Der Attersee in der Literatur des 19. Jahrhunderts. Franz Roither (Hrsg.)
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Die Anreise
In Gmünden lassen Sie Sich auf den Platz zum Schiffe führen, wo Sie bey Hrn. Eisenmayr – Hr. Eisenmayr war einst theuer; ich tadelte ihn öffentlich. Er hat sich, seines Zornes gegen mich ungeachtet, sehr gebessert, und ich kann ihn jetzt Ihnen und allen Reisenden empfehlen – gute Bedienung, und schöne Wohnung mit vortrefflicher Aussicht auf den See finden werden.
Wenn Sie aber von München über Salzburg (über das schöne Salzburg, das kein Reisender auf 20 Meilen weit vorüber fahren sollte) nach Wien fahren, so rathe ich Ihnen, nicht die gewöhnliche Poststrasse über Neumarkt, Frankenmarkt und Vohlabruck, sondern die seit 1808 neue Poststrasse über Hof auf St. Gilgen (7 Stunden von Salzburg) und von da über den Wolfgang See nach St. Wolfgang zum Bräuer zu fahren. Sie schicken Ihre Kutsche nach Ischel, und lassen dieselbe dort im Posthause beym Hirschen, bey Hrn. Grundner, auf Sich warten. Sie selbst aber fahren von Wolfgang des andern Tages wieder zurück auf dem Wolfgang-See gegen St. Gilgen nach der Glashütte, machen einen kleinen Spaziergang von ungefähr einer Meile von dieser Glashütte nach Scherfling am Mondsee, fahren diesen herrlichen See hinab gen Undrach, wo Sie ungefähr eine halbe Stunde durch Obstgärten hinwandeln, um dann über das österreichische Meer, den Meilen langen Attersee nach Weissenbach hinüber zu fahren. Der dortige Wirth spannt Ihnen für eine Kleinigkeit ein Paar gute Pferde nach dem 4 Stunden entlegenen Markte Ischel vor.
Wenn Sie nach dem Mittagsmahle (um 2 Uhr) von Salzburg wegfahren, so sind Sie bis 7 Uhr Abends bequem zu St. Gilgen am Wolfgang-See, oder Abersee (so nennt man den Wolfgang-See gewöhnlich zu Salzburg) und Sie schiffen dann noch im Strahle der Abendsonne den herrlichen See hinab nach Wolfgang. Wenn Sie dann des anderen Morgens allenfalls auch erst um 8 Uhr von St. Wolfgang nach der Glashütte fahren, so sind sie bequem bis 11 Uhr zu Scherfling, bis 2 Uhr zu Undrach. beym Bräuer, bis 4 Uhr zu Weissenbach, und bis Abends zu Ischel, wenn der Wirth zu Weissenbach auch seine Pferde nicht zu Hause hätte. Sie sind also hier in 12 Stunden auf 3 der grössten und schönsten Seen Deutschlands gefahren, und haben noch 2 kleinere, den Irning-See und Krötensee, an welchen Sie zwischen der Glashütte und Scherfling vorübergehen, kennen gelernt. [...]
Die Anbamler
Man hat zu Wolfgang schon die sogenannten Anbamler, die Sie in der Folge am Mondsee und am Attersee wieder finden werden. Diese Anbamler sind nichts als ein grosser ausgehöhlter Baum, ein Canot der Wilden, oder der Nachen des ersten Schiffers. Ich rathe Ihnen nicht in diesen Anbamlern zu fahren. Man fährt zwar sicher darinn im Sturme; der hohle Baum kann nicht untersinken: aber es schaukelt so sehr bey jedem Ruderschlage, wenn der See ruhig ist; man sitzt so hoch und frey da auf einem kleinen Strohsessel, der in die Höhlung des Baumes hineingestellt wird; dass man wenig Seelenruhe zum Genusse, und keine körperliche zum Zeichnen behält, Sie müssen jedesmal einen ordentlichen Nachen, d. h. in der Landessprache hier eine Plätte verlangen, die nur wenig mehr kostet als der Anbamler. [...]
Der Teufelsabbiss
Doch weit interessanter ist eine Excursion auf den Scheffauberg oder Schafberg, oder den Teufelsabbiss, wie die Aelpler in Unterösterreich diesen Berg seines sonderbaren Gipfels wegen nennen. Man sieht diesen Berg, dessen Umriss nicht zu verkennen ist, sehr deutlich vom Gipfel des Schneeberges bey Wien, und folglich sehen Sie von ihm auch den Schneeberg wieder, und natürlich den grössten Theil von Oberösterreich, und eine weite Strecke von Salzburg und Bayern. Er ist nicht sehr hoch: in 2 Stunden haben Sie ihn erstiegen, und geniessen von ihm die Aussicht auf 9 Seen, von welchen der Wolfgang-See, der Fuscher-See, der Mondsee und der Attersee die vorzüglichsten sind. Gewiss machen Sie eine Excursion auf seinen Gipfel, den Sie von Wolfgang aus in 3 Stunden erreichen können. Wenn Botaniker Sie begleiten, so werden Sie mit reicher Ernte beladen heimkehren. [...]
Der Attersee
Doch es ist Zeit, dass wir uns von Wolfgang trennen. Wir wollen den Mondsee, den Attersee und den Gmündnersee an einem Tage befahren, damit wir Sie alle frisch in der Phantasie erhalten, um dem schönsten den Preis zu erkennen. Wir müssen uns frühe zu diesen grossen Wasserfahrten rüsten. [...]
Wir wollen das schönere Hörn des Mondsees, das östliche von Scherfling gen Undrach hinabrudern. Da sieht uns der Drachenstein nach, der uns im Rücken bleibt: der Thurm von Lorenzen verschwindet uns bald mit seiner westlichen Ebene, und wir sehen im Spiegel des Sees verdoppelt die schroffe Kienbergwand, und das graue Steingebirg in der Ferne. Kreisend tanzen die grünen Wogen um uns, und schaukeln den hohlen Baum, der uns trägt, hinab in die freundliche Au. So heisst das Dörfchen, das in der Ebene vor uns da liegt am östlichen Ufer des Sees, wo wir landen.
Da rauscht ein mächtiger Bach (der Alterbach), in den der See sich ergiesst, den wir befuhren, hinab an den Felsenwänden der rauhen Scharte, und ein freundlicher Landweg führt uns durch Labyrinthe von lebendigen Zäunen und Obstgärten, die murmelnde Quellen durchsprudeln, in nicht gar 3 Viertelstunden nach Undrach, einem artigen Dörfchen von einigen 60 Häusern.
Da stehen Sie nun an dem schönsten Hafen des österreichischen Oceans, des meergrünen Attersees. Man nennt diesen See auch Kammersee, von dem Schlösschen Kammer am östlichen Ufer des nördlichen Ende dieses Sees. Kammer war von jeher berühmt wegen seiner Fischereyen, so wie es der Attersee, Atrolacus, längst im ganzen Attergey gewesen ist. Die Alten müssen schwärzer gesehen haben, als wir, wenn Sie diesen meergrünen See Atrolacus nennen konnten. Er gehörte einst den Grafen von Schanenberg, und kam dann an Albert von Oesterreich, der die Feste Attersee und Frankenburg (jetzt Frankenmarkt) an Herman von Cilli im Jahre 1379 um 6450 Wiener Pfennige mit allen Rechten verkaufte. Rudolph II. schenkte den See seinem Lieblinge, Baron von Khevenhüller. Schon im Jahre 829 war der Attersee und Wolfgangsee und der Mondsee stark bewohnt, und Urkunden des noch älteren Tassilo, vom Jahr 771 bestimmen die Grenzen der Besitzungen an diesen Seen. Ueber das Oertchen Abstorf am Attersee haben wir eigene Urkunden vom Jahre 1142.
Weiter als drittehalb Meilen weit sehen Sie eine seladongrüne Wasserfläche vor sich ausgegossen: ein hellgrüner lichter Streifen, der durch seine ferne Mitte queer durchfährt, scheint seinen Horizont zu theilen, und giebt ihm das grosse Ansehn einer weiten Meeresbucht, die tief in das Land hin einzieht. Der Wind muss gut seyn, der Sie in 4 Stunden von Undrach nach Kammer, die ganze Länge des Sees von Süden gen Norden hin, steuern lässt: treffen Sie widrigen Wind, so können Sie wohl auch, wie es einem meiner Gefährten ergieng, 17 Stunden lang rudern, ehe Sie ihn hinabfahren. Er ist fürchterlich, wenn er stürmet, und ohne Rettung sind Sie verloren, wenn der Nordwind den Nachen hinabschleudert gen Süden, um ihn dort an den Felsenwänden zu zerschellen. Seine nördlichen Ufer sind flache Hügelreihen, die die Gewalt des Nordwinds und des stürmenden Nordwests nicht vermögen zu brechen. Der wälzt sie dann her die stürmetragenden Wolken über die Meeresfläche des Sees, und empört seine Tiefen in regenstäubende klafterhohe Wogen.
Aber eben diese niedrigen monotonen Hügel, die mehr als drey Viertheile des Sees an seinen nördlichen Ufern umschliessen, eben diese stäten Wiederholungen des ewigen Einerley, und sey es auch noch so schön, eben diess ist es, was die 4 Stunden lange Fahrt längs des Sees hin bey aller Schönheit seiner Ufer doch etwas langweilig macht. Es ist angenehm, an den Gestaden eines Sees hinzuschiffen, wo jetzt mit Früchten beladene Bäume ihre schweren Aeste in den See herabbeugen, jetzt ein reifes Kornfeld oder ein neues Saatfeld mit den Spitzen seiner Halme den Wellen des Sees harmonisch nachwallt: es ist schön, eine Reihe von ländlichen Sitzen vorbeyzurudern, die eben soviele niedliche See-Landschäftchen dem lüsternen Auge gewähren; es ist so schön, eine weite grüne offene Wasserfläche um sich fluthen zu sehen: aber auch das Schöne verliert an Reitz, wenn