Glanz und Elend der Friedrich - Wilhelms. Helmut H. Schulz

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Glanz und Elend der Friedrich - Wilhelms - Helmut H. Schulz

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legt überhaupt den Verdacht nahe, er sei absichtlich der Trauung ferngeblieben, weil ihm ein Gichtanfall erträglicher erschien als diese eingebildet-weltbedeutende neue Verwandtschaft. Man erging sich zu Hannover noch einige Wochen lang abwechselnd in Feuerwerken, Balletten und Theateraufführungen; dann reiste der Ehemann nach Berlin. Sophie Charlotte blieb vorerst in Hannover.

      Merkwürdig, während der Kolporteur sich solche Gehässigkeiten ausdenkt, steht ihm ein anderer vor Augen, Peter Michailow, dessen wir schon aus Anlass seiner Großen Gesandtschaft gedachten. Dieser traf nämlich beide Damen, die glattzüngige und intelligente Mama und die ihr ergebene Tochter. Diese weilte mal wieder bei ihrer Mutter in Hannover, während ihr Gemahl zu Königsberg die Launen seines russischen Gastes, des Zaren Peter, der alles andere als bequem war, zu befriedigen suchte. Als nun die Nachricht eintraf, dass August der Starke zum König der Polen gewählt worden war, brach der Zar Hals über Kopf nach Holland auf, da die Gefahr, ein französischer Kronprätendent für die polnische Krone könne an seiner westlichen Grenze auftauchen und kriegerische Verwicklungen heraufbeschwören, vorerst gebannt schien. Sophie, unsere Kurfürstin, hatte den Zaren und seine exotischen Russen eigentlich in Berlin zu treffen gehofft, diesen getauften Bären, wie sich Europa über die Gesandtschaft mokierte. Nun sausten Tochter und Mutter dem Zaren per Kutsche und Stafette spornstreichs nach, um ihn noch vor dem Übertritt nach Holland zu stoppen. Bei Cloppenburg erwischten sie den armen Mann. Peter sah verdrossen auf ein erhebliches Gefolge neugieriger Hannoveraner, da er Eile hatte. Die Mutter der Kurfürstin war schon eine alte Schachtel von siebenundsechzig Jahren, aber beängstigend rüstig, eine Enkelin König Jakobs I. von England. Ihre Tochter - wir eilen mal wieder etwas schneller voran - neunundzwanzig. Beide Damen waren europaweit hochberühmt und als kulturelle Sonderausgaben bekannt, sozusagen Eurofrauen. Wir aber wissen schon, dass Sophie bloß eine vom Enkelsohn Ludwigs, dem Herzog von Burgund, sitzen gelassene Prinzessin ist, die nun gemeinsam mit der Mama den Zaren zu Essen und Kurzweil lud. Ob Peter wusste, dass dieses verzogene und bewunderte Ding die Schülerin und Freundin eines Leibniz war? Zunächst musste der Herr aller Reußen und Russen allerdings überredet werden, überhaupt zum Essen zu bleiben, da er in Eile war und sein Verweilen einfach für eine Zeitvergeudung hielt. Nach dem Essen sollte der Zar tanzen, wozu er auch keine Lust zeigte. Als er es schließlich doch tat, ertastete er verblüfft die Korsettstäbe in den Kleidern der Damen und stellte später sachlich fest, dass die deutschen Damen teuflisch harte Knochen hätten. Allein, er gefiel. Und wie sollte er nicht gefallen bei diesen beiden fürstlichen Gänsen? Die Mama Gans schrieb über ihn, seine Gesichtszuckungen seien nicht so schlimm (dieses Zucken beschäftigte halb Europa), er sei ein ganz außerordentlicher Mann, er hat ein gutes Herz und bemerkenswert edle Gefühle ... Er ist ein Fürst, der gleichzeitig sehr gut und sehr schlecht ist; sein Charakter entspricht genau dem seines Landes. Wenn er eine bessere Erziehung erhalten hatte, wäre er ein außerordentlicher Mensch geworden, denn er besitzt große Qualitäten .. und so weiter. Woher die Dame ihr Urteil über Peter sowohl als auch über Russland nahm, es sei denn aus dem Journal, ist ihr Geheimnis. Peter war allerdings ein außerordentlicher Mensch, auch ohne eine bessere, das heißt, eine französische Erziehung. Zurück zu unserem jungen Paar.

      Die Ehe wurde eine Katastrophe. Es begann bei Kleinigkeiten. Sophie Charlotte weigerte sich zum Beispiel, ihren Hofdamen den in Berlin üblichen Kuss zu gewähren. Dies mochte noch hingehen. Schwerer wog, dass ihr Schwiegervater, der Große Kurfürst, wie auch die Schwiegermutter Dorothea, keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen das junge, eingebildete und schrecklich verzogene Ding machten, das alle Augenblicke nach Hannover entfloh, zu seiner geliebten Mutter, die den Kurfürsten bitter hasste, von deren unheilvollem Einfluss sie sich nie befreit hat. Kehrte sie nach Berlin zurück, so zeigte sie den neuen Verwandten eine brüskierend offene Verachtung. Aber auch die Kurfürstin Dorothea verstand es auszuteilen. Trotz der Schwangerschaft Sophies, die pünktlich eintrat, zum Zeichen der elementaren Fähigkeiten des prinzlichen Gatten, wie dem Willen der Gegenpartei, die vertraglichen Verpflichtungen durch körperliche Preisgabe einzuhalten, erging sich diese Dame in Anspielungen. Dorothea ging so weit, in Hofkreisen die Jungfräulichkeit ihrer Schwiegertochter zur Zeit der Eheschließung anzuzweifeln, und verletzte mit dieser üblen Nachrede nicht nur die junge Frau, sondern noch mehr ihren Stiefsohn, dessen Eitelkeit unter der Vorstellung litt, von den Verwandten seiner Frau um die Jus prima noctis übel betrogen worden zu sein. Andererseits mag er selbst einiges zur Urheberschaft des Gerüchts beigetragen haben. Der Nervenkrieg ging weiter, als bei einer Erkrankung Friedrichs 1686 wiederum die Vergiftungsvariante aufgetischt wurde. Der Kurfürst selbst lag schwer darnieder, so schwer, dass eine dauernde Besserung seines Zustands nicht erwartet werden durfte. Abermals griff Danckelmann ein und machte sich durch einen kleinen Eingriff, angeblich gegen die Anweisung der Ärzte, neuerlich unverzichtbar, als er den Prinzen zur Ader ließ. Man sieht, dieser treffliche Mann schreckte vor keiner Gefahr zurück. Der sogenannte Aderlass, das Öffnen einer Armvene und die Entnahme einer bestimmten Quantität Blut, galt als wichtigstes Mittel bei Bluthochdruck, Fieber und inneren Leiden, die man nicht diagnostizieren konnte. Der Prinz glaubte jedenfalls fest daran, dass ihn sein Mentor wiederum vorm Tode gerettet hat. Danckelmann konnte dieses unbedingte Vertrauen des Prinzen nur gelegen kommen.

      Im Alter von fünf Monaten starb der Sohn, den Sophie zur Welt gebracht hatte, was ebenfalls auf verabreichtes Gift zurückgeführt wurde; allmählich wuchs sich die Giftmanie am Berliner Hof zu einem regelrechten, aber politisch höchst nützlichen, wenn auch völlig paranoiden Wahn aus. Darauf flüchteten Friedrich und Sophie nach Köpenick in das öde und ungastliche Schloss. Falls es die Absicht des Erbprinzen gewesen ist, hier, in der sicheren Entfernung zum Hof, auszuharren, so machte ihm Sophie Charlotte einen Strich durch die Rechnung. Sie entschied kategorisch, ihr nächstes Kind unter keinen Umständen in Köpenick oder in Berlin zur Welt bringen zu wollen, und es gelang ihr, ihren Gatten, das Mannikin, dahin zu bestimmen, mit ihr nach Hannover zu flüchten. Der Schwangerschaften waren stets viele unter fürstlichen Dächern, und die eigentliche Aufgabe der Ehefrauen von Erbprinzen war das Kinderkriegen. Friedrich gab nach, die Reise ging also wieder zur Mama; indessen kam der nächste Sohn noch auf der Reise nach Hannover zur Welt, und zwar tot. So kam man denn endlich in Hannover an, erschöpft, von Angstfurien gehetzt und ratlos, wie es nun weitergehen sollte. Die Mutter Sophies war fleißig damit beschäftigt, der Vorstellung Raum zu schaffen, ihre Tochter, wie der in ihren Augen alberne Schwiegersohn, das Mannikin, seien zu Berlin durch Giftanschläge auf ihr Leben äußerst gefährdet. Sie setzte den Verdacht spitzzüngig berechnend verbal um, in Berlin mische die Kurfürstin Gift, schüfe poudre de la succession, also etwa Erbpulver. Wochen verstrichen, der schwerkranke Große Kurfürst bestand auf Rückkehr des Paares aus der Emigration in die Residenz. Ohne Erfolg, das junge Paar trotzte sogar dem Befehl des Herzogs Ernst August, der einsah, dass er die beiden nicht länger bei sich zurückbehalten durfte, ohne Komplikationen mit Blick auf seine Lieblingsidee, dereinst Kurfürst zu werden, heraufzubeschwören. Neu lebte das Gerede von der Giftmischerei in Berlin wieder auf, als Friedrichs jüngerer Bruder Ludwig, eben einundzwanzig Jahre alt, nach der Teilnahme an einem Ball plötzlich und anscheinend rätselhaft ursachenlos verstarb. In den Räumen der Kurfürstin soll er am Vorabend eine Orange verzehrt haben, die, natürlich vergiftet, dem jungen Mann einen raschen

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