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zu. „Weißt du, wo ich den Entschluss gefasst habe weiterzumachen?“

       Anna schüttelte den Kopf, obwohl das abwesende Lächeln auf Maries Gesicht sie Vermutungen anstellen ließ.

       „An Napoléons Grab. Ich habe mich erst am dritten Tag in den Invalidendom getraut.“ Eine leichte Röte überzog Maries Gesicht. „Ich wollte nicht so zu ihm gehen“, flüsterte sie.

       Anna schmunzelte in sich hinein und ihr Blick wanderte zu zwei Umzugskisten, auf denen in großen Druckbuchstaben NAPOLÉON stand.

       Die Röte in Maries Gesicht vertiefte sich noch. Sie räusperte sich vernehmlich. „Ich habe stundenlang auf den Sarg hinabgestarrt.“ Jetzt huschte ein Lächeln über ihre Lippe. „Die haben mich bestimmt dort alle für bescheuert gehalten. Aber das hat den Schmerz weggespült und ich konnte wieder klar denken.“

       Grinsend sagte Anna: „Du und Napoléon, das ist schon legendär!“

       „Na ja, er hat mich die letzten zwanzig Jahre begleitet. Seit ich an meinem achten Geburtstag das Schlachtfeld von Mont-Saint-Jean besucht habe.“

       Anna runzelte fragend die Stirn. „Mont-Saint-was? Wir waren da in Waterloo, oder?“

       „Ja, natürlich. Die Namen werden von Siegern gemacht. Für Napoléon war das nie Waterloo ...“

       „Siehst du! Das meine ich. So was weiß doch niemand! Ich kann mir dich ohne diesen Napoléon-Fimmel gar nicht vorstellen! Oh, ich weiß noch, dass dich alle belächelt haben, weil du diese Bilder über dem Bett hängen hattest.“

       „Die Alpenüberquerung von David. Das wird wieder über meinem Bett hängen. Genau wie die Postkarte von seinem Sarkophag.“

       „Ich hätte nichts Anderes erwartet. Aber normal ist das nicht.“ Sie zwinkerte Marie zu.

       Die überging die Bemerkung mit einem würdevollen Lächeln. „Stefan mochte ihn nicht. Ich hatte ihm zuliebe sogar die Bilder abgenommen.“

       Anna schnaubte missbilligend. „Was hat ihn daran gestört?“

       Marie zuckte mit den Schultern. „Er konnte es nicht ertragen, dass ich für einen anderen schwärmte.“ Maries Wangen röteten sich erneut. „Ganz so ist es ja nicht. Aber er hat es so aufgefasst.“

       „Nur, dass ich das richtig verstehe: Der Mann, der mit allem flirtet, was einen Rock trägt, verbietet dir ein Bild über dem Bett, auf dem ein toter Kaiser zu sehen ist? Ernsthaft?“

       „Wenn du das jetzt so sagst, klingt es komisch. Für mich war es das aber nicht. Ich fand es irgendwie süß! Er hat immer gesagt, dass er nur mich will und nie etwas mit einer anderen hatte. Ich habe ihm geglaubt. Ich habe ihm alles geglaubt.“

       „Und jetzt?“

       Marie zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, ob er mir treu war. Ich will es auch nicht wissen. Schlimm genug, dass ich so sehr in seinem Bann stand und jedes seiner Worte für eine Offenbarung hielt.“ Ihre Hände zitterten leicht und sie klammerte sie fester um ihr Glas. „Deshalb traf mich das Ende so hart.“

       „Was ist passiert? Auf einmal liebt er dich nicht mehr?“

       „Ich weiß nicht, ob er mich je geliebt hat.“ Ein bitterer Zug erschien auf Maries Gesicht. „Er kam eines Tages nach Haus und sagte, es sei vorbei. Einfach so. Ich würde ihn nicht mehr glücklich machen, sondern lästig sein. Das war's. Aus und vorbei.“

       Anna blieb der Mund offen stehen. „Das kam einfach so, aus heiterem Himmel?“

       Marie schüttelte den Kopf. „Eigentlich nicht, aber ich habe es nicht wahrhaben wollen. Einige Wochen vorher hatten wir ein langes Gespräch, in dem er meinte, dass ich keine Frau fürs Leben sei.“

       Schnaubend verkniff sich Anna jeden Kommentar.

       „Er sagte, ich entspräche nicht den Erwartungen, die er an eine Frau hätte. Schon mein Aussehen sei nicht das, was er wolle.“

       „Arschloch! Habe ich schon immer gesagt!“

       Marie grinste kurz. „Das Gespräch endete damit, dass er mir sagte, dass er mich trotzdem lieben würde und deshalb mit mir zusammen sei.“

       „Aha. Sehr gnädig.“ Anna atmete tief ein. „Mal ehrlich jetzt: Das hat dich nicht stutzig gemacht? Du hast da nicht drüber nachgedacht?“

       Das Blut schoss Marie in die Wangen. „Nein. Ich habe es einfach abgetan. Schließlich ist er an dem Abend betrunken gewesen.“

       Missbilligend verzog Anna das Gesicht. „Noch so etwas, was ich nicht verstanden habe. Wieso hast du das mitgemacht? Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn je wirklich nüchtern angetroffen habe. Auch als ich deinen Kram geholt habe, war er ziemlich zugedröhnt.“

       Marie machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich weiß nicht. Er hat häufig getrunken und manchmal habe ich nachgeholfen.“

       „Dann habe ich mich da nicht getäuscht. Aber warum? Das passt nicht zu dir.“

       „Er war freundlicher, wenn er getrunken hatte. Weniger grüblerisch und mir gegenüber offener. Dann sagte er mir wenigstens, dass er mich liebt.“ Marie verbarg kurz ihr Gesicht in den Händen. Als sie wieder aufblickte, lächelte sie.

       „Lass uns von etwas anderem reden. Da wir gerade bei Napoléon waren ...“

       So kannte Anna ihre Cousine. Bei diesem Thema besserte sich ihre Laune immer. „Was ist mit ihm?“

       „Ich habe von ihm geträumt.“

       „Echt?“

       „Ja. Der Traum war merkwürdig realistisch. Also, real sind Träume ja irgendwie immer, aber an diesen kann ich mich haarklein erinnern.“

       Anna verzog skeptisch einen Mundwinkel. „Ich erinnere mich auch an meine Träume.“

       „Nein, es ist nicht so, wie man sich an Träume erinnert. Es ist mehr wie eine echte Erinnerung. Ich kann das schlecht erklären.“ Marie zögerte, entschied sich dann aber, weiterzusprechen. „Ich kann den Staub auf meiner Haut fühlen, die warme Nachtluft, die Grillen zirpen hören – und ihn. Seine Stimme, sanft, eindringlich und mit diesem Akzent.“

       „Du hörst dich an, wie ein schwärmender Teenie!“, kicherte Anna.

       „Willst du die Geschichte jetzt hören oder nicht?“ Marie hatte jenes Leuchten in den Augen, das Anna so gut kannte. Das Leuchten, das sich immer zeigte, wenn sie von Napoléon sprach.

       „Sicher will

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