Himmelsvolk. Waldemar Bonsels

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Himmelsvolk - Waldemar Bonsels

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am Boden, und seine graubraunen Schwingen

       bewegten sich groß, feierlich und kraftvoll. Es war ein herrlicher Anblick, den mächtigen Vogel zu

       beobachten, der allein lebte, vom Raub, in seiner Waldfreiheit.

       Eines Tages kam eine Katze, o Gott! Sie setzte sich mitten auf die Wiese in die Blumen, blinzelte und

       putzte sich sorgfältig und so arglos, als gäbe es in der Welt für sie keine Gefahr, und als habe sie

       niemals einen bösen Gedanken gehabt. Es wurde eine Weile auffallend still auf der Waldwiese, nur

       der Bach kümmerte sich nicht um das Tier, er rauschte fort, die kleineren Geschöpfe aber bekamen

       zum größten Teil Herzklopfen. Wer ein sicheres Versteck hatte, beobachtete die Katze mit Spannung.

       Es läßt sich auch in der Tat kaum etwas Schöneres denken, das zugleich mit so viel Schrecknis

       verbunden ist, als eine Katze. Natürlich, wer sich gegen sie wehren kann, wer stärker oder

       geschwinder als sie ist, der sieht und nimmt nur ihre anmutigen Seiten, deren sie viele hat, und

       begreift nicht so rasch das Entsetzen, das sie kleineren Geschöpfen einflößt. Aber wenn man in

       Betracht zieht, daß manche Tiere, denen sie nachstellt, kaum größer sind als eine ihrer Pfoten, so

       begreift man eher, welchen Schrecken die Katze verbreiten kann.

       Ganz besonders über diese Katze wäre vieles zu erzählen; es ist schade, daß es hier nicht angeht. Sie

       war ursprünglich unter Menschen gewesen und ist auch in ihrer Gemeinschaft geboren und

       aufgezogen worden. Aber dann wechselte der Besitzer des Hofes, auf dem sie lebte, und da Katzen

       meistens eher an dem Ort hängen, an welchen sie gewöhnt sind, als an Menschen, so war auch diese

       Katze geblieben; aber sie traf es schlecht mit den Nachfolgern der ausgewanderten Bauersleute und

       entschloß sich deshalb eines Tages kurzerhand, ihr Heil in der Freiheit zu suchen. Sie hatte einen sehr

       schweren Winter hinter sich und war oft drauf und dran gewesen, zurückzukehren, aber nun, mit

       dem eingekehrten Frühling, schien ihr Los ihr beneidenswert.

       Uku, die alte Eule, sah von ihrer sicheren Baumhöhle aus auf die Katze nieder. Die grünlichen Augen

       waren wie zwei harte, glänzende Metallplättchen, alles an der Katze, auch das prächtig gestreifte

       Fell, war auf das sauberste gehalten und so wohlbestellt, gesund und anmutig, daß es ein Entzücken

       war. Uku sah, wie die Pfote am Gesicht entlang glitt und wie die kleine rosa Zunge die weichen

       Härchen des Fells glättete. Nachdenklich sah der weise Vogel auf die Katze nieder. Wer würde

       vermuten, dachte er, daß dies zärtliche Tier vom Wipfel eines Baumes oder vom Giebel eines Daches

       niederspringen kann, ohne Schaden zu nehmen, wer ahnt hinter dieser kindlichen Gebärde die

       Wildheit, die sie verbirgt, die geschmeidige Kraft und die unbeugsame zähe Eigenart der Katze? Ist es

       so bestellt, daß sich mit der größten Kraft und Wildheit solch arglose Gebärde des Spiels und der

       Harmlosigkeit vereinen kann, mit diesem Lächeln die furchtbarste Blutgier und mit soviel Anmut die

       Falschheit?

       Uku konnte nicht aufhören, die Katze zu betrachten, und sie dachte lange und sehr scharf über sie

       nach, wie es so Art der Eulen ist. Sie weiß die größten und bissigsten Hunde in Respekt zu halten,

       dachte sie, ja in manchen Fällen selbst den Menschen, und sieht doch aus wie ein schüchternes Kind.

       Wie sie den Schein der Sonne genießt! Es ist wirklich sehr schwer zu sagen, was gut oder was böse ist

       in der Natur, ich glaube, man kann es nur für sich selbst und sein eigenes Handeln wissen.

       Wie ungebrochen sind diese harten Augen, wild und rein, fuhr sie fort zu sinnen, sie werden eines

       Tages brechen, wie ein edler Stein unter einem Hammer, aber sie werden sich nicht trüben. Man

       muß sagen, Uku kam geradezu in Begeisterung, und da eine Katze alles andere eher ist als die

       Freundin der Eulen, so war diese Anerkennung des Vogels um so erstaunlicher. Aber Uku hatte

       Grund, über die Katzen nachzudenken, sie hatte vor Jahren einmal zur Nachtzeit eine Katze sterben

       sehen, die, von der Kugel eines Bauernsohns getroffen, auf dem Hof ihr Leben lassen mußte, auf dem

       damals auch Uku viel verkehrte. Es war Mondschein gewesen, der junge Mensch stellte den Katzen

       nach, weil sie seinem kleineren Federvieh Schaden taten. Seine Kugel ging der Katze durch die Brust,

       schlug durch und öffnete sie an zwei Stellen. Das Tier war auf einen Baum geflüchtet, und anfänglich

       hätte man glauben können, sie sei nicht verwundet, aber dann löste sich langsam, man möchte sagen

       Kralle für Kralle, ihr schöner gefleckter Leib von dem Ast, den sie umklammert hielt. Es kam kein Laut

       über ihre Lippen, erst am Fallen sah man, daß sie keine Gewalt mehr über ihren zähen, wohlgeübten

       Körper hatte. Am Boden, im schrägen Mondlicht kreiste sie im Gras, und nun, wie mit ihrem letzten

       Atem, kam ein Geschrei aus ihrem Mund, das Ukus Herz erstarren ließ, und der junge Mensch, der

       herzugeeilt war, sprang betroffen zurück, als dieser Todeston sein Ohr traf. Es war ihre erste und

       zugleich ihre letzte Klage, es war, als habe sie zu Lebzeiten das Klagen nicht gelernt. Dreimal

       hintereinander stieß sie diesen langgezogenen Schrei aus, der keine leiblichen Schmerzen zu verraten

       schien, sondern den wilden Wehelaut um ihr schönes, starkes Leben.

       Die Natur umher lauschte wie in einer jähen Ahnung ihres Geschicks auf. Es ist furchtbar, die

       Mächtigen im Tode schreien zu hören. Und doch hatten diese Töne nichts Jämmerliches, es lag kein

       Hilferuf darin, kein Flehen um Erbarmen, sondern viel eher war es das metallische Verklingen der

       gebrochenen Kraft; unbeschreiblich einsam durchdrang es die Mondnacht.

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