Von Bagdad nach Stambul - 400 Seiten. Karl May
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welches Lager oder welchen Ort du überfallen wolltest. Aber
wäre mir ein Bebbeh begegnet, so hätte ich ihn von der Gefahr
benachrichtigt, die ihm drohte."
"Siehest du, Emir, daß ich recht habe! Ich konnte nur zweierlei
tun: - entweder mußte ich dir mein Vorhaben verschweigen, oder
ich mußte dich gefangen nehmen und mit Gewalt bei mir
behalten, bis alles vorüber war. Da ich dein Freund war, so habe
ich das erstere getan."
"Ich aber bin in der Nacht in das Lager zu den zehn Männern
gegangen, die du dort zurückgelassen hattest," lautete meine
ruhige Antwort.
"Was wolltest du bei ihnen?" fragte der Khan.
"Sie gefangen nehmen."
"Allah! Warum?"
"Weil ich erfuhr, daß du uns verlassen hattest. Ich wußte nicht,
was mir geschehen könnte; darum nahm ich alle da gebliebenen
Bejat gefangen, um sie als Bürgschaft meiner Sicherheit zu
gebrauchen."
"Herr, du bist ein sehr vorsichtiger Mann; aber du konntest mir
trauen. Was hast du mit dem Bebbeh getan?"
"Nichts. Ich bekam ihn gar nicht zu sehen, denn er war
entflohen."
Der Khan entfärbte sich und rief:
"Derigh (* Persische Interjektion für "o wehe!")! Das ist ja ganz
unmöglich! Das kann mir alles verderben.
Laß mich hinein zu diesen Hunden, welche sicher geschlafen
haben, als sie wachen sollten!"
Jetzt erst sprang er vom Pferde, ließ es stehen und stürmte
zwischen den Felsen hindurch dem Lagerplatze zu. Wir folgten
ihm beide, Halef und ich. Zwischen dem Khane und seinen
Leuten gab es nun eine Szene, die kaum zu beschreiben ist. Er
tobte wie ein angeschossener Eber, teilte Fußtritte und
Faustschläge aus und war nicht eher zu beruhigen, als bis er seine
Kräfte erschöpft hatte. Ich hätte diesem Manne eine solche Wut
gar nicht zugetraut.
"Laß deinen Zorn schwinden, Khan," bat ich schließlich. "Du
hättest diesen Mann doch frei lassen müssen."
"Ich hätte es getan," zürnte er; "aber heut noch nicht, denn mein
Plan soll nicht verraten werden."
"Welches ist dein Plan?"
"Wir haben alles mitgenommen, was wir bei den Bebbeh
gefunden haben. Jetzt nun wird das Gute von dem Schlechten
getrennt. Alles Wertvolle schicke ich auf weiten, aber sicheren
Umwegen zu den Unserigen; alles Schlechte aber nehmen wir
Andern, die wir zu den Dschiaf gehen, mit uns. Unterwegs lassen
wir es stellenweise zurück. Auf diese Art lenken wir die
Verfolgung auf uns; die Bebbeh glauben, sie seien von einer
Abteilung der Dschiaf überfallen worden, und meine Leute
kommen mit der Beute sicher zu den Lagerplätzen und Dörfern
der Bejat."
"Dieser Plan ist gut ausgedacht."
"Aber nun wohl ohne Erfolg. Der gefangene Bebbeh gehörte zu
der Abteilung, die wir überfallen haben; er wußte, daß wir Bejat
sind, und wird alles verraten. Er hat sicher geahnt, was wir
beabsichtigten. Er hat ein sehr gutes Pferd. Wie nun, wenn er,
noch während wir mit dem Ueberfalle beschäftigt waren, die
Schnelligkeit seines Tieres benutzt hat, um die befreundeten
Lager in der Nähe in Alarm zu bringen?"
"Das wäre schlimm für euch und auch für uns, denn er hat uns bei
euch gesehen," antwortete ich.
"Er kennt auch unsern Lagerplatz, und es steht zu erwarten, daß
der Eingang zu diesen Felsen den Bebbeh bekannt ist."
Kaum hatte er das letzte Wort gesprochen, so erscholl vom
Eingang her ein lauter Ruf:
"Allah 'l Allah! Da sind sie! Nehmt sie lebendig gefangen!"
Wir drehten uns um und erkannten den entflohenen Bebbeh,
welcher mit funkelnden Augen auf mich zusprang; hinter ihm
quoll ein zahlreiches Gefolge durch die Enge auf den Platz, und
zugleich erhob sich ein fürchterliches Geheul, mit zahlreichen
Flintenschüssen untermischt. Wir hatten den Vorgang außerhalb
des Lagers gar nicht beachtet und sogar vergessen, den Eingang
bewachen zu lassen.
bewachen zu lassen.
Ich hatte übrigens nicht die mindeste Zeit zum Nachdenken, denn
der Bebbeh, in welchem ich jetzt einen Khan oder Scheik
vermutete, kam auf mich zu. Er trug weder Lanze noch Büchse
bei sich, ganz so wie seine Gefährten; aber in seiner Hand
funkelte der gewundene afghanische Dolch.
Ich empfing den kühnen Gegner mit freien Händen, ohne nach
einer Waffe zu greifen. Mit der Linken umfaßte ich mit raschem
Griff seine Rechte, welche den Dolch hielt, und meine Rechte
legte ich ihm um den Hals.
"Stirb, Räuber!" rief er, unter einem gewaltigen