Mörder geben kein Pardon: Drei Krimis. Alfred Bekker
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Читать онлайн книгу Mörder geben kein Pardon: Drei Krimis - Alfred Bekker страница 17
Ich versuchte herauszubekommen, wie lange es schon her sein mochte, dass er den Obdachlosen gesehen hatte. Marvin-Julian Pellemeier – der den Mann wohl ebenfalls beobachtet hatte – mischte sich nun erstmals in das Gespräch ein. Er wirkte verschlafen und sehr müde. Das hing wohl mit den Medikamenten zusammen, die er bekommen hatte.
Die Aussagen der beide Jungen waren im Hinblick auf den Zeitpunkt etwas widersprüchlich, aber mir wurde deutlich, dass dieses Erlebnis durchaus schon mehrere Monate her sein konnte – zu einem Zeitpunkt, da das Geisterhaus noch nicht so stark kontaminiert gewesen war.
„An eine Sache erinnere ich mich noch!“, meinte Marvin-Julian plötzlich. „Aber ich weiß nicht, ob das wirklich wichtig ist.“
„Sag’s uns“, forderte ich den Jungen auf. „Jede Kleinigkeit kann wichtig sein.“
„Hat denn der Obdachlose was mit dem Fall zu tun?“
„Nein, wahrscheinlich nicht, aber es könnte sein, dass er ein wichtiger Zeuge ist“, erwiderte ich.
Marvin-Julian nickte und auf seiner Stirn erschien eine tiefe Furche. Er wirkte jetzt sehr ernst. „Der Mann hatte ein Loch im Bart.“
„Was genau meinst du damit?“, hakte ich nach.
„Nun, ein Bart wuchs ihm fast bis unter die Augen. Deswegen sah er auch so unheimlich aus. Wie ein Ghoul oder so etwas...“
„Der Junge schaut zu viel fern“, mischte sich Herr Pellemeier ein. „Nehmen Sie das nicht so ernst, er vermischt da wahrscheinlich Fantasie und Realität!“
„Ich weiß doch, was ich gesehen habe!“, empörte sich Marvin-Julian. „Der Bart war ganz schwarz, aber genau hier war ein längliches Loch in den Haaren!“ Der Junge zeigte auf seine Wange, malte das, was er gesehen hatte mit der Fingerkuppe seines Zeigefingers dort nah.
„Vielleicht eine Narbe“, vermutete Roy.
Vielleicht war dieser Mann irgendwann einmal verhaftet oder in trunkenem Zustand zur Ausnüchterung auf ein Polizei-Revier gebracht und erkennungsdienstlich behandelt worden. Dann konnten wir seine Daten über das landesweite Datenverbundsystem abrufen. Immerhin war es möglich, dass dieser Zeuge wertvolle Beobachtungen gemacht hatte, da er wahrscheinlich das Haus zu einem Zeitpunkt betreten hatte, als dort noch mehr oder weniger regelmäßig Giftmüll eingelagert wurde.
„Hat jemand von euch mal einen Lastwagen gesehen, der auf das Gelände gefahren ist?“, fragte ich.
Paul meldete sich zu Wort. „Ja, einmal sogar ein Atego 500!“
Ich lächelte.
„Du kennst dich aus mit Lastwagen?“
„Klar! Und deswegen bin ich mir auch ganz sicher.“
16
Insgesamt sechs Bodyguards schirmten Vic Noureddine und seinen Neffen Maik ab, als die das Lokal „Chez Pierre“ betraten - das beste französische Lokal Hamburgs.
Es gehörte einem Franzosen namens Pierre Lacroix, den Noureddine zu seinen persönlichen Freunden zählte und dem er deswegen auch absolut vertraute. Als stiller Teilhaber war Noureddine über einen Strohmann an dem Nobellokal sogar beteiligt. Rein wirtschaftlich gesehen war es für ihn eine Möglichkeit, kleinere Geldmengen in eigener Regie zu waschen, was ihn unabhängiger von den auf diesem Gebiet tätigen Geschäftspartnern machte und damit auch das eigene Risiko minimieren half. Schließlich musste Noureddine immer dann, wenn einer dieser Partner aufflog, damit rechnen, dass dieser auf ein Kooperationsangebot der Staatsanwaltschaft einging.
