Glanz und Elend der Friedrich - Wilhelms. Helmut H. Schulz
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DOROTHEA VON HOLSTEIN-GLÜCKSBURG, DIE STIEFMUTTER
Keine dieser Verfügungen Luises wurde erfüllt, denn der Große Kurfürst, der sich nach einundzwanzig Jahren Ehe durch den Tod seiner Frau heftig vereinsamt fühlte, wie jeder Witwer, der eine Frau verloren hatte, die ihm gesagt hat, wann er die Wäsche wechseln soll, ging bereits ein Jahr später ziemlich überstürzt und unüberlegt eine neue Ehe ein. Hübsch, möchte man sagen, wenn man alle diese Porträts, Halbporträts und Ganzbilder betrachtet; sorgfältig frisierte Frauen mit feinem Lächeln in den leicht gedunsenen Gesichtern, mit haarfeinem Pinsel ausgezogene Brauen, große Dekolletés und Berge von Samt, von durchbrochenen Spitzen und stets schlanke, überfeine, vom Maler höchst sorgfältig behandelte Hände, die wie zufällig einen Brokatumhang oder eine silberne Stola raffen. Die Männer stecken hingegen in kriegerisch brüniertem Blech, über welches Leopardenfelle und gewaltige Mäntel fallen. Die Gefäße ihrer Degen blitzen gefährlich, und unter ihren Allongeperücken betrachten wir Gesichter voller falscher, öder Ruhe oder der edlen Einfalt beschäftigungsloser Schwachköpfe. Manchmal halten sie das Pferd, auf dem sie sitzen, die Hand mit einem Marschallstab aufgestützt, im Sprunge an, wie in einer fotografischen Momentaufnahme, und so durch die Jahrhunderte. Nein, auf die Charaktere jener Menschen lassen die Bilder nicht schließen. Nehmen wir sie als das, was sie sind, hübsche Dekorationen.
Diese einunddreißigjährige Witiberin Dorothea von Holstein-Glücksburg, des Prinzen neue Mama, war eine gewaltige Frau mit allerlei Energie und einigen Leidenschaften, darunter die, welche einem Lande am wenigsten bekömmlich ist, der Hang zur Politik. Auf ihren Gütern Caputh, Glienicke und Bornim wirtschaftete sie allerdings mit viel Glück und Geschick als Gutsherrin. Die Stadt Berlin verdankt ihr den Stadtteil, der ihren Namen trägt, Dorotheenstadt, und sie war diejenige, die auf den trefflichen Einfall kam, die einzige große Allee Berlins mit Linden dicht an dicht zu bepflanzen, weshalb diese schöne Straße auch bis heute Unter den Linden heißt. Viel mehr braucht man von Berlin eigentlich nicht zu sehen; alles andere wurde von Kommerzienräten erdacht und errichtet, die in unserem Zeitalter vom Geniearchitekten abgelöst wurden, deren Ziel die Entvölkerung genau der Städte ist, die von ihren Vorgängern erst zu lebendigen Zentren gemacht wurden. Deshalb heißen die Alten auch Baumeister, da sie das Bauen so meisterlich verstanden. Dass Dorothea dem Kurfürsten sieben Kinder schenkte, spricht für eine andere Art Energie, und weshalb diese unheimlich tätige Frau alsbald die Berliner Agrippina, jener Dame aus dem klassischen Zeitalter, genannt wurde, werden wir erfahren. Jedenfalls wurde sie bald zur bösen Stiefmutter, ihr Geltungsdrang wie ihre Rachsucht schufen ihr in der Tat auch keine Freunde in Berlin.
Für den jungen Friedrich brachen schwere Zeiten an, das ist wohl wahr. Aber es ist auch verbürgt, dass diese Frau ebenso wie die verstorbene natürliche Mutter des damals noch kleinen Fritzchen gegen die unmäßige Härte Dunkelmanns einschreiten wollte. Wir finden in der an sich reichen Literatur über Friedrichs frühes irdisches Dasein keinen Hinweis darauf, dass der Vater Großer Kurfürst auf diese Einsprüche seiner beiden Damen in Sachen Erziehung auch nur vorsichtig reagiert hätte. Von heute aus sind die Beziehungen zwischen ihm, seiner zweiten Frau und den Söhnen aus erster Ehe kaum noch gerecht zu beurteilen. Sie waren für die Kinder nicht gut, das mag festgestellt werden. Friedrich selbst hat anscheinend nie Klage gegen Dunkelmanns Bestrafungen geführt, er hat ihm auch noch als Erwachsener einfach gehorcht, bis zu einem Punkt, bei dem möglicherweise eher sein Erzieher im Recht gewesen ist. Da ging es vordergründig ums Sparen, in Wirklichkeit ging es um mehr, um die Befreiung des Kindes von der Vormundschaft, was man heute als einen Generationenkonflikt mehr oder minder zutreffend bezeichnet.
