Der dritte Versuch Die Drachenjägerin. Norbert Wibben

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Der dritte Versuch Die Drachenjägerin - Norbert Wibben Der dritte Versuch

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nach oben und laufen über Cloes Wangen. Ohne das zu beachten, grübelt sie darüber nach, was jetzt der nächste Schritt sein soll.

      »Junas Bestattung!« Dieser Gedanke lässt die junge Elfe erschauern. Sie ist sich nicht sicher, ob sie das allein schaffen wird. Sie ist noch bei keiner derartigen Zeremonie gewesen, weiß nicht, was es zu beachten gibt. Anders als bei den Menschen, betten Elfen ihre Toten nicht in Holzbehälter, um sie dann in der Erde zu begraben oder in einem Feuer zu verbrennen. Sie legen die Körper auch nicht auf ein Floß oder in ein Boot und übergeben dieses einem Fluss, der sie hinaus ins Meer führt. Sie werden durch eine besondere Zeremonie zu dem großen Geist, der alles gemacht hat, zurückgeschickt. Aber hier endet ihr Wissen. Cloe muss sich deshalb an ihre Tante wenden, weiß sie plötzlich. Seltsamerweise scheint mit diesem Gedanken eine große Last von ihr abzufallen. Ainsley weiß, was zu tun ist! Im nächsten Moment räumt die junge Elfe den Tisch ab und geht hinauf zu Juna.

      »Mom. Ich besuche jetzt Tante Ainsley. Sie wird mir bei deiner Bestattungszeremonie helfen. Ich werde sie hierherholen, wenn es dir recht ist.« Einen Moment zögert Cloe, fast so, als erwarte sie einen Widerspruch der Toten. Dann nickt sie entschlossen, küsst unter Tränen das Gesicht der Mutter und verlässt das Zimmer. Aber nicht, ohne vom Türrahmen aus noch einen Blick zurückzuwerfen. Mit schwerem Herzen schließt sie ganz leise die Tür und geht die Treppe hinunter, verriegelt die Außentüren und murmelt einen Schutzzauber. Sie nimmt die Katze auf den Arm, die zukünftig bei der Tante leben soll, dann flirrt die Luft.

      Um Ainsley nicht zu erschrecken, erscheint Cloe im gleichen Moment in der Nähe ihres Hauses, das am Rand eines lichten Buchenwaldes steht. Hier sieht es friedlich aus, so, als gäbe es kein Leid auf der Welt. Das Anwesen umgibt ein weiß gestrichener Zaun, der allerdings schon etwas renovierungsbedürftig ist. Dahinter liegen Blumenbeete, durch die ein kiesbestreuter Weg zu dem kleinen Haus führt. Es ist mit Reet gedeckt und das Dach, das an vielen Stellen mit Moos bewachsen ist, reicht tief hinab. Die Traufe ist fast mit der Hand zu erreichen. Die Fenster haben Sprossen und scheinen freundlich auf jeden Besucher zu schauen, der sich diesem Heim nähert. Cloe schluckt mehrmals, bevor sie über den Weg zu der dunkelgrünen Tür tritt und den blitzenden Messingklopfer betätigt. Als sie keine Reaktion bemerkt, versucht sie es erneut, doch ebenfalls erfolglos. Sollte ihre Tante nicht zu Hause sein? Sie verlässt doch nur noch selten ihr Haus.

      Plötzlich ist sie da, die Angst. Sie kriecht ihr den Rücken hinauf und lässt die Kopfhaut kribbeln. Die feinen Härchen im Nacken richten sich auf. Nicht auch noch Ainsley, nein, das darf nicht sein! Cloes Herz beginnt irrsinnig zu rasen, als sie von der Seite ein näherkommendes Schnaufen vernimmt. Welcher Feind kommt von dort? Ein Wolf oder möglicherweise ein Drache? Ihre Hand fährt zum Gürtel, aber dort hängt kein Elfenmesser. Sie hat in ihrer Aufregung vergessen es mitzunehmen. Jetzt muss das Wesen gleich um die Hausecke kommen, es klingt schon ganz nah. Die junge Elfe wirbelt herum, murmelt vorsichtshalber »Sgiath« und beginnt den Greif heraufzubeschwören. Er wird ihr beistehen können. Dann stockt sie erleichtert.

      »Was ist das denn? Du bist schon wieder zurück?« Die gebeugte Gestalt einer alten Elfe ist an der Hausecke sichtbar geworden. Sie hat ein verwittertes Gesicht mit vielen, tiefen Furchen. Die dünnen, weißen Haare stehen wirr durcheinander, so, als ob sie gerade gerauft worden sind. Sie macht mit den schlurfenden Schritten, mit denen sie näherkommt, einen müden Eindruck, aber die Augen wirken wach und jung. »Es ist doch hoffentlich nichts passiert?« Cloe bemerkt nicht, wie ihr sofort Tränen über die Wangen laufen. Schon liegt sie in den Armen der älteren Elfe.

      »Mom. Es ist Mom. Sie ist …«, hier unterbricht sie ein heftiger Schluchzer. »Sie ist tot!«

      Seit der letzten Unterhaltung mit Kayleigh in Serengard sind Tage vergangen. Mit Sorge hat Cian verfolgt, dass ein großes Heer mehrere Orte im Osten angegriffen und viele davon zerstört hat. Leider ist er bisher stets zu spät gekommen, um den Menschen helfen zu können. Die Zugrichtung der Truppen deutet darauf, dass sie es auf das Gebiet der Ostelfen abgesehen haben könnten. Jetzt beraten sich Lennard, der Oberste dieser Elfen, Kayleigh und Cian. Sie sitzen auf der Veranda eines großen Baumhauses, das hoch in der Baumkrone errichtet wurde. Diese Behausungen sind bei den Ostelfen üblich und haben den Vorteil, dass sie von Feinden schlecht angegriffen werden können.

      »Ich bin der Überzeugung, dass diese Truppe keine Gefahr für uns darstellt«, antwortet der hochgewachsene Elf mit rötlich-braunen Haaren. »Wenn das hauptsächlich Fußsoldaten sind, können sie nicht gut klettern und unsere Häuser stürmen. Sollten Wolfskrieger unter ihnen sein, kommen die auch nicht zu uns herauf. Wir können sie jedoch gut bekämpfen, ohne nur einen Pfeil auf sie zu schießen.« Voller Zuversicht deutet er auf einen großen Vorrat an Felsbrocken, die zu einer umlaufenden Mauer auf dem Plateau angeordnet sind. »Wir nutzen dafür diese Steine. Natürlich haben alle Elfen auch Bogen und genügend Pfeile, um die weiter entfernten Gegner treffen zu können.«

      »Aber gegen Magier hilft das nicht!« Cian schaut Lennard besorgt an. Der ist nur etwa halb so alt wie er und nickt bestätigend, wobei seine grünen Augen leuchten.

      »Das ist mir klar. Meine magischen Fähigkeiten sind leider gering, aber eine Schutzglocke vermag ich kurze Zeit um mich zu errichten. Gleiches gilt für viele der Elfen hier. Unabhängig davon haben wir in jedem der Baumhäuser eine Notrutsche, mit der wir schnell den Erdboden erreichen können, um einander beizustehen. Am Ende der Rutschen befinden sich außerdem unsere neuesten Verteidigungsmittel, die wir vor einigen Wochen von Kayleigh bekommen haben. Komm mit, ich zeige sie dir.«

      »Nutzen wir die Notrutsche?«, fragt Cian mit hoffnungsvollem Grinsen. Er möchte gerne die rasante Abfahrt kennenlernen.

      »Da komme ich gerne auch mit!« Kayleigh erhebt sich schnell, um den anderen mit leuchtenden Augen zu folgen.

      »Wenn ihr die Rutsche probieren wollt, folgt mir.« Lennard führt sie in das Baumhaus hinein und dort zu einer runden Tür. Sie ist dunkelrot gestrichen und besitzt in der Mitte eine glänzende Messingkugel. Der Elf dreht diesen Knauf und öffnet den Zugang zur Gleitbahn. Die Rutsche aus dunklem, polierten Holz, windet sich spiralförmig nach unten. Sie ist um den Stamm herumgelegt. Verkleidet ist das System mit dünnen Brettern, die außen mit Moos bewachsen sind. Alle Wohnbäume sind so gebaut, wodurch es so wirkt, als hätten die Stämme einen entsprechend gewaltigen Umfang. Lennard hockt sich auf die Bahn und streckt sich dann lang darauf aus.

      »Mir nach«, fordert er und verschwindet schnell nach unten. Cian folgt seinem Beispiel und fühlt sich in die Kindheit zurückversetzt. Laut lachend kommt er am Erdboden an. Hier befinden sie sich zwischen dem Stamm und der künstlichen Außenwand. Prüfend fährt Cians Hand über die Innenseite der Verschalung. Erstaunt stellt er fest, dass das kein totes Holz ist. Es ähnelt Weidenholz, das zu breiten Brettern aufgebogen und in den Boden gesteckt wurde. Sollte es dort Wurzeln gebildet und wieder angewachsen sein? Sein Staunen verrät offenbar, was er denkt, denn der andere Elf bestätigt diese Vermutung. Das erklärt auch, warum die Wohnbäume mit ihren Umbauten nicht unnatürlich wirken. Nach oben blickend erkennt er die mächtigen Äste, die in der Höhe seitwärts durch die Verkleidung herausragen und die Wohnebene tragen. Während der kurzen Zeit, in der Cian das betrachtet, ist auch Kayleigh lachend unten angekommen. Jetzt deutet Lennard auf einen Langschild, der am Stamm des Baumes lehnt. Daneben stehen ein typisches Elfenschwert, weitere Elfenbögen und mehrere mit Pfeilen gefüllte Köcher.

      »Hier siehst du unsere beste Verteidigung gegen feindliche Zauberer.«

      »Meinst du jetzt das Schwert oder gibt es einen besonderen Bogen?«

      »Schau nur genau hin«, entgegnet Kayleigh und wartet gespannt, ob ihr Freund die Lösung erkennt. Cian tritt näher, nimmt erst das

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