Vic Noureddine hatte das das „Chez Pierre“ an diesem Tag für sich und seine Gäste allein. Normalen Publikumsverkehr gab es aus Sicherheitsgründen nicht.
Pierre Lacroix empfing Vic Noureddine und seine Leute.
„Ihre Gäste sind bereits anwesend, Monsieur“, sagte der Kanadier mit starkem französischem Akzent.
„Dann wollen wir sie nicht länger warten lassen“, knurrte Vic.
Pierre führte sie in den großen Hauptsaal des Lokals.
An einem großen, nierenförmigen Tisch hatte ein breitschultriger Mann mit grauen, kurz geschorenen Haaren Platz genommen. Er wurde von zwei Leibwächtern flankiert, die dunkle Rollkragenpullover und kugelsichere Westen trugen.
Der Grauhaarige trug ebenfalls eine Kevlarweste. Sie drückte sich deutlich durch das Hemd ab, dessen Knopfleiste dadurch ziemlich gespannt wurde.
„Seien Sie gegrüßt, Herr Makarow“, sagte Vic und bleckte dabei die Zähne wie ein Raubtier.
„Nennen Sie mich ruhig Peter“, erwiderte der Grauhaarige.
„Dann bestehe ich darauf, dass Sie mich Vic nennen.“ Der Pate von St. Pauli deutete auf seinen zweiten Mann. „Dies ist übrigens mein Neffe Maik...!“
„Angenehm“, nickte der Gast.
Pjotr „Peter“ Makarow war ein ehemaliger KGB-Mann, der sich inzwischen mit dubiosen Geschäften als so genannter „Businessman“ in Russland und darüber hinaus etabliert hatte.
Vic Noureddine hatte die Absicht, mit ihm groß ins Geschäft zu kommen. Erste Kontakte waren bereits vor einem halben Jahr geknüpft worden. Beide Seiten waren zunächst einmal sehr vorsichtig gewesen. Aber nun sollte diese Geschäftsbeziehung in eine neue Phase treten.
Vic und Maik setzten sich. Ihre Bodyguards schoben ihnen die Stühle zurecht und postierten sich anschließend dahinter.
Makarow zündete sich eine Zigarette an.
Einer der Leibwächter gab dem zum Businessman gewandelten Ex-KGB-Mann Feuer. Er sog an seinem filterlosen Glimmstängel und blies seinem Gegenüber den Rauch ins Gesicht. „Es ist schon erstaunlich, was für Geschäfte mit Müll möglich sind!“, sagte er akzentschwer. „Bei uns wären solche Gewinnspannen niemals realisierbar.“
„Weil die Umweltstandards viel geringer sind“, stellte Vic fest.
Makarow bestätigte dies. „Ein Hoch auf den Umweltschutz! Darauf sollen wir einen trinken, Vic!“
„Ich bin dafür, dass wir vorher das Geschäftliche regeln und dann erst zum angenehmen Teil dieser Zusammenkunft übergehen.“
Peter Makarow zuckte die Achseln.
„Ganz wie Sie wünschen, Vic.“
„Sehen Sie, es wird immer schwieriger, innerhalb der Bundesrepublik Deutschland oder der Europäischen Union geeignete Lagerstätten zu finden. Die Gegenseite schläft ja nicht. Die Masche mit den von Strohmänner gemieteten Häusern hat sich längst herumgesprochen und es wird immer schwieriger, so eine Nummer durchzuziehen, ohne dabei als Investor selbst ein erhebliches juristisches Risiko einzugehen.“ Vic Noureddine beugte sich vor. „Russland ist das größte Land der Erde. Da gibt es doch mehr als genug einsame Gegenden in denen man etwas vergraben kann, was danach garantiert zwanzig oder dreißig Jahre lang nicht gefunden