Mit dem Einzug Dorotheas begannen sich die Beziehungen zwischen Vater und Sohn rasch zu verschlechtern. Dafür gibt es keine offenliegenden Gründe. Unmittelbar nach dem Tode der geliebten Luise Henriette hatte sich Friedrich Wilhelm zurückgezogen und nach Art heftiger Charaktere gegrollt - mit dem Schicksal, das ihn genarrt und alles genommen, mit seiner Einsamkeit, die er nicht gut ertrug. Er brauchte Leben, Aufruhr und die Genugtuung einer Tat um sich herum. Er hat, so wird berichtet, auch die Möglichkeit eines morganatischen Verhältnisses zu einer Frau erwogen, was ihm aber sicherlich nicht lag. In einer solchen Ehe wird die Frau zwar kirchlich getraut, tritt jedoch nicht in alle Rechte einer Ehegattin ein, sie erhält nur die Morgengabe, das Morganat, nicht aber das volle Witwenrecht. Auch ihre Kinder treten nicht in das ganze Erbe ein. Mit einem Wort: es handelt sich um eine Missheirat, eine Mesalliance. In einer solchen Beziehung liegt der Reiz entweder im Verbotenen, wozu man ein standhafter Charakter oder ein Phlegmatiker sein muss, oder es handelt sich um eine Neigungsehe, wie sie häufig vorkam. Der Große Kurfürst mag etwas anderes gesucht haben, ein berechenbar-unberechenbares Glück von der Art, wie es ihm Luise Henriette geboten, auch kein galantes Verhältnis mit seinen Zweideutigkeiten. Ob ihn Gewissensgründe von einer morganatischen Ehe abgehalten hätten, ist zu bezweifeln, da das religiöse wie kirchenrechtliche Trauungsverfahren zwischen den Glaubensrichtungen keineswegs ganz geklärt war. Luther hatte das katholische Ehesakrament für zweifelhaft gehalten, aber dennoch die kirchliche Trauung beibehalten. Der Kurfürst Joachim I., in dessen Lebens- und Amtszeit die Reformation fällt, hatte diese verworfen. Kurfürst Joachim II. wurde zwar ihr Anhänger, führte aber im Schmalkaldischen Krieg auf Seiten des Kaisers gegen die Reformierten Krieg und verleibte sich seelenruhig die Kirchengüter Brandenburgs ein. Elisabeth, die Kurfürstin, nahm 1525 das Abendmahl in lutherischer Gestalt und flüchtete vor ihrem Herrn Gemahl 1528 nach Wittenberg. Aber 1613 trat ein brandenburgischer Kurfürst zum Kalvinismus über; kurz, es hat ein erhebliches Nebeneinander in Glaubensfragen geherrscht. Melanchthon hat Ehen zur linken getraut, zumindest Fürsten, was im Klartext heißt, er ließ eine zweite Gattin rechtlich zu und wie eine ehelich Angetraute gelten, ja, er lieferte auch die entsprechende Auslegung der Schrift für dieses Verfahren, was sicherlich zu den höchsten Mysterien des wahren Glaubens zu rechnen ist. Allein der Große Kurfürst und Witwer suchte etwas Besseres, als dieses schwierige Durcheinander von Konkubinat und christlicher Ehe, und heiratete einfach standesgemäß. Dennoch, diese böse Dorothea blieb über zwanzig Jahre an der Seite des Großen Kurfürsten, sie wurde seine getreueste Begleiterin auf all seinen Reisen und Feldzügen, sie stand ihm bei seinen Erkrankungen zur Seite, und sie war bei ihm bis zum Tode, wirklich also, bis daß der Tod sie schied. Ihr wird nachgesagt, sie habe einen ihrer eigenen Söhne auf den Thron zu bringen versucht und einen der erstgeborenen Söhne des Kurfürsten verdrängen wollen. Ja, und?, antworten wir, was weiter? Es mag stimmen, und wie die Verhältnisse lagen, war es nur natürlich, dass sie dies anstrebte. Freilich ist es ihr nie gelungen, die Sympathie ihres Stiefsohnes Friedrich zu gewinnen, der von Anbeginn etwas gegen diese Stiefmutter gehabt hat. Die Dinge sollten bald eine Wendung nehmen, die Friedrich überraschend zum Kronprätendenten machten.
Der Thronfolger Karl Emil war seinem Vater ins Feldlager gefolgt. Es geht gerade um den neunjährigen Krieg, um das Erbe Holland. Aus verschiedenen Gründen, die wir hier übergehen dürfen, hatte sich der Kurfürst dazu entschlossen, in Straßburg zu überwintern. Größere Feldzüge waren damals zur Winterszeit nicht möglich. Im Dezember 1674 brach im Lager die Ruhr aus, und Karl Emil verstarb an dieser Seuche, neunzehn Jahre alt. Der Vater und Kurfürst zeigte sich ob dieses neuen Verlustes tief erschüttert; er hatte diesen ihm nachgeratenen Bengel sehr geliebt, und den musste er nun auch noch verlieren, nachdem ihm schon die geliebte Frau genommen worden war. Bewegt veranlasste er die Überführung der Leiche seines Sohnes nach Berlin, um ihn im Dom beizusetzen. Ein Jahr weiter verließ auch die Großmutter Amalie, die verwitwete Prinzessin von Oranien, eine der Stützen des Prinzen Friedrich, diese Welt der Affereien und Allfenzereien. Die Tante, Schwester des Großen Kurfürsten, Luise Charlotte - was bei den Männern die Friedrichs, sind die Luises bei den Frauen - kam zuerst selten, später gar nicht mehr von ihrem Besitz in Kurland nach Berlin; überdies starb auch sie 1676. Eine üble Lage, nicht nur für einen Prinzen, jetzt sogar noch einen Kronprinzen,