Homo sapiens movere ~ gebrochen. R. R. Alval
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Nicht viel.
Nur das Nötigste.
Ein paar Pyramiden – ich hatte ja nur neun. Einen Nussknacker – na ja ... fünf. Ein paar Räuchermänner – etwa 15 oder 30. Ein bisschen Fensterschmuck – Beleuchtung… und ein wenig Klebzeug… und Schneespray. Weihnachtsdeckchen. Ein paar kleine Nippsachen: Engel, Kerzen und Schneekugeln – mit und ohne Musik – und natürlich den Baum. Ohne den war es nicht perfekt. Inklusive Kugeln, Lämpchen und für das glitzernde Bling-Bling ein wenig Lametta. Na bitte, schon viel besser. Das war das richtige, echte Adventfeeling.
Sofern ich die Außentemperaturen außer Acht ließ.
Heute Morgen hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich mich am Abend von Chris überzeugen ließe, nach knapp drei Wochen wieder einmal die Wohnung zu verlassen. Um etwas zu unternehmen. Vor allem, daran Spaß zu haben.
Doch so war es.
Ich amüsierte mich köstlich!
Wir gingen essen, anschließend ins Kino und sogar tanzen. Fast hätte ich vergessen können, dass ich an Liebeskummer litt. Bis auf die vielen scheußlichen Plakate, von denen Alan mich lasziv angrinste und sich damit stetig die Gewissheit in mein Bewusstsein quetschte, dass ich nicht mehr die Frau an seiner Seite war. Vergiss ihn, Sam. Er hat dich doch gar nicht verdient.
Aber wie das nun mal in Herzensangelegenheiten ist: Das Herz hat Gründe, die der Verstand nicht akzeptieren will. Dennoch, mein Spaß war echt. Sogar mein Lachen. Jedoch nur, bis Chris mich wieder daheim – in der mir immer noch fremden Wohnung – absetzte. Mit einem Kloß in der Kehle, abgeschminkt und mich in meinen Schlafanzug schlängelnd, kam ich mir wieder genauso elend vor wie am Morgen. Doch ich bemühte mich stark zu sein. Jedenfalls eine Weile.
Als ich ins Bett ging, konnte ich die Tränen nicht länger zurückhalten. Wie so oft weinte ich mich in den Schlaf.
Wenigstens sah mir mein Elend am nächsten Morgen nicht in Form einer verheulten, farblosen Vogelscheuche aus dem Spiegelbild entgegen. Meine von der Bettdecke verschluckten Schluchzer offenbarten lediglich mein gebrochenes Herz auf eindrucksvolle Weise. Es würde wohl noch eine Weile dauern, bis es vollständig geheilt war. Oder zumindest halbwegs repariert.
Ich hatte mich in den Schlaf geheult; na und?
Dafür sah mein Spiegelbild nur nach einer Frau aus, die lediglich ein bisschen zu lang gefeiert hatte.
Neuer Tag, neues Glück, hm?
Ohne lang zu überlegen, stieg ich in die Dusche, genoss das herrlich warme Wasser, wusch mich gründlich, spülte mich ab, stieg aus der Dusche, rubbelte mich trocken, schlüpfte in die bereit gelegten Klamotten, föhnte meine Haare und legte mir sogar ein wenig Make-up auf. Zugegeben, der Pullover war ein wenig kindisch. Welche Frau im zarten Alter von drei Jahrzehnten trug schon einen roten, wuscheligen Pullover, auf dem ein glupschäugiger Elch einem Schneemann die Nase wegfutterte? Tja, ich tat es.
Ich fand ihn süß.
Der Pulli war warm und flauschig und fühlte sich für die Jahreszeit richtig an. Kurz bevor ich mich jedoch an den Frühstückstisch setzte, entschied ich mich um. Nicht, weil mir plötzlich klar wurde, wie albern ich aussah. Es war schlichtweg zu warm.
Verdammt, wusste der Wettergott nicht, dass im Dezember keine zwanzig Grad zu herrschen hatten?
Schnaubend zog ich das kurzärmelige, rote Shirt an – wenigstens die Farbe erinnerte an die Adventszeit – und machte mich anschließend über mein Frühstück her. Sehr nahrhaft war es nicht. Das lag nicht nur an den Cornflakes, die ein wenig zu intensiv nach Pappe schmeckten. Es war auch mein momentanes Unvermögen genügend Nährstoffe zu mir zu nehmen. Mein Magen reagierte zurzeit ein bisschen aggressiv auf feste Nahrung. Sollte bei gebrochenem Herzen durchaus vorkommen; hatte ich mir sagen lassen.
Seufzend goss ich mir die dritte Tasse Kaffee ein. Wobei ich mir zum mindestens hundertsten Mal vornahm, nicht zu seufzen.
Mit der Tasse lief ich in die Wohnstube, in der ich gestern Nachmittag irgendwo meinen Datenleser gesehen hatte. Ich fand ihn nach wenigen Minuten unter dem zerknautschen Sofakissen.
Vermaledeite Klabasterkacke!
Vorhin hatte ich den Chip in die Minitasche der Jeans gesteckt. Die, die ursprünglich für Taschenuhren vorgesehen war – obwohl die seit Jahrhunderten keiner mehr benutzte. Jetzt brach ich mir fast die Finger bei dem Vorhaben, den Chip aus dieser wieder herauszufischen.
Es gelang mir.
Irgendwie.
Ohne den Verlust eines Fingers.
Den Chip legte ich ein. Während ich in aller Ruhe meinen Kaffee trank, sah ich die vier Aufträge an. Einen würde ich ablehnen, da ich nie und nimmer bei einem Vampir einsteigen würde. Nicht, weil ich noch Angst haben musste, dass sie mich mit ihrem Biss vergiften konnten. Aber Vampire waren in jeglicher Hinsicht schneller als ich. Für den Fall, dass ich dennoch angemessen reagierte, wollte ich jedoch nicht als Mörderin hingestellt werden.
Nur weil ich einen in Notwehr röstete. Hm, knuspriger Vampir…
Die anderen drei waren gewöhnliche Menschen. Zumindest was den Beschaffungsort betraf. Denn auch Gestaltwandler als Opfer lehnte ich kategorisch ab. Immerhin kannte ich die Rudel inzwischen persönlich und die konnten an einer Hand abzählen, wer ihnen quasi aufs Dach gestiegen war.
Oder in den Keller.
Beziehungsweise den eigentlich gut geschützten Tresorraum.
Da die drei Beungünstigten weder Vampire noch Werwesen waren, sagte ich diesen Aufträgen zu.
Somit war es den mir bis jetzt anonymen Auftraggebern überlassen, mich innerhalb der nächsten zwei Stunden zu kontaktieren. Wenn ich es mir recht überlegte, hatte ich, seit Humphrey nicht mehr da war, lediglich Aufträge angenommen. Auf eigenen Antrieb beschaffte ich seit diesem Zeitpunkt keine Objekte, die ich meistbietend zum Verkauf anbot. Hieß das, ich war im Begriff mich zu ändern? Gesitteter zu werden? Weniger risikofreundlich? Möglich. Vielleicht war es auch nur eine unbewusste Entscheidung, die meine Faulheit bezüglich der Recherche unterstützte.
Binnen nicht mal fünf Minuten meldete sich mein Pager, den ich mir vorsorglich bereit gelegt hatte. Ohne zu zögern, griff ich zum Telefon, was ich ebenfalls schon vor mir liegen hatte und wählte die erste Nummer. Im Stillen dankte ich mir für die weise Voraussicht den Kaffee abgestellt zu haben. Denn die Stimme, die sich meldete und die offenbar durchaus wusste, dass ich mich am anderen Ende befand, gehörte keinem Geringeren als Bingham Senior, äh ... Steward. Natürlich war es kein Zufall, dass ausgerechnet ich seinen Auftrag annahm. Steward hatte einfach gewartet, bis ich ihn kontaktierte. „Schön, dass du wieder im Geschäft bist, Samantha.“ Auf meine Frage, wieso er mich denn nicht direkt darum gebeten hatte, hörte ich ihn nur leise lachen. Ja, ja, schon klar. Ich rollte mit den Augen. Die letzten Wochen war ich schließlich zu nichts zu gebrauchen gewesen. Das Chaos in meiner Wohnung, was ich erst gestern beseitigt hatte, war Zeuge meiner geistigen Abwesenheit gewesen. „Ich bin gleich bei dir, wenn es dir recht ist.“, bemerkte Steward.
Auf meine Zustimmung hin, legte