Schiffselektriker – Werft, Schiffe, Seeleