Der dritte Versuch Die Drachenjägerin. Norbert Wibben

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Der dritte Versuch Die Drachenjägerin - Norbert Wibben Der dritte Versuch

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stehenden Büsche als Deckung nutzen, oder werden sie dann entdeckt? Robyn versucht, sich vorsichtig aufzurichten, was sofort einen stechenden Schmerz im Fuß verursacht. Sie beißt die Zähne aufeinander. Doch auch beim zweiten Mal gelingt es nicht. Tränen schießen ihr ungewollt in die Augen.

      »Ich kann nicht aufstehen«, haucht sie ihrem Neffen zu. »Versuch du es allein!«

      »Was denkst du von mir? Ich soll dich im Stich …« Auch wenn er leise gesprochen hat, unterbricht er sich wegen der bereits sehr nahen Verfolger doch. Sein prüfender Blick hastet umher, dann fasst er einen Entschluss. »Wir bleiben hier und vertrauen auf unser Glück. Wir müssen nur zu dem größeren Busch dort, um uns in dessen Schatten zu verbergen.« Er hilft Robyn, die sich kriechend zu dem gezeigten Gebüsch bewegt. Dort angekommen ziehen sie einige Zweige über sich und sitzen dann stocksteif. Sie wagen kaum zu atmen, da sie die Schritte der näherkommenden Verfolger bereits deutlich hören. Die von dem flackernden Licht der Fackeln umherhuschenden Schatten der Büsche werden in diesem Augenblick durch eine Lichtkugel vertrieben, die über sie hinwegfliegt und die Umgebung hell erleuchtet. Robyn zweifelt. Wie konnten sie nur so töricht sein zu glauben, dass das kleine Gebüsch sie in diesem grellen Licht den Augen ihrer Häscher verbergen würde? Sie und Shane halten ihre Elfenmesser in Händen. Falls sie entdeckt werden, lassen sie sich nicht einfach überwältigen. Beide pressen die Lippen aufeinander und erwarten den Moment, in dem ein Schrei ihre Entdeckung verkündet. Jetzt, jetzt muss es soweit sein. Gegen den Busch, der ihr Versteck bildet, ist gerade ein Fuß gestoßen. Beide konnten die Erschütterung spüren, genauso, wie das nachlassende, leichte Zittern der Zweige. Pfiffe und Rufe hallen durch die Nacht.

      »Hierher. Wir haben sie!«

      Der Herzschlag der beiden Flüchtigen setzt kurz aus, dann atmen sie tief ein. Sie werden sich nicht einfach ergeben! Ihre Finger umfassen das Heft der Messer fester. Sie sind bereit, sich zu erheben, sobald der erste Gegner um den Busch und in ihr Blickfeld tritt.

      Doch was ist das? Das Gebüsch erbebt erneut, aber die Verfolger kommen nicht darum herum. Sie haben ihre Richtung geändert und bewegen sich mit großer Geschwindigkeit dorthin, wohin Robyn und Shane wollten. Sind ihre Pferde entdeckt worden? Unzählige Füße stampfen den Boden. Können sie so vielen Häschern entkommen? Ihr Strom scheint nicht abzureißen. Die Stimmen der Männer klingen nicht mehr missmutig. Sie scheinen über den Erfolg froh zu sein und hoffen, ihre unterbrochene Nachtruhe jetzt fortsetzen zu können. Der Großteil der Verfolger ist mittlerweile schon weit weg und das Tappen der Füße verklungen. Die beiden Flüchtlinge lassen die Zweige los, um sich zu erheben, als das Gebüsch erneut erzittert. Fluchend richtet sich ein Mann auf, der darüber gestolpert ist.

      »Schläfst du schon? Mach doch deine Augen auf, dann erkennst du, wo du auf ein Hindernis triffst.« Während sich der Gestürzte ächzend erhebt, umrundet sein lachender Kumpan den Busch. Er trägt eine kaum noch Licht spendende Fackel, die in diesem Augenblick zischend erlischt. »Was ist das denn? In dem Busch hat sich etwas versteckt. Lauert hier ein Wolf?« Erschrocken taumelt der Mann zurück. »Reich mir schnell deine Fackel!«, fordert er seinen Gefährten auf, der sich erhoben hat und weitergeht.

      »Lass doch das Tier! Falls es ein Wolf ist, ist er gefährlich. Wir sind offenbar die Letzten. Die Anderen sind schon fast wieder im Lager und du willst …« Er wird unterbrochen, da jetzt ein dunkles Grollen im Gebüsch ertönt. Es klingt dem Drohen eines Wolfs nicht unähnlich und reicht aus, dass beide Männer laut schreiend fortrennen. Gegen einen Wolf wollen sie nicht kämpfen.

      Sobald ihre Schritte nicht mehr zu hören sind, ist es ruhig bei dem Busch. Die beiden waren offenbar wirklich die letzten Verfolger. Vorsichtshalber warten Robyn und Shane kurze Zeit, bevor sie sich erheben. Der Neffe muss seiner Tante helfen, die ihren rechten Fuß nur vorsichtig belastet. Auch wenn der beim Aufstehen schmerzt, muss sie etwas lachen.

