Schiffselektriker – Werft, Schiffe, Seeleute, Funkbuden – Jahrgang 1936. Conrad H. von Sengbusch
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Zu Zeiten mit weniger Arbeitsanfall wurden wir auch mal tage- oder wochenweise „verborgt“. So kam ich dann eines Tages zur DEBEG (Deutsche Betriebs-Gesellschaft für drahtlose Telegrafie), die ja vorher keine Lehrstelle für mich hatte. Auf dem FD (Fischdampfer) „Österreich“ mussten Kabel für die Stromversorgung der FT(Funk-Telegrafie)-Anlage neu verlegt werden. Arbeiten auf Fischdampfern waren nicht sonderlich beliebt, besonders dann, wenn Reparaturen im Laderaum anstanden. Obwohl die Räume nach dem Löschen mit Heißdampf gewaschen wurden, haftete noch eine glibberige, streng nach Fisch riechende Masse an den hölzernen Verschalungen, und hierauf wurden dann in Rohren die Kabel zum Vorschiff verlegt. Der Fischgeruch haftete penetrant in den Haaren, auf der Haut, in der Kleidung und selbst an den Schuhsohlen. Da konnte man sich abends dreimal die Hände mit unserem aggressiven Reinigungsmittel „P 3“, dass bei kleinen Riss- und Schürfwunden so gemein brannte, die Hände waschen, der Geruch blieb und verfolgte uns auch noch nach Feierabend.
Die Zuarbeit zur DEBEG war sehr angenehm. Ich arbeitete an der Funkanlage, kam natürlich in die Funkbuden und mit den Funkern ins Gespräch und war meinem Hobby sehr nahe. Das Morsen hatte ich noch in der Schulzeit beim schon erwähnten Ernst Reinartz, einem alten Marinefunker, gelernt. Als Gegenleistung half ich ihm in den Ferien aus, in denen wir natürlich nicht verreisten, wovon auch? Aber wir lebten ja in einem Kurort und konnten an allen Veranstaltungen für die Kurgäste teilhaben. Ernst Reinartz hatte immer Aufgaben für mich: Ich reparierte für ihn Fahrräder, während er sich mit der Reparatur von Nähmaschinen und Radiogeräten befasste. Auch ein kleines Taschengeld bekam ich von ihm, nämlich ganze zwei (!) Mark pro Woche! Schließlich kam er auf den Gedanken, dass ich auch die Außenstände, natürlich nur bei den besonders harten säumigen Zahlern, für ihn eintreiben könnte. Seine damals nicht gerade vermögende Kundschaft wohnte in einer gefürchteten Ecke unserer Stadt, die damals als „Klein Moskau“ verschrien war. Eigentlich war es nur ein tristes, langes, grau verputztes Wohngebäude, eher eine Mietskaserne. In diesem Haus fristeten unglückliche Existenzen und Familien mit vielen Kindern ein freudloses Dasein. Als ich dann in dieser Umgebung bei einer resoluten, rothaarigen Dame die ausstehenden 12,50 Mark einforderte, zeigte sie sich sehr freundlich und bezahlte, merkte sie vielleicht auch, dass R. mich vorgeschickt hatte. Ich bekam das Geld problemlos, quittierte den Erhalt und lieferte es bei dem Oldie ab. Schlitzohrig erzählt er so nebenbei, dass die Kundin gerade aus dem Gefängnis entlassen worden sei. Sie hatte ihrem Mann im Streit Pfeffer in die Augen geblasen... Fortan sagte ich Ernst R., würde ich lieber auf solche Botengänge verzichten...
Doch wieder zurück an Bord: Mit den Funkern hatte ich immer ein gutes Verhältnis. Das waren in der Mehrzahl sensible, hagere Typen. Meistens waren sie über alle Maßen nervös und oft nach fünfzehn Jahren Dienst „am Ende“. Sie rauchten viel. Einige waren in ihrer Freizeit auch Funkamateure wie ich. Auf den isländischen Fischdampfern war es sogar üblich, dass auch Frauen an Bord mitfahren durften, sei es als Stewardessen, manchmal auch nur als Ehefrauen der Besatzungsmitglieder, später auch als Funkerinnen. Auf deutschen Schiffen wurde das erst später geduldet. Frauen an Bord brächten Unglück, war die Meinung der abergläubischen Seefahrer. Die Funker an Bord waren in einzelnen Fällen auch gleichzeitig „storekeeper“ und „purser“. Sie versorgten das Schiff auf Anforderung mit Proviant und verwalteten das Freilager (Alkohol, Zigaretten, Tabak, etc.). Auch waren sie die „Bank“ an Bord und versorgten die Mannschaft gegen einen „Ziehschein“ (Quittung für die Belastung des Heuerkontos) in den Häfen mit Devisen. Sympathien sind eine gute Sache, und Funkamateure waren damals noch handverlesen. Da kam es schon mal vor, dass für mich eine angebrochene Schachtel „Chesterfield“-, „Philipp Morris“-, „Camel“- oder „Senior Service“-Zigaretten abfiel. Die Gesellen durften das nicht mitbekommen. Das klappte leider nicht immer, denn kaum hatten wir den Zoll passiert, der gleich fragte, wie viele Zigaretten wir dabei hätten, meldeten sie sich schon bei mir und sagten, wir dürften eh nicht rauchen. Da nutzte es auch nichts, dass ich sagte, mein Vater sei Raucher und würde sich auch freuen. Mit dem Zoll musste man umgehen können, gab es da doch feste Regeln zu beachten, aber das lernte man in den 3 ½ Jahren.
Unter allen Funkern, denen ich begegnete, war auch ein Genie. Der Mann fuhr auf der „MEERKATZE“.
Das war ein früherer Marinetender, der nach dem Krieg zum Fischereischutzboot umgebaut worden war. Er hatte auf See stets zwei Empfänger in Betrieb und benutzte einen Kopfhörer, bei denen er jeweils eine Muschel an einen Empfänger angeschlossen hatte. So verfolgte er mit einem Ohr den Bord-zu-Bord-Sprechfunkverkehr und mit dem anderen die verschlüsselten gemorsten Wettermeldungen. Diese entschlüsselte er im Kopf und tippte sie im Klartext in die Schreibmaschine. Das wäre heute reif für eine Eintragung ins Guinness-Buch der Rekorde. Eine Meisterleistung der Konzentration und grenzend an Bewusstseinsspaltung.
Schade war nur, dass der Meister nichts von meiner Passion für die Funkerei wissen durfte. Da verstand er keinen Spaß, war er doch der felsenfesten Meinung, dass die Lehre des Elektrohandwerks das Interesse für die Funktechnik ausschließen müsse.
Nach diesem Job gab es wieder Einsätze auf Lotsenversetzdampfern, wo wir z. B. die Kühlanlage auf der SIMON VON UTRECHT reparierten und auf einem inzwischen fertiggestellten 999-BRT-Neubau unserer Werft. Es war ein Kühlschiff. Die Konstruktion der „CARIBIA“ war nicht ganz frei von Problemen.
„CARIBIA“
Ich kann mir zwar kein Urteil darüber erlauben, und so will ich mal vermuten, dass das Schiff leichte Stabilitätsprobleme hatte. Ich erinnere mich, dass wir für Restarbeiten vor der Ablieferung und im Maschinenraum waren. Die Schiffsführung war gerade bei den Krängungsversuchen. Dabei wurden Betonquader mit dem eigenen Ladegeschirr von der Pier aufgenommen und der auftretende Krängungswinkel gemessen. Bei 45° ist der kritischste Punkt erreicht, denn dann kentert das Schiff. Bei den Versuchen wurden wohl 20°-30° erreicht. Auf alle Fälle verließen wir alle den Maschinenraum über die schon bedenklich schräg stehende Stahltreppe.
Zu den Restarbeiten gehörte auch das Verkitten der Stopfbuchsen der E-Armaturen. Bei +27 °C Außentemperatur stiegen wir durch eine Schleuse hinab zum Betriebsgang im Laderaum. An Backbord und Steuerbord abgeschottet lagen die Kühlboxen. Trotz der dickwandigen Isolation herrschten hier Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt. Wir kneteten verbissen den „GURU“-Kitt, den wir zum Abdichten der Stopfbuchsen benötigten, der aber bei diesen Temperaturen und dem Einsatz der Körperwärme nicht weich werden wollte. Im harten Zustand ließ er sich aber nicht verarbeiten. Mit feinfühliger Unterstützung durch die Flamme der Lötlampe war es dann doch noch zu schaffen. Erfahrung ist alles.
Das Schiff machte seinen Konstrukteuren noch weitere Sorgen: Bei der Abnahme durch den ‚Germanischen Lloyd’ stellten die Experten u. a. fest, dass die Kühlanlage so optimal funktionierte, dass das Wasser in den Peilrohren fror. Aber auch dieses Problem wurde gelöst, indem elektrische Heizelemente, so genannte „Bakerrohre“ in die Peilrohre eingebaut wurden. Ob das die optimalste Lösung war, ist nicht überliefert. Aber unser Meister, ein allseitig geschätzter Fachmann, hatte letztlich auch dieses Problem gelöst.