Himmelsvolk. Waldemar Bonsels

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Himmelsvolk - Waldemar Bonsels

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Schönen, das man erlebt, das Beste nicht sagen, sondern nur empfinden kann.

       Die meisten der wichtigen Ereignisse, die in diesem Buch erzählt werden, haben sich auf der

       Waldwiese am Traulenbach abgespielt, dort wo die tausendjährige Linde an der Grenze der Felder

       und des Laub‐ und Föhrenwaldes steht. Es ist ein von den Menschen fast ganz vergessener Ort, nur

       im Frühling oder im Herbst kommt ein Landmann in die Nähe dieser Waldwiese, wenn er seine Äcker

       besät oder pflügt, und alle Jahre vielleicht einmal ein Jäger mit seinen Hunden, aber nicht einmal das

       ist ganz sicher.

       So hatten die Tiere des Waldes, die Bäume, Pflanzen und Blumen auf der Waldwiese ein ruhiges

       Leben auf ihre Art, das nicht von Menschen gestört wurde. Die meisten von ihnen kannten nur den

       Wind, den Sonnenschein und den Regen, außer dem dunklen Erdboden, dem sie vertrauten. Sie

       hörten wohl durch die Bäume oder Vögel von den Menschen, auch kam es vor, daß an schönen

       Abenden die Linde aus ihrer an Erlebnissen reichen Vergangenheit erzählte, aber die wenigsten von

       ihnen hatten den Menschen überhaupt jemals gesehen.

      Zweites Kapitel ‐ Die Ankunft des Elfen

      Es mochte nach der Zeitrechnung der Menschen zwischen Pfingsten und Ostern sein, als im Frühling

       dieses gesegneten Jahres ein niegesehenes Ereignis die Bewohner der Waldwiese in Erregung und

       Entzücken versetzte. Es war an einem unbeschreiblich hellen Sonnenmorgen, das Land duftete vom

       Regen der Nacht, und die Frische war so beseligend im Licht, daß die Freude aller Lebendigen wie ein

       einziger Jubel durch den Wald hallte. Über den Primeln in der Lichtung und über den blauen Sternen

       der Leberblumen sang eine Grasmücke, sie war ganz in ihr Lied versunken, ihr Kopf war voll Hingabe

       in das blaue Glänzen des Himmels erhoben, und es sah aus, als wäre sie ganz verzückt von

       Daseinslust. Ihr Lied klang unter den hellen Schleiern des jungen Buchengrüns dahin, das von der

       Sonne wie Gold leuchtete, und zwischen den Stämmen der Tannen ließ die Ruhe der Waldeinsamkeit

       die Töne in ihre dunklen Tore einziehen. Nah und fern, überall, wo es grün und hell war, zwitscherte

       und jubilierte es, kein Wesen war in der Lage, traurigen Gedanken nachzuhängen. Und über dem

       Frühlingsglück der Ihren zog die strahlende Sonne hoch im Blauen ihre Gnadenbahn.

       Es war ein Tag, ach, wer vermag so viel Überschwang zu fassen?! Überall blühte es, tief unten im Tau

       trieb das Moos am Boden seine smaragdgrünen, dichten Wäldchen, und in den Baumwipfeln öffnete

       sich Blüte neben Blüte in der Sonnenfreiheit.

       Als die Grasmücke, nachdem sie ihre Lieder beendet hatte, sich in den Waldgrund niederließ, um

       nach einem Morgentrunk Umschau zu halten, traf sie den Maulwurf an einer Baumwurzel im Eingang

       zu seinem unterirdischen Höhlenbau.

       »So ein Tag lockt sogar Sie heraus, wie?« fragte sie freundlich, trat aber doch etwas zur Seite, man

       weiß nie recht, bei so einem Maulwurf ...

       Der Alte schüttelte den Kopf und blinzelte:

       »Die Wärme,« sagte er, »die Wärme ist mir bisweilen ganz recht, aber dieses Übermaß an Licht kann

       mir gestohlen werden. Kommen Sie einmal mit herunter, meine Liebe, treten Sie ein! Sie werden

       Wunder an Behaglichkeit erleben. Alles ist dämmrig, kühl und still, und dabei von einer

       Gleichmäßigkeit der Temperatur, daß man gedeiht wie ein Kürbis. Dabei brauche ich nicht hinter

       jeder Fliege oder Mücke herzujagen wie Sie, Würmer und Engerlinge dringen sozusagen von selbst in

       meine Gänge ein, morgens liegen sie da und warten, daß sie gefressen werden. Das nenne ich so

       recht ein Leben nach dem Herzen Gottes.«

       »O pfui Teufel«, sagte die Grasmücke und lachte. »Aber so sind Sie, genau wie ein Maulwurf. Wenn

       ich Sie nicht schon länger kennte, würde ich überhaupt nicht mit Ihnen reden, an Sie muß man sich

       erst gewöhnen, verstehen Sie? Ach, wenn Sie Einsehen hätten, aber Sie sind verbohrt, das kommt

       von Ihrer langweiligen Beschäftigung, sonst würde ich Ihnen erklären, wie man lebt, um glücklich zu

       sein. Vor allen Dingen muß ein Haus gegen den Himmel geöffnet sein, das ist die erste Vorbedingung

       für ein heiteres Herz. Glauben Sie, wir Vögel würden so viel singen, wenn wir nicht Wohnungen

       hätten, die weit gegen den Himmel offen sind?«

       Der Maulwurf blinzelte, und sein breiter Grabfuß, der innen rosa gefärbt war, scharrte die Erde ein

       wenig beiseite.

       »Bilden Sie sich etwas auf Ihre Nester ein?« fragte er, ehrlich erstaunt. »Wer hätte das für möglich

       gehalten! Wenn Sie das meine nur einmal erblickt hätten, würden Sie vor Neid und Mißmut Ihre Eier

       künftig ins Gras legen. Was tun Sie denn viel? Sie tragen ein paar dürre Äste zusammen, Heu,

       bestenfalls ein Pferdehaar, Gerümpel sozusagen, werfen alles durcheinander und hocken sich mitten

       hinein. Hinterher zu sagen, der Himmel schiene hinein, ist nicht schwer, denn was bleibt dem Himmel

       anderes übrig? Er ist jeden Tag da, regnet oder leuchtet, und es ist ihm wahrscheinlich höchst

       gleichgültig, ob er Ihren Hausrat an einer Stelle oder an verschiedenen Orten am Boden zerstreut

       bescheint. Und deshalb meinen Sie nun, Sie müßten singen? So sind also Vögel! Gut, daß ich es

       endlich weiß.«

       »O du lieber Gott, Sie Maulwurf«, sagte die Grasmücke, ganz

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