      »Ich wusste nicht, dass du einen Wolf nachahmen kannst.«

      »Ich habe schon oft die Stimmen vieler Tiere imitiert, besonders als Kind. Dass mir das so täuschend gelingt, wusste ich aber nicht. – Was macht dein Fuß, kannst du laufen?«

      »Rennen kann ich nicht, aber mit deiner Unterstützung werde ich langsam vorankommen. Ich denke, sie haben unsere Pferde entdeckt. Die Waffen und Vorräte sind somit verloren. Um zu den Mittelelfen zu kommen, müssen wir wohl oder übel wandern.«

      »Wenn du es schaffst, sollten wir so schnell wie möglich dorthin aufbrechen. Sobald es Tag wird, werden die Zauberer und ihre Soldaten nach uns suchen. Da wir dann noch keinen großen Vorsprung erreicht haben werden, verstecken wir uns erneut. Diesmal wählen wir dafür eine Höhle, falls es hier welche gibt. Sonst muss das dichte Geäst eines Baumes reichen.«

      »Es gibt in dieser Region zwar einige Höhlen, die wir aber vor Tagesanbruch nicht erreichen werden. Wir nutzen also erneut einen Baum, diesmal aber eine Linde, deren Blattwerk dichter ist!«

      Nach den ersten Worten Ainsleys weiß Cloe, dass sie richtig gehandelt hat. Obwohl, oder gerade, weil ihre Tante schon wirklich alt ist, bleibt sie bei dem Bericht ihrer Nichte ruhig. Auch sie muss einige Tränen wegwischen, aber dann ergreift sie entschlossen die Initiative.

      »Wir werden Juna so bestatten, wie sich das gehört. Wenn du möchtest, können wir zwei das allein machen oder auch einige Elfen hinzuziehen. Ich könnte dafür bestimmt Unterstützung von Lennard, dem Obersten unseres Volkes, bekommen.«

      »Wenn wir zwei das auch ohne andere schaffen, möchte ich keine weitere Hilfe. Meine Mom lebte sehr zurückgezogen, darum glaube ich, dass ihr ein großes Aufgebot nicht recht wäre.« Diese Entscheidung ist nachvollziehbar und wird ohne Widerspruch von Ainsley akzeptiert.

      »Nimmst du mich dann mit zu ihr? Du weißt, dass meine magischen Fähigkeiten nicht so groß sind. Außerdem habe ich sie seit vielen Jahren nur noch selten genutzt und bin lediglich zwei- oder dreimal bei euch gewesen.« Sie blickt Cloe an und fügt hinzu: »Eurer Katze wird es hier sicher gefallen. Schau nur, sie hat schon Freundschaft mit meiner geschlossen. Sie kann gerne bei mir bleiben, wenn du dich auf die Suche nach diesem Drachenwesen machst.« Tatsächlich liegen beide Stubentiger völlig entspannt nebeneinander auf der Ofenbank.

      »Das ist gut. Ich weiß noch nicht, wie lange ich suchen muss und leider auch nicht wo.«

      »Das wird schon«, entgegnet Ainsley und tätschelt aufmunternd die Hand der Nichte und lässt ihre dann darauf ruhen. »Aber zuerst bestatten wir Juna! Wenn du soweit bist, sollten wir nun beginnen.« Sie blickt Cloe an, die einen Moment zögert. Die junge Elfe würde das Schwere, das jetzt auf sie zukommt, gerne verschieben. Da das nicht geht, wie sie genau weiß, atmet sie tief ein und strafft die Schultern. »Portaro!«

      Nach Elfenbrauch sollte die Bestattung innerhalb von drei Tagen stattfinden, weiß Cloe jetzt von Ainsley. Daher müssen sie sich beeilen, wenn sie diese Frist einhalten wollen. Der Rest des Tages vergeht mit den erforderlichen Vorbereitungen. Cloe wählt für die Zeremonie, die am kommenden Morgen stattfinden soll, einen Platz in der Nähe des Hauses. Hier hat Juna gerne an späten Sommerabenden gesessen. Die kleine Wiese ist mit Wildblumen übersät und Bienen summen geschäftig. Der Blick auf ihr bisheriges Heim ist von hier besonders schön und gleichzeitig fällt Sonne auf die ausgewählte Stelle.

      Die beiden Elfen haben einen Glassarg herbeigezaubert, in dem Juna ruht. Sie hält einen kleinen Strauß Gänseblümchen in den zusammengelegten Händen, die auf ihrem Schoß ruhen. Die Elfe wirkt so, als schlafe sie. Ainsley und Cloe stehen rechts und links neben dem Sarg, den sie schließen, als es Mittag ist. Schwere Tränen der Tochter fallen auf den durchsichtigen Deckel. Jetzt

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