Himmelsvolk. Waldemar Bonsels
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ließ. Dies Glühen des Verlangens war es, das ihn sehen und lauschen lehrte, so daß er alle Stimmen
um sich her verstehen lernte, und er erkannte, noch wie in einem Traum, daß dies heiße Begehren
seiner Brust nach Zugehörigkeit das eine, große, treibende Element des Lebendigen um ihn her war.
In träumerischem Staunen schritt er dahin, lernte den Tag und die Nacht begreifen und erbebte vor
Glück über ihre Treue. Er sah die Sternbilder, die er wie aus ferner tiefer Erinnerung einer anderen
Jugend wiederzuerkennen glaubte, strahlen, wandern und singen und doch immer gleichbleiben, er
begriff den hohen Himmelsweg des Wassers, das die Sonne aufsaugte und das die Wolken den
Irdischen zurückgaben, und liebte über alles den Himmelswiderschein im Tau. Am meisten aber
beseligte ihn die gewaltige Sonne, ihre Gnadenbahn im Blauen, ihre Milde und Fülle, ihre
unaussprechliche Freigebigkeit. Ihren Glanz und ihre Wärme liebte er in betörend hingebender
Demut, sein Vertrauen zu ihr war so groß, daß schon der kleinste Lichtblick ihrer Herrlichkeit ihn wie
in einen Rausch von Zuversicht versetzte.
Oft konnte er stundenlang dasitzen und in den Tannenwald schauen, durch dessen hohe, gerade
Stämme das Sonnenlicht auf das Moos sank und überall helle Inseln von strahlendem Goldgrün
zurückließ. Die Lichtflecke rührten sich nicht, der Waldboden sah wie ein stiller Teppich mit
strahlenden Ornamenten aus. Aber hoch oben in den Kronen rauschte es in einer gewaltigen
Lebensmelodie im Frühlingswind, als zögen himmlische Heerscharen im Goldrauschen ihrer
Gewänder darüber hin. Dieses Rauschen der Baumkronen verwandelte sein Herz in einen einzigen
schimmernden Traum, ihm war, als erklängen darin die ewige Heiterkeit der freien Bewegung und
zugleich die Schwermut der irdischen Fesseln.
Als er eines Nachts, nachdem er schon manchen Tag auf der Wiese wohnte, erwachte, lockte der
Mondschein ihn aus seiner grünen Höhle im Moosgrund in die Stille der strahlenden Nacht empor.
Am Bach waren die Lilien aufgeblüht, sie leuchteten wie Schnee über dem dahinziehenden Wasser,
es war still und kühl und schon nahe dem Morgen, die Stimmen der Nachttiere waren verstummt.
Es war Halbmond, aber sein Licht schien so klar, daß die Sterne in seiner Nähe nur blaß schimmerten,
die Erde umher duftete von Nässe, denn es hatte am Tag vorher geregnet. Als der Elf sich auf einen
niedrigen Zweig der Linde setzte, fielen ein paar große Tropfen ins Gras nieder, auf ihrem kurzen
Weg zur Erde blinkten sie auf, kleine durchschienene Kugeln, sie trugen Mondlicht durch die Luft und
Glanz und Frische.
Der Elf sah dem fallenden Wasser nach und dachte an die Pflanzen, die es im Schlaf trinken würden.
Wenn die Erde die hellen Tropfen aufnimmt, sann er, so kehrt das Licht zum Himmel zurück. Der
Gedanke beschäftigte sein Gemüt, er rührte die Blätter in seiner Nähe an und sah zu, wie die
fallenden Tropfen, erfüllt von Licht, die Pflanzen tränkten. Die Waldtiefe schimmerte schwarz wie
Teer, nur die ersten Stämme waren vom Mond beschienen, und zwischen ihnen zogen sich
Lichtstreifen in die stille Finsternis hin. Gibt es auf der Erde ein Fleckchen, so groß wie meine Hand,
dachte er, auf dem nicht Leben schlummerte? Überall, wo Leben pocht, da glüht ein kleiner
Lichtherd, eine Stätte, wo das Licht einmal in Verlangen erwartet und empfangen wird, wo es
beglückt und zurückstrahlt. Nichts hat so viele Heimatrechte auf der Erde, wie das Licht.
Die Luft wurde von einem Surren erfüllt, das kaum vernehmlich zwischen den schwarzen Stämmen
begann, langsam anschwoll und nun beinahe drohend und feierlich über ihm dahinzog. Es war ein
großer Wasserkäfer, der sich ein neues Gewässer suchte, um dort den Tag zu verbringen. Wie mag es
ihm in der silbernen Dunkelheit und in der Ruhe der Luft behagen, dachte der Elf und sah ihm nach.
Es wurde wieder still, dicht neben ihm glitzerte ein Tropfen so hell wie ein Diamant, fast wurden
seine Augen geblendet, der Mond spiegelte darin, wie in geschliffenem Glas, aber es wurde darüber
umher nicht heller, hinter ihm war die Nacht so schwarz wie Kohle. Der Tropfen behielt das Licht, es
kreiste in seinem kühlen Rund, in freier Klarheit entstand eine unbeschreiblich erstrahlende kleine
Welt für sich.
Vielleicht leben auch in ihr Geschöpfe, dachte der Elf, halten die Sekunden ihrer Zeit für ein langes
Dasein und empfangen unser Himmelslicht in eigenen Lichtherden, aus denen es als Freude
widerstrahlt.
Der Tropfen sank und erlosch in der Finsternis am Boden.
Dem Elfen kamen die Schwalben in den Sinn, die er bis in die Stunde des sinkenden Abendlichts in
schwindelnder Himmelshöhe hatte fliegen sehen. Eine von ihnen war am Tage mit ihm bekannt
geworden, sie hatten sich auf dem Felde getroffen, wo der Vogel am Erdboden Lehm für sein Nest
suchte, und die Erzählung der Schwalbe war wie ein strahlendes Bild der fernen Welt in sein Herz
gesunken.
Wie mag euch Schwalben die Erde erscheinen, die ihr bewohnt, dachte er nun in der Erinnerung ihrer
Worte, wie anders werdet ihr sie kennen und empfinden als ein kleines Bodentier des ebenen Feldes,
oder als der Mensch. Eure Reise nach dem Süden führt euch Jahr für Jahr über das schimmernde
Meer, über welchem, wie über einer unabsehbaren, runden Silberfläche, die Sonne rot aufwacht,