Mann meiner Träume. Nicole Knoblauch
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Er starrte mich mit offenem Mund an. „Ihr kennt die Namen all meiner Geschwister? In der Reihenfolge ihrer Geburt? Der kleine Girolamo ist gerade mal zwei Jahre alt. Ich habe ihn noch nie gesehen.“ Kopfschüttelnd fragte er weiter: „Wir sprachen von der Liebe. Was ist mit meiner zweiten Frau? Werde ich mit ihr glücklich?“
„Sie wird Euch den ersehnten Sohn schenken.“
Mehr wollte ich dazu nicht sagen. Nichts vom Ende, von Verbannung, Einsamkeit und Schmach. Ich hatte schon viel zu viel gesagt.
Das Gefühl gehen zu müssen, traf mich wie ein Schlag. Etwas in meinem Inneren zog mich von ihm weg. Ich kann es nicht besser beschreiben.
„Was soll ...“, begann er, doch ich unterbrach ihn: „Es tut mir leid, ich muss gehen.“
Er hielt mich zurück. Die Berührung zauberte ein Lächeln auf mein Gesicht.
„Wie alt seid Ihr, Marie?“
„Neunzehn.“ Glatt gelogen. Ich war siebenundzwanzig. Aber ich befand mich in einem Traum – und neunzehn passte besser zu sechzehn.
„Drei Jahre älter als ich. Woher kennt Ihr mich? Meinen Namen? Meine Familie?“
Ich hatte gehofft, er würde diese Frage nicht stellen. Also beschloss ich, sie einfach nicht zu beantworten. „Ich muss gehen.“
Erneut hielt er mich am Arm fest. „Werde ich Euch wiedersehen?“ Er errötete leicht. „Ich möchte Euch ein Geschenk machen, falls ich Kaiser werde.“
Würden wir uns wiedersehen? Ich würde gerne den etwas älteren Napoléon treffen. Der hier war fast noch ein Kind. „Möglicherweise“, antwortete ich mit ebenfalls brennenden Wangen und lief in die Nacht hinein.
„Wow, das nenne ich einen abgefahrenen Traum.“ Anna hatte aufmerksam zugehört und lehnte sich jetzt entspannt zurück.
„Sag ich doch. So was habe ich noch nie erlebt. Der Traum hielt mich den ganzen Tag gefangen.“ Versonnen lächelte Marie in ihr Weinglas.
„Und ich dachte, du wolltest nicht mit mir über Stefan reden.“
„Das auch.“ Sie grinste und streckte sich. „Alles war so real, Anna. Ich habe echte Erinnerungen, die nicht so klar sind.“
„Hast du eine Idee, warum du so etwas träumst?“
„Weil ich mich in den letzten Wochen wieder mit ihm beschäftigt habe? Ich habe viel gelesen und bin meinen Lieblingsfragen nachgegangen.“
Anna ließ ihre Cousine nur aus einem einzigen Grund weiter reden: Ihre große Erleichterung darüber, dass es Marie endlich besser zu gehen schien. Deshalb hörte sie zu, obwohl sie das alles mehr als einmal gehört hatte.
„Was trieb diesen Mann an?“, fragte Marie gerade. „Wie wurde er der Mensch, der er war? Wie begründete er sein Handeln? Warum sah er im einen Moment so klar und zog im nächsten scheinbar blind in den Untergang? Wieso wartete er einmal besonnen ab und schlug dann unüberlegt zu? Setzte sich mit einem Lächeln über alle Regeln hinweg, um sich ihnen im nächsten Moment zu unterwerfen? Das ist wahnsinnig spannend!“ Marie blickte zu Anna und lächelte reumütig. „Entschuldigung. Da ist meine Begeisterung mit mir durchgegangen.“
„Macht nichts.“ Anna streckte sich ausgiebig. „Ich freue mich ja, dass du wieder die Alte bist. Den Zombie, zu dem Stefan dich gemacht hatte, mochte ich nämlich nicht.“
„War unerträglich, oder?“
„Ja!“ Anna unterstrich ihre Antwort mit einem kräftigen Kopfnicken.
Gähnend stellte Marie ihr leeres Weinglas ab und stand auf. „Ich glaube, ich geh ins Bett. Wenn ich mich hier so umschaue, haben wir morgen viel zu tun.“
Annas Blick wanderte durch den Raum. Vor dem großen Bücherregal, das eine ganze Wand des geräumigen Wohnzimmers einnahm, stapelten sich die Bücherkisten. Einige alte Modestiche lehnten an der Wand und warteten darauf aufgehängt zu werden.
„Das schaffen wir und dann sind wir wieder eine richtige Familie, so wie früher!“
„Danke, dass du das organisiert hast und ich etwas hatte, wohin ich zurückkommen konnte.“ Marie legte ihre Arme um Anna.
„Gern geschehen. Du weißt, dass ich schon vor Jahren mit dir zusammenziehen wollte.“ Anna stellte ebenfalls ihr Glas ab und drückte ihre Cousine.
Marie erwiderte den Druck. „Ich weiß. Jetzt war einfach der richtige Zeitpunkt. Im Februar wäre ich eh hierher gezogen, da ich dann an der neuen Schule anfangen werde.“
„Meine Cousine die Grundschullehrerin! Wer hätte das gedacht. Und jetzt wohnst du nur knapp tausend Meter von der neuen Schule entfernt. Gut, dass du Stefan los bist! Mit ihm an deiner Seite wäre ich nicht mit dir zusammengezogen. Und du nicht mit mir.“
„Stimmt.“ Marie löste sich von Anna und stand auf. An der Tür drehte sie sich noch einmal um. „Ich glaube, die Napoléonsachen sollten in mein Zimmer. Ich will sie um mich haben.“ Ein verlegenes Lächeln zog über ihr Gesicht. „Außerdem werde ich den Napoléontraum aufschreiben. Das will ich nicht vergessen. Es ist fast ein wenig, als hätte ich ihn echt getroffen.“ Mit diesen Worten verließ sie das Zimmer und Anna blickte ihr versonnen nach. Das war ganz entschieden die alte Marie!
7. November (Juli 1789)
„Ich habe nochmal von ihm geträumt.“ Scheinbar ruhig butterte Marie ihr Brötchen. Zu ruhig, wie Anna fand. Die beiden Frauen saßen am großen Tisch im Wohnzimmer und frühstückten.
Anna hatte bei Maries Worten ihr Messer sinken lassen und starrte sie mit großen Augen an. „Erzähl!“
„Ich habe es aufgeschrieben.“ Marie schob Anna ein Notizbuch zu und sie begann gespannt zu lesen.
Revolution
Mein Blick fiel auf einen Fluss. Die Seine, dachte ich sofort. Doch die Stadt, die sich ans andere Ufer schmiegte, sah nicht aus wie Paris. Massive Mauern ließen mich an eine Festung denken. Die wenigen Häuser und der einsame Kirchturm dahinter deuteten darauf hin, dass diese Stadt viel kleiner als die französische Hauptstadt war.
Das Wasser bahnte sich in sanften Biegungen seinen Weg. Wenige Meter vor mir verwandelte sich das grüne Auenufer in einen schmalen Kiesstrand. Hinter mir und über mir spendeten Weiden Schatten gegen die Mittagshitze.
Eine Straße und eine breite Steinbrücke wenige hundert Meter rechts zogen meine Aufmerksamkeit auf sich. Sie verschwanden hinter den Stadtmauern. Der schmale Trampelpfad, der den Weidenstrand mit dem Weg in die Stadt verband, zeigte, dass ich nicht die Erste war, die ihn entdeckt hatte.
Nach wenigen Metern erhaschte ich einen Blick auf Fußgänger, Reiter und Kutschen, die sich scheinbar ungeordnet