist ein wahrhaft königliches Geschenk.
Es existieren im ganzen nur zwei Stück davon."
"Immerhin ein Trost", gab Hauberrisser höflich und doppeldeutig zu. Das Gemisch von bodenloser Frechheit und
gänzlicher Unkenntnis weltmännischer Umgangsformen belustigte ihn auf das höchste.
Graf Ciechonski, ermutigt durch die freundliche Miene des Ingenieurs, wurde immer zutraulicher, erzählte von seinen
immensen Gütern in Russisch-Polen, die leider durch den Krieg verwüstet wären, (zum Glück sei er nicht darauf
angewiesen, denn durch intime Beziehungen zu amerikanischen Börsenkreisen verdiente er in London mit
Spekulationen ein paar tausend Pfund im Monat) – kam auf Pferderennen zu sprechen und bestochene Jockeis, auf
Milliardärsbräute, die er zu Dutzenden kenne, auf spottbillige Territorien in Brasilien und im Ural, auf noch unbekannte
Petroleumquellen am Schwarzen Meer, auf ungeheuerliche Erfindungen, die er in der Hand hätte und die eine Million
täglich tragen müßten, – auf vergrabene Schätze, deren Besitzer geflohen oder gestorben seien, auf untrügliche
Methoden, im Roulette zu gewinnen, – erzählte von riesigen Spionagegeldern, die Japan vertrauenswürdigen Personen
auszuzahlen nur so brenne (natürlich müsse man zuerst Depot erlegen), schwätzte von unterirdischen Freudenhäusern
in den großen Städten, zu denen nur Eingeweihte Zutritt hätten, ja sogar vom Goldlande Ophir des Königs Salomo,
das, wie er ganz sicher aus Papieren seines Taufpaten Eugène Louis Jean Joseph wisse, im Zululande läge, berichtete
er bis ins kleinste genau.
Er war vielseitiger noch als seine Taschenuhr, warf tausend Angelhaken aus, einen plumper als den andern, um
seinen Fisch zu ködern; wie ein kurzsichtiger Einbrecher, der Dietrich um Dietrich am Türschloß eines Hauses probiert,
ohne das Schlüsselloch zu erwischen, tastete er die Seele Hauberrissers ab, aber es gelang ihm nicht, das Fenster zu
finden, durch das er hätte einsteigen können.
Endlich gab er es erschöpft auf und fragte Hauberrisser kleinlaut, ob dieser ihn nicht in irgendeinen vornehmen
Spielklub einführen möchte; doch auch hierin schlugen seine Hoffnungen fehl: Der Ingenieur entschuldigte sich damit,
daß er selber in Amsterdam fremd sei.
Mißmutig schlürfte er seinen Sherry-Cobler.
Hauberrisser betrachtete ihn sinnend. "Ob es nicht das gescheiteste wäre", überlegte er, "ich sagte ihm auf den Kopf
zu, daß er ein Taschenspieler ist. Ich gäbe etwas darum, wenn er mir sein Leben erzählte. Bunt genug mag es gewesen
sein. Eine Welt von Schmutz muß dieser Mensch schon durchwatet haben. Aber natürlich, er würde leugnen und
schließlich grob werden." – Ein Gefühl von Gereiztheit stieg in ihm auf; "unerträglich ist das Dasein unter den Menschen
und Dingen dieser Welt geworden; Berge von leeren Schalen überall, und stößt man einmal auf etwas, was so aussieht
wie eine Nuß, die des Aufknackens wert wäre, – siehe da, es ist ein toter Kiesel."
"Juden! Chassiden!" brummte der Hochstapler verächtlich und deutete auf einen Trupp zerlumpter Gestalten, die
eilig – die Männer mit wirren Bärten und schwarzen Kaftans voran, die Frauen, ihre Kinder in Bündel geschnürt auf
dem Rücken, hinterdrein – lautlos, mit weit aufgerissenen, irrsinnig in die Ferne starrenden