Glanz und Elend der Friedrich - Wilhelms. Helmut H. Schulz
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Für die Unschuld der Kurfürstin spricht übrigens etwas anderes als das bloße Fehlen jeden Beweises ihrer Mordabsicht, wenngleich solche Beseitigungen unbequemer Konkurrenten an Renaissancehöfen Regel gewesen sein mögen, zumindest in Italien und hundert Jahre zurückdatiert. Es ist die Psyche der Giftmischerin, der das Gift für gewöhnlich mehr Mittel eigener Macht ist, als dass sie festbegründete, zielgerichtete Absichten mit dem einzelnen Anschlag verbindet. Der Charakter einer Brinvilliers, die 1676 hingerichtet wurde, weil sie ihren Vater und zwei Brüder mit Gift beseitigt hatte, um sich des Vermögens der Familie zu versichern, zeigte beide Seiten dieser Psyche: Habsucht und Machtgier. Feuerbach hat dies alles an Hand eines deutschen Giftmischerfalls so schön dargelegt, dass wir damit vortrefflich Bescheid wissen, und jedermann kann bei ihm und natürlich auch anderswo nachlesen und ganz beruhigt sein, wenn er seine Gattin mit unbekannten Ingredienzien hantieren sieht, die sie ihm zur Beruhigung seiner Magennerven empfiehlt, Lehn dich zurück und trink, mein Freund! Schluck in aller Ruhe den Ehetrank! Arsen wird es nicht sein, was dir bitter schmeckt! Wie jede Frau besitzt auch die deinige eine Reihe von Mitteln, dir das Dasein zu versüßen wie zu versalzen! Nimm es hin! Sei ein Mann, was derzeit zu sein nicht ganz leicht fällt!
Der Fall Brinvilliers hat in Europa erhebliches Aufsehen verursacht, und den Hannoveranern passte er gut in den Kram, falls sie nicht, was sehr wahrscheinlich ist, einer allgemeineren Hysterie erlegen sind. Man halte sich aber das Leben der Kurfürstin vor Augen: vielfache Mutter, Gattin eines schwierigen, häufig kranken Mannes, den sie meist auf seinen Reisen und Feldzügen begleitete und pflegte, häusliche, familiäre Sorgen in Menge. Wo ist da Platz für dauernde hinterlistige und heimtückische Anschläge, die einen großen Kreis an Mitwissern voraussetzen? Um sich Einfluß zu verschaffen, um sich gegen die kindische Auflehnung der Söhne ihres Gemahls aus erster Ehe, die ihr das Leben wahrlich schwer genug gemacht haben, und sie fand die Knaben ja nicht mehr als Kleinkinder vor, musste sie nicht zum Gift greifen, um sich zu behaupten. Sie besaß das Vertrauen des Großen Kurfürsten, sie hat ihn zu lenken und zu nehmen verstanden; sie mag vielleicht ein bisschen überdreht, sie mag beschränkt und sogar dumm gewesen sein, eine Gifthexe war sie nicht. Übrigens hat der Kurfürst, selbst wankelmütig und aufbrausend, nie die Schwäche gezeigt, auf derartige Ohrenbläserei zu hören.
Aber zurück nach Karlsbad, wo sich gerade unser Paar befindet, um die nächsten Schritte zu beratschlagen. Man kam darin überein, und der Prinz ließ diese Entscheidung seinem Vater zukommen, dass man zu Lebzeiten der Giftmischerin nicht nach Berlin zurückkehren werde. Dazu bat der Prinz noch um die Erlaubnis, das heißt wohl, vor allem um die Apanage, also die nötigen Geldmittel, einen eigenen Hof zu installieren. Über die Klage wegen des angeblich ermordeten Bruders Ludwig ging der Große Kurfürst schweigend hinweg. Bei all diesen Aktionen und Winkelzügen war der getreue Danckelmann zur Stelle, mit Brechmittel und Lanzette, Briefe schreibend, beratend, wissend-allwissend, ehrgeizig darauf hinarbeitend, in die hohe, in die höchste Politik zu kommen, was ihm ja auch wenig später, nur zwei Jahre nach Karlsbad, gelingen sollte. Kurz gesagt, es kam zum offenen Bruch zwischen Sohn und Vater. Der Kurfürst kränkelte, wie schon erwähnt, er war sich der Folgen dieser Halsstarrigkeit seines Sohnes sehr wohl bewusst, Folgen mit Blick auf seinen Ruf, auf den Ruf des Hauses Brandenburg im Reich. Aber so leicht er das Schwert zog, und so tüchtig er als Feldherr und so unglücklich als Diplomat sein konnte, hart mit sich im Ertragen von körperlichen Strapazen, so wenig ist er solchen nervenden Misshelligkeiten gewachsen gewesen. Feinde hatte der Große Kurfürst genug, draußen im Reich und auch hier, im Familienkreis. Er drohte damit, Friedrich zugunsten Philipps, eines Sohnes aus zweiter Ehe, von der Thronfolge auszuschließen, falls er nicht stehenden Fußes heimkehre. Da der Kronprinz Schutz bei einer ausländischen Macht gesucht, war dem Prinzen klar, dass seine Anwesenheit in Berlin dringend geboten war, falls er nicht wirklich des Thrones entsagen wollte. Er zog von Karlsbad aus weiter zu einem anderen Verwandten, dem Landgrafen von Hessen-Kassel; diese Sippschaft kennen wir schon. Wie einst die Tante Landgräfin, so weigerte sich nun auch der Onkel Landgraf, den aufsässigen jungen Hypochonder nach Berlin zu schicken, zum Vater. Es war Danckelmann, der Friedrich zunächst in der Sache des Todesfalles seines Bruders Ludwig unselig und berechnend beraten hatte und der jetzt in alter Intrigantenmanier die Umkehr und Versöhnung mit dem Kurfürsten einleitete.
Man reiste nach Berlin. Seltsamerweise hat der Kurfürst sich dann doch noch auf den Unfug eingelassen und diesem albernen Menschen von einem Sohn, der wie ein verzogenes Kind immerfort auf sich aufmerksam machen musste, nachgegeben. Der Prinz konnte als Grund seiner Flucht eben nur die Furcht vor einem Giftanschlag nennen, und dabei musste er jetzt auch bleiben. Er hat aber vielleicht im Grunde wirklich geglaubt, dass ihn die Stiefmutter umbringen wollte, unfähig, seine Umgebung wie eine Situation real einzuschätzen. Das Opfer, das schließlich gebracht wurde, war nicht die Kurfürstin, soweit ging der Kurfürst nicht, sondern deren Nichte, eine Prinzessin von Holstein, die der Giftmischerei für schuldig befunden und sogleich vom Hofe verbannt wurde. Möglicherweise aber stellte sich der Vater nur dumm, musste doch der Kurfürst Frieden mit dem Sohn suchen; eventuell, was seinem Naturell entsprochen hätte, war er all dieses jahrelang an- dauernden Klatsches, der Nachrede und der Verleumdungen dermaßen überdrüssig, dass er gegen sein besseres Wissen mit einem Dameopfer die Partie einfach abbrach. Und er kam noch gut weg bei diesem Kompromiss. Ihm ist jedenfalls klar gewesen, dass innerhalb zweier preußischer Meilen um das Berliner Schloss außer ein paar vor sich hindunstenden Mückensteinen in bürgerlichen Schlafzimmern keinerlei Gift zu finden gewesen wäre, hätte man noch gründlicher danach gesucht, als das ohnehin geschehen ist. Aber keine Frage, in dieser Sache hatte der Erbprinz sein Gesicht gewahrt und seinen kindischen Kopf durchgesetzt, psychologisch war er der Sieger. Nicht nur psychologisch; zunehmend zog ihn der Vater zu den Regierungsgeschäften heran. Zwar ahnte oder wusste er, dass der Sohn weiterhin und ihm zum Trotz mit dem kaiserlichen Gesandten über Gebiete des Landes verhandelte, geheime Absprachen traf, die nach seinem Tode eingelöst werden sollten, allein es ging zu Ende mit dem Großen Kurfürsten. Eine der dringenden Fragen für den Nachfolger blieb das Testament des Brandenburgers. Nur wenige kannten es.
DAS TESTAMENT
Der Große Kurfürst ist verhältnismäßig alt geworden, berücksichtigt man die anderen hier aufgeführten Todesfälle. Er starb an der Wassersucht, also wahrscheinlich ursächlich an einem chronischen Herzleiden, im Schloss zu Potsdam, und zwar am 9. Mai 1688. Er hinterließ verschiedene Testamente und einen zweifelhaften Thronerben. Sehen wir uns diese Testamente näher an: Der Thronfolger, welcher der Grablegung seines einst mächtigen Vaters in der Gruft des Berliner Doms beiwohnte, dürfte nichts weniger als Trauer über diesen gewaltigen Mann empfunden haben, dem er sich in keiner Weise gewachsen fühlte, und den er doch zu überlisten gedachte. Während des Trauergottesdienstes im Kreise bestürzter und um ihre Zukunft besorgter Familienangehöriger, vielmehr deren Reste, beschlichen den Erbprinzen einige Zweifel ob der zu erwartenden Verfügungen seines Vaters. Der künftige Kurfürst - dass er es werden würde, daran zweifelte Friedrich nicht, die Frage war nur, mit wie viel Macht er ausgestattet sein würde - ging im Geiste die Reihe seiner Gegenspieler durch. Ohne Zweifel mussten die Kinder der Kurfürstin. der zweiten Frau seines heimgegangenen Vaters, in ihren Ansprüchen befriedigt werden. Fritzchen, wie er einst liebevoll genannt worden war, kannte nur ein Testament seines Vaters, das aus dem Jahre 1659, welches ihm Halberstadt zuschrieb. Man erinnert sich, als Knabe hatte sich Friedrich gern mit Prinz von Halberstadt ansprechen lassen, wie wir sehen, mit einem gewissen Recht. Dieses Legat