Himmelsvolk. Waldemar Bonsels

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Himmelsvolk - Waldemar Bonsels

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die sanft bewegte Luft mit leisem Rauschen

       füllten. Aus der Höhe mischte sich das Summen der Insekten in dies gleichmäßige Lied, wie wir

       Menschen es von den Bäumen im Wind kennen.

       Es war ein reger Verkehr im Graswald, und zwischen den vielerlei Kräutern zogen die Tiere ihre

       Straße, alle beschäftigt und eifrig, aber fröhlich um des heiteren Tags willen. Man glaubt es kaum,

       was alles lebt auf einem so kleinen Fleckchen Erde, wie der Elf es von seinem Platz aus übersah. Käfer

       in den prächtigsten, schillernden Farben, Ameisen, Waldschnecken, geflügelte Würmchen und die

       zahllosen kleinen Tiere, die auf den Pflanzen leben, von ihren Blättern oder ihrem Blütenstaub. So

       winzige Erdbewohner waren tief im grünen Schattengrund beschäftigt, daß man sie für gewöhnlich

       nur erblickt, wenn man lange Zeit aufmerksam hinschaut. Sie unterscheiden sich in ihrer Art und

       Lebensgewohnheit ebensosehr voneinander, wie es größere Tiere tun, in ihren Interessen, ihrer

       Gestalt und Farbe.

       Es war leicht zu spüren, daß die Tiere des Graswalds viel kecker und beweglicher waren als die

       Blumen, die voll Schüchternheit und geduldig auf ihr Geschick harrten. Der Elf beugte sich tief über

       ihre Kelche, deren Licht und Farbe sich in seinem zarten Gesicht widerspiegelten, er sog ihre Frische

       ein, ihren Duft, und als er vernahm, was ihre heimlichen Wünsche waren, rief er die Bienen zu ihnen.

       Zwei kleine Käfer stiegen miteinander in den goldstrahlenden Kelch einer Blume hinab, beinahe

       betäubt von dem warmen Duft und ganz in das Blütenlicht eingehüllt. Die Blume zitterte leise und

       atmete schwer und tief.

       »Elf, lieber Elf,« flüsterte sie, »was geschieht mir? Ich bin so glücklich.«

       Der Elf nickte ihr mit glänzenden Augen zu.

       »Der Frühling,« antwortete er, »der Frühling! Er durchdringt dein Wesen durch und durch. Halt still,

       Liebe.«

       Die Düfte, die der Waldwind heranschaukelte, wechselten ohne Aufhören, und dem Elfen war, als

       trüge ihn die eine Sehnsucht unvermerkt in das Wunderreich der anderen. Eine selige Welt

       vertauscht sich gegen die andere, dachte er, ich schließe meine Augen und bevölkere sie aus meinem

       Herzen.

       Dieser Wechsel verzauberte sein Gemüt immer wieder aufs neue, und er träumte fort in Farben,

       Licht und Düften, unter den Liedern der Vögel. Wenn der Wind den Geruch der wilden Rosen aus

       dem Gesträuch zu mir trägt, und ich lausche dem Gesang des Rotkehlchens, dachte er, so ist das Herz

       auf ganz andere Art im Lieblichen geborgen, als wenn ich den kühlen Hauch des Flieders spüre und

       höre die Amsel flöten. »Trag mich von Freude zu Freude, du warmer Frühling,« sagte er, »aber

       behüte mein Herz, damit es nicht vor Glück zerspringt.«

       Das Summen der Insekten über den Blumen klang hinter den lichtroten Vorhängen seiner

       geschlossenen Augenlider wie fernes Orgelbrausen, in das aus noch größerer Ferne das Meer zu

       rauschen schien. Es vermischte sich mit dem Flüstern der Blätter, den kaum vernehmbaren Stimmen

       der Gräser und dem Läuten der Blumen, das so fein erklingt, daß ein menschliches Ohr es nur nach

       langem, tiefem Warten erlauschen lernt.

       Die Güte und der Reichtum der Natur überwältigten das Elfenkind. »Seid gesegnet, meine Sinne,«

       rief es, »meine Augen, mein Gehör und du mein Herz, du Quelle und Pfand meines irdischen Wohls.

       In den Augen wohnt der rasche Blick, der zu entflammen und froh zu ruhen vermag, der das Licht bis

       tief in die Kammern des Herzens führt. Ich fühle die Berührung des Lebens mit allen Gliedern, wie das

       Wasser den Windhauch spürt, der seine Oberfläche bewegt, jeder Sinn hat sein seliges Amt, aber du

       hast das herrlichste, mein Herz, in dir wohnt das Heimweh.«

       ***

       Die Fülle nahm nun von Tag zu Tag zu, das Blühen wollte kein Ende finden, immer wieder kamen

       neue Tiere auf der Waldwiese an, verweilten für kurz oder lange oder blieben auch für immer. Eines

       Morgens fand sich ein Wildtaubenpaar ein, man hatte sie schon von weitem lachen und plaudern

       hören, die zwei, sie machten einen sehr glücklichen Eindruck. Die Linde, überhaupt der ganze Platz

       schien ihnen ausnehmend zu gefallen, sie flogen innen im Baum von Ast zu Ast, untersuchten die

       alten, dürren Stümpfe der abgebrochenen Zweige und prüften jedes Baumloch im Stamm. Als sie

       aber merkten, daß eine Eule im Baum wohnte, wurden sie nachdenklich.

       »Schon wegen des Bachs, wegen der Nähe des Wassers hätte ich hier gern gewohnt,« meinte die

       junge Frau betrübt, »man hat es so bequem morgens mit dem Bad, und dann auch an der einen Seite

       die Weite der Felder, an der anderen den dichten Wald; der Ort hat viel für sich. Sieh unten das Moos

       im Sonnenlicht!«

       »Ich lebe nicht mit einer Eule zusammen,« antwortete ihr Mann, »aus solcher Nachbarschaft

       entsteht nichts Gutes. Ich habe nichts gegen die Eulen, ich verfolge sie nicht, aber sie sind mir

       unheimlich.«

       Und sie flogen mit lautem Flügelschlagen, das man noch lange in der Waldstille hörte, über die

       Bäume hin, davon.

       In der Frühe sah man bisweilen den Bussard zwischen den Stämmen jagen. Er flog lautlos und

      

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