Glanz und Elend der Friedrich - Wilhelms. Helmut H. Schulz

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Glanz und Elend der Friedrich - Wilhelms - Helmut H. Schulz

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sich nicht durch kurfürstliches Stillschweigen erledigte, vielmehr den Boden für die nächstfolgenden Hysterien bereitet. Der nächste Fall eines vermuteten Giftattentats ereignete sich im Berliner Schloss. Inzwischen hatte die junge Elisabeth ein Mädchen zur Welt gebracht, nämlich im September 1680, wofür der junge Vater die Herrschaft Kleve-Mark vom Kurfürsten übertragen bekam. Nein, gerecht geht es nicht zu auf dieser Welt, wo einer ein ganzes Land für einige Minuten Lust und ein anderer für neun Monate Last einen schwachen Händedruck bekommt. Zugegeben, hier haben wir einen himmelschreienden Fall von männlichem Machtmissbrauch. Friedrich musste zum Herrscher aufgebaut werden, da er sich doch immerhin als fähig erwiesen hatte, Nachkommen zu zeugen, ein Mädchen zwar bloß, aber beim nächsten Mal konnte es doch auch ein Knabe sein, nicht wahr? Im Juni 1683, als das Paar von Köpenick ins Berliner Schloss herüberkam, klagte Elisabeth über Kopfschmerzen. Wenig später wurden Pocken festgestellt, ein Leiden, gegen das es selten eine Rettung gab. Sie starb denn auch am 7. Juli 1683, unter großen Qualen, wie uns gemeldet wird. Was für eine Gelegenheit! Endlich hatten sie eine Giftleiche im Schloss, und was für eine! Neben dem Schmerz über den Tod seiner Frau brach bei Friedrich erneut die Gifthysterie aus, und im Berliner Schloss ging alsbald das Gerücht um, Elisabeth sei vergiftet worden. Von wem? Von der Stief- und Schwiegermutter. Die Sache war an sich klar, das Ziel der Kampagne deutlich, die Idee selbst perfide. Getroffen werden sollte die Kurfürstin; sie als Giftmischerin zu denunzieren, hätte ihren Einfluss auf den Kurfürsten, hätte sie möglicherweise überhaupt beseitigen können. Schließlich machte der Kurfürst dem ganzen unsinnigen Theater ein vernünftiges Ende und ordnete eine strenge Untersuchung des Giftfalles an. Dazu wurde eine Kommission gegründet, die alles, womit die Verstorbene in Berührung gekommen war, Kleider, Speisen, die Zimmer und Medizinen, soweit es damals möglich war, untersuchte. Leicht zu verabreichendes Gift wie Arsen war jedermann leicht zugänglich, es wurde als Mückenstein noch im neunzehnten Jahrhundert in Apotheken frei verkauft und in adligen wie bürgerlichen Schlafräumen auf Schränken deponiert, um Nächtens vor den Plagegeistern Ruhe zu haben. Überhaupt wurde Arsen vielfaltig eingesetzt, in der Vieh- und Geflügelzucht, im Wein- und Gemüseanbau, und zwar in verschiedenen Formen, etwa als Mäusebutter. Jedenfalls fand sich Arsen in vielen Haushalten. Eine völlig sichere medizinische Methode, Arsen im Körper eines Verstorbenen nachzuweisen, gab es freilich nicht. Die tiefbraune, spiegelnd glänzende Verfärbung der Haut, Schwartenbildung, die Verseifung des Muskelgewebes und ein Käsegeruch galten als Zeichen einer Arsenvergiftung. Dazu musste die Leiche exhumiert werden. Der Beweis selbst ist freilich zweifelhaft, wie die Gerichtsmediziner bald entdeckten, da Arsen fast überall in Feld und Flur, Erde und zahlreichen Mineralien mehr oder minder konzentriert vorkommt. Noch in den Jahren zwischen I949 und I96I führte der französische Staat einen Giftmischerprozeß gegen Marie Besnard und verlor ihn, da er nicht beweisen konnte, wie das Gift in die Körper der Getöteten hineingelangt war. Auch heute noch nimmt Arsen gegenüber anderen Giften den ersten Platz in der Statistik der Giftmorde ein. Andere Gifte, pflanzlicher Art, Aufgüsse und Auszüge, setzten Kenntnisse in der Toxikologie voraus, die nur der Apotheker oder die Kräuterhexe besaßen. Wie auch immer, die kurfürstliche Kommission konnte keinerlei Giftspuren nachweisen, und es blieb bei dem ersten ärztlichen Pockenbulletin.

      Friedrich hat tief, aber nicht lange getrauert; fünfzehn Monate nach dem Tod Elisabeths schloss er eine zweite Ehe, diesmal war es zu einem guten Teil eine Allianzehe, bei diesem Friedrich wiederum mit etwas Liebe vermischt, kaum dass er die Schöne gesehen. Schon die Wahl selbst griff hoch. Sophie Charlotte aus dem Hause Hannover war I684, als Friedrich sie in Bad Pyrmont traf, freundliche sechzehn Jahre alt, eine heillos verkorkst erzogene kleine Göre mit Prinzessinnenallüren allervornehmster französischer Sorte, genannt wurde sie bezeichnenderweise Figuelotte, wohl aus dem Wort Feige abgeleitet. Als einzige Tochter von Sophie und Ernst August von Hannover hätte sie eigentlich nach Meinung ihrer Eltern einen Dauphin von Frankreich verdient, allein, Ludwig XIV, dem sie in Paris vorgestellt worden war, winkte nur ab, äußerte sich aber im Übrigen anerkennend über die kleine Dame. Figuelotte hatte zwei Jahre lang im Wartestand als Braut am Pariser Hof zugebracht, ehe sie schließlich nach Hause verabschiedet wurde. Da saß sie nun, das Herzchen, und kein Königssohn sattelte das Pferd, um den Glasberg zu ersteigen, an dessen Spitze die schöne reiche Prinzessin mit dem halben Königreich auf ihn wartete; es lohnte nicht. Sophie, die Mutter dieses Prachtexemplars höfischer Erziehung, gedachte schweren Herzens, das Kind an den erstbesten Mann zu bringen, der ihr übern Weg gelaufen, der Jüngling ist übel dran, frei nach Heine, den es noch nicht gab. Zufällig war es der just verwitwete Friedrich.

      Die Voraussetzungen für eine Verbindung beider Häuser waren miserabel. Sophie hielt den Großen Kurfürsten für einen Schwachkopf und Saufbold; voller Hass und Neid nannte sie ihn den blödesten und eingebildetsten Esel und verwahrte sich zeitlebens dagegen, Hannover könnte etwas mit Brandenburg zu tun bekommen, in die Hände Preußens, wie sie es ausdrückte, geraten. Allein sie musste die Kröte Kurfürst schlucken, um den Prinzen Kurfürst zu ernaschen, und Schwiegersohn Friedrich hatte die Ehesuppe auszulöffeln, die sie sich und ihm einbrockte. Denn ihr Herr Gemahl Ernst August wünschte vor allem eins: Kurfürst zu werden. Dazu brauchte er neben einer günstigen politischen Situation im Reich, zu Deutsch, einer Notlage des Kaisers -dieses Fürstenpack gedieh stets auf Kosten der deutschen Zentralgewalt-, auch die Zustimmung des kurfürstlichen Brandenburgers zur neu zu errichtenden Nomenklatura. Erzogen war die kleine Hannoveranerin für den verspielten Hof eines drittklassigen Debauchenprinzen, wenngleich das Haus Hannover im Rahmen der deutschen Kleinstaaterei eine immerhin beachtliche Größe besaß. Zu Hause hatte sie sich Meerschweinchen und allerlei Viehzeug halten dürfen. Puppentheater wurde noch und noch gespielt, und die Menge Bälle und Maskenaufzüge veranstaltet. Heute wieder lustig sein, hätte auch hier dieDevise lauten können. Dabei stand sie völlig unter dem Einfluss einer sie vergötternden, lancierenden und manipulierenden, aber boshaften, verlogenen und ehrgeizigen Mutter, die nach allen Seiten hin Beziehungen knüpfte und jeden ihrer Freund-Feinde gegen den anderen auszuspielen verstand. Der Große Kurfürst hat sich dem Drängen des Sohnes, ihm diese Ehe zu erlauben, ebenso wenig lange widersetzt wie der ersten. Einspruch gegen den Eheplan kam allerdings von anderer Seite. Ludwig XIV fürchtete, eine zusammenhängende Macht in Norddeutschland könnte hier unter der Hand erheiratet werden. Der Kaiser mäkelte aus ähnlichen Gründen an diesem Plan herum. Irgendwie kam diese Ehe gegen alle Einsprüche zustande.

      Was den Erbprinzen nun eigentlich trieb, wenn nicht nur ein kindisches Gefühl, das er als Liebe bezeichnet haben mag, bleibt ungewiss. Als Brautwerber diente wieder sein Erzieher Danckelmann, weniger bei den Hannoveranern als beim Großen Kurfürsten und Vater Friedrichs. Im Hintergrund dieser Verbindung spielte zweierlei mit: erstens sollte Brandenburg für die Verleihung der Kurfürstenwürde an Hannover stimmen, wenn es soweit kommen sollte, und zweitens einen Vertrag mit Hannover schließen, ein Bündnis, das bedeutungslos und unsinnig war, berücksichtigt man die Interessen der beiden Staaten und die instabile Lage Preußens. Es hat auch nie Wirkung gezeigt, nicht einmal die persönlichen Beziehungen zwischen den Häusern bessernd beeinflusst. Und im Übrigen hatte die Schwiegermutter doch keinen Knochen von diesem brandenburgischem Hund nehmen wollen. Gleichviel, zu beiden Punkten dieses Vertrages verpflichtete sich Friedrich. So kam es denn zur Eheschließung im Oktober 1684 zwischen der sechzehnjährigen Figuelotte und dem jugendlichen Witwer, der kaum sich selbst regieren konnte, geschweige denn dieses verzogene Kind, das ganz in der Hand ihrer Mutter war. Der Erbprinz hatte seine Neigung zu Pomp und Pracht inzwischen hoch vervollkommnet, er zog in Hannover ein wie ein orientalischer Pascha. Obschon er von zierlicher Figur gewesen ist, war er mit Diamanten behängt und benäht und a la mode gekleidet, weshalb ihn seine neuen Verwandten sogleich auf den Namen Mannikin tauften. Sie hätten ihrerseits wenig Grund zur Bosheit gehabt, denn ihre Tochter Sophie Charlotte litt an Fettsucht, zumindest war das jugendliche Ding wie eine Gans gemästet. Dafür war auch sie nach dem letzten Schrei Pariser Schicks drapiert. Ein nettes Paar fand sich bei der Hochzeitszeremonie in Hannover ein. Das ganze fand in Abwesenheit des Großen Kurfürsten statt, der an einem

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