Raban und Röiven Der Feuervogel. Norbert Wibben

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Raban und Röiven Der Feuervogel - Norbert Wibben Raban und Röiven

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dann mit Wasser und trockenem Brot. Der blonde, junge Mann schließt seine Augen und konzentriert sich. Seine Lippen murmeln unverständliche Worte. Als er eine Art Traumbild sieht, hat er die gesuchte Spur. Er stößt einen zufriedenen Laut aus und deutet auf den Pfad, auf dem sie hierhergekommen sind.

      Wehe den Übeltätern, wenn sie gefasst werden. Auf die von ihnen verübten Verbrechen steht die Todesstrafe! Und der Jüngling ist sich sicher, er wird sie finden! Ihm konnte noch kein Gegner entkommen, wenn er sich einmal auf dessen Spur gesetzt hatte. Also werden die Verbrecher vergeblich von hier fortgezogen sein, um ihre Beute zu genießen.

      Obwohl der Abend hereinbricht, macht sich die Gruppe mit neuer Energie an die Verfolgung. Sie binden ihre ausgeruhten Pferde los und sitzen auf. Der Sucher murmelt mit geschlossenen Augen eine Beschwörung und setzt sein Tier mit einem leisen Ruf in leichten Trab. Er lenkt es lediglich mit Schenkeldruck in die gewünschte Richtung und übernimmt erneut die Spitze. Ihm folgen die Anführerin und die anderen in jeweils kurzem Abstand.

      Raban schüttelt nach kurzer Zeit den Kopf. Er bekommt keine gedankliche Verbindung zu Ilea. Ob es daran liegt, dass sie selbst versucht, diese herzustellen oder ob sie vielleicht …

      »Ich muss sofort nach Ilea schauen«, beginnt er aufgeregt, »es könnte ihr etwas passiert sein. Ich bekomme jedenfalls keinen Kontakt. Ich bin gleich wieder …« Schon flirrt die Luft und Röiven schaut erstaunt auf den leeren Platz neben sich.

      »Das ist ja … Warum nimmt er mich nicht mit? Wir sind doch immer als Team unterwegs.« Der schwarze Vogel überlegt kurz, ob er die letzten Schokoladenbrocken wirklich liegen lassen kann, dann flirrt auch schon die Luft.

      Der Kolkrabe hat sich in der Eile, seinem Freund schnell zu folgen, etwas verschätzt. Er saß eben noch auf der Wiese unter der Linde, jetzt fällt er vom Himmel über dem Haus im Weidenweg. Er schlägt aufgeregt mit den Flügeln und fängt damit seinen Sturz ab. Röiven blickt suchend um sich.

      »Raban, wo steckst du?« Keine Antwort. »Los, antworte schon. Ist etwas passiert? Ich kann dir helfen.«

      »Ich bin bei Ilea. Sie ist auf der Weide am Berghang, bei den Ziegen.«

      Sofort fliegt der schwarze Vogel in Richtung der Wiese den Bergrücken hinauf und landet kurz danach auf der Bank in dem Unterstand.

      »Zum Glück ist Ilea nichts passiert!«, krächzt er erleichtert.

      »Nein, mir nicht«, bestätigt das Mädchen und löst sich aus der tröstenden Umarmung Rabans. Sie deutet die Weide hangabwärts, wo erste Abendnebel vom Tal heraufgekrochen kommen. »Aber zwei unserer Ziegen sind tot! Also, eine ist es jedenfalls und eine andere vermutlich auch. Neben dem Kadaver der einen Ziege ist eine große Blutlache zu sehen, die offensichtlich von der anderen stammt, die jedoch verschwunden ist.«

      »Ich vermute, dass sie abtransportiert wurde. Das Eintreffen Ileas hat den Täter offenbar gestört«, erläutert Raban.

      »Aber ich habe niemanden bemerkt«, unterbricht ihn das Mädchen. »Ein Auto oder anderes Gefährt habe ich auch nicht gesehen oder gehört.«

      Erschrocken beschwört der Junge einen Schutz herauf:

      »Sgiath! Protego!«

      »Wie? Was ist los? Werden wir angegriffen?«, knarzt der Rabe, während er ruckartig den Kopf in alle Richtungen wendet.

      »Das ist nur eine Vorsichtsmaßnahme«, erläutert der Junge. »Wenn Ilea keinen Menschen und keine Transportmöglichkeit gesehen hat, könnte ein Zauberer dahinterstecken.«

      »Du meinst, ein oder mehrere dunkle Zauberer sind das gewesen?« Das Mädchen hält sich erschrocken eine Hand vor den Mund. »Wir müssen sofort zu Mom. Falls das Dubharan sind, könnten sie ihr etwas antun wollen.« Ilea will schon davonstürmen, als Raban sie festhält. Das Mädchen begehrt sofort dagegen auf: »Lass mich, ich … oh! Danke. Mom, wo bist du? Geht es dir gut?« Während sie aus dem Wohnzimmer, in das der Junge sie mit dem magischen Sprung gebracht hat, in den Flur stürmt, um zur Küche zu gelangen, vernimmt sie erleichtert Leanas Stimme:

      »Warum sollte es mir nicht gut gehen?« In diesem Moment stürmt das Mädchen in die Küche und umarmt sie erleichtert. »Hey, was ist los? Oh, hallo Raban. Es ist schön, dass du uns besuchst. Ist etwas passiert?« Die Frau war gerade dabei den Tisch zu decken, auf dem bereits eine große Schüssel mit einem gemischten Blattsalat steht, und hält das Besteck noch in der Hand. Erleichtert löst Ilea die Umarmung und will von den toten Ziegen und ihrer Vermutung berichten, als in diesem Moment krächzende Rufe aus dem Wohnzimmer kommen. Röiven ist ihnen nach kurzer Überlegung gefolgt. Also begeben sie sich in den größeren Raum, wo Ilea berichtet, warum sie derart aufgeregt war.

      »Wir werden die tote Ziege morgen begraben«, entscheidet Leana. Als sie den verstehenden Blick Rabans bemerkt, bestätigt sie dessen Vermutung:

      »Die Ziegen sind Nachkommen der Herde, die Eila von Erdmuthe bekommen hat. Wir nutzen ihre Milch zur Käsebereitung, ihr Fleisch essen wir aber nicht. Schließlich konnten ihre Vorfahren in Kämpfer verwandelt werden, die Eila und ihre erste Ausbilderin beschützten.«

      »Röiven und ich sollten die Nacht in dem Unterstand auf der Weide verbringen, um die Ziegen zu schützen«, schlägt Raban vor. »Wir kehren besser sofort dorthin zurück, um zu verhindern, dass weitere Tiere angegriffen werden. Morgen ist die Gefahr sicher gebannt. Die Orte, an denen Tiere getötet wurden, wechselten täglich.«

      »Das machen wir«, bestätigt der Rabe knarzend und hockt sich auf die Schulter des Jungen.

      »Aber ihr müsst doch vorher etwas essen«, will Leana einwenden.

      »Dafür ist jetzt keine Zeit!«, entgegnet Raban. »Bis morgen früh.« Damit flirrt die Luft und die beiden sind verschwunden. Mutter und Tochter blicken sich erstaunt an. Dann nickt Leana.

      »Wir machen ein Picknick auf der Weide. Außerdem wird es in der Nacht schon empfindlich kalt, also sollten wir auch eine Decke für die beiden mitnehmen.«

      So bereiten sie das Abendessen für ein Picknick, ziehen sich warme Jacken an und machen sich auf den Weg zur Weide. Raban und Röiven freuen sich über den unerwarteten Besuch. Alle schauen beim Essen der untergehenden Sonne zu, wie sie im Nebelmeer versinkt. Der Himmel leuchtet noch einige Zeit rot nach, dann blinken die ersten Sterne am dunklen Himmel.

      Raban bringt Leana und Ilea mit dem magischen Sprung in ihr Haus. Zurückgekehrt wickelt er sich und den Raben in die Decke. Der Junge ist im Verlauf der Nacht ein paarmal nahe daran, einzuschlafen, hält sich aber angestrengt wach.

      Plötzlich richten sich seine Härchen im Nacken auf und sein Herz beginnt schneller zu schlagen. Ein eiskalter Finger streicht über seinen Rücken, dem ein feines Kribbeln folgt und bis zum Kopf hinaufläuft. Er richtet sich etwas auf und lässt seinen Blick forschend umherschweifen. Lauert hier jemand, der vielleicht die zweite Ziege holen will?

      »Sgiath! Protego!«, flüstert Raban vorsorglich, aber es passiert nichts. Auch Röiven versucht, einen möglichen Feind zu erblicken, doch nach kurzer Zeit beruhigt sich der Puls des Jungen wieder. Falls es eine Gefahr gegeben haben sollte, ist sie jetzt offenbar vorbei. Er lässt sich zurücksinken und wickelt die Decke wieder fester um sich und den Vogel.

      Ilea

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