Himmelsvolk. Waldemar Bonsels

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Himmelsvolk - Waldemar Bonsels

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und am Abend langsam,

       feuerrot in ihr helles Bett sinkt. Dann fliegt ihr allein über der großen Ebene, das Wasser sieht wie

       flüssiges Eisen aus, der Himmel im Westen wie durchscheinendes Glas und im Osten kalt und blau, im

       Wehn der herannahenden Nacht. – Wie schön die Schwalbe erzählt hatte.

       Seid ihr nicht viel mehr als alle, seid ihr nicht am glücklichsten, ihr Menschen, fuhr er in seinem

       Sinnen fort. Ich lebe unter Tieren und Pflanzen und kann euch nicht erscheinen, aber es zieht mich zu

       euch, stärker und freier als in jener ersten Nacht, in welcher ich euch erblickte und euer Glück

       verstand. Ihr Sonnenmenschen, ihr Gesegneten, die ihr geschickt seid, alles, alles zu empfangen! Was

       macht euch so reich an Frohsinn und Betrübnis, ich möchte den Grund der Quellen in euch kennen,

       aus denen die jauchzenden Lichtgarben eures Lachens entspringen und das schwermütige Geheimnis

       der Tränen. Wieviel Sagen von eurer Herrlichkeit und eurem Elend kennt die alte Welt!

       Wie aus tiefer Kindererinnerung stieg über solchen Gedanken in der Seele des Elfen eine Ahnung

       empor, als habe er schon zu einer anderen Zeit alles gewußt und alles erfahren. Die Seele ist so alt

       wie die Welt, dachte er, sie wird zur Erde geboren, um wieder jung zu sein. Aber kaum glaubte er sich

       einer Gewißheit zu erfreuen, da zog es aus blauen Tiefen heran wie Wolken, und ihn befiel eine

       Traurigkeit, so daß er sich aus dem Bereich der Ahnungen und Gedanken in die Welt der

       Erscheinungen zurückflüchtete.

       Leben, o schönes Leben auf der Erde, dachte er. Ihm war zumut, als sei er ein Geschöpf aus fremden

       Regionen der Welt, das nur träumte, es lebte auf der Erde unter ihren Wesen. Es lag am

       geheimnisvollen Weben der Nacht, daß alles ihm unaussprechlich wunderbar vorkam, und er sprach

       leise vor sich hin, wie Leute, die viel allein sind, es bisweilen tun, und sagte:

       »Es muß an meiner Herkunft liegen, und weil ich ein Fremdling bin, daß ich alle Erscheinungen, die

       mir begegnen, so groß, so schön und sonderbar empfinde. Wer in seiner Kindheit als ein Geschöpf

       seiner irdischen Eltern unter seinesgleichen erwacht, der wächst in seiner Umgebung empor, ohne

       daß ihn dies selige Erstaunen befällt, das immer und immer wieder mein Gemüt erschüttert. Anderen

       werden alle Dinge langsam vertraut, sie gewöhnen sich auch an das Schönste und nehmen es wie ihr

       selbstverständliches Recht hin. Sie haben sichere Augen und gleichmütige Gedanken, die Erde ist ihre

       Heimat, und sie wundern sich nur über den Tod, obgleich er das einzige ist, was sie bestimmt wissen.

       Alle Geschöpfe, die ich kennengelernt habe, haben mehr Zuversicht und ein größeres Vertrauen der

       Zugehörigkeit als ich, aber weniger Entzücken. Es muß daran liegen, daß sie die Erde längst gewohnt

       sind, aber ich kann mich nicht in ihre Wunder finden, denn ich bin niemals mit unbewußten Sinnen

       durch ihr blühendes Tal geschritten. Als ich die Sterne zum erstenmal sah, wußte ich, daß es die

       Sterne waren, ich erkannte das erste Lachen, das ich vernahm, aber es war meinen Lippen fremd,

       und der erste Sonnenschein überwältigte mich zu unnennbarem Glück. Auf die Anderen aber haben

       die Sterne schon niedergesehen, ehe ihre Augen sie erkennen konnten, Tränen sind wie Tau auf sie

       niedergetropft, Tränen der Freude oder des Schmerzes, und sie haben nicht gewußt, was sie

       bedeuten, ihnen ist alles vertraut geworden, bevor sie es erkannten, vielleicht sind sie viel glücklicher

       unter den Wohltaten ihrer Heimat, die sie blind, ohne Gedanken, hingenommen haben. Es ist gut so,

       die Pracht der Erde ist so groß, daß ein Mensch sterben müßte, wenn ihre Gewalt eines Tages

       plötzlich über ihn hereinbräche.«

       Während in dieser stillen Frühlingsnacht sein Herz auf solch seltsame Wanderschaft ging, überkam

       ihn plötzlich im Wandel von Andacht und Sorge ein geheimnisvolles Erzittern, und er mußte seine

       Arme ausbreiten, als gälte es, eine liebreiche Fülle zu umschlingen, und er verstand nicht, wie ihm

       geschah. Er mußte an die beiden Menschen denken, die sich in der Sommernacht seines Erwachens

       umarmt hatten, an alle Blüten, an alle, an die Sonne über den Wiesen und an den Jubel der Vögel im

       Grünen. Und plötzlich, wie in einer seligen Offenbarung, ahnte er das Wesen der Kraft, die ihn mit

       allem Leben in der Natur verband, und er mußte singen. Er wandte sich in die Weite, die im

       Mondlicht blühte, an die große, atmende Natur, die mit ihm ihrer Erlösung harrte, und sang:

       Du bist mein Eigentum, weil ich dich liebe,kein Sinn ermißt die Fülle meines Glücks.Wie bitte ich die

       Güte des Geschicks,daß mein Gemüt dem deinen nahe bliebe.

       Was dir geschieht, das soll auch mir geschehn,o Hort der Liebe, so in dir zu weilen.Nun lernt mein

       Herz in seiner Zeit verstehn,in deiner Anmut seinen Gram zu heilen.

       Im Osten tauchte ein schmaler Glutstrich auf, und der Elf faltete seine Hände, denn der Morgen kam.

       Ich werde euch alle, alle sehen und kennen und lieben, wie ihr seid, ihr Irdischen mit mir, dachte er,

       das soll mein Glück sein.

      Viertes Kapitel ‐ Wiesenleute

      Der Elf saß unter den Blumen. Eigentlich war es sein liebster Aufenthalt, und er kannte keine

       schöneren Stunden, als in ihrer Gemeinschaft zu weilen, sein Glück erschien ihm vollkommen, wenn

       die Seligkeit der Blühenden ihm seine Einsamkeit in ein Fest glücklichen Bescheidens verwandelte. Er

       saß auf einem halbentrollten Farnblatt, um ihn her erhoben sich schlanke Grashalme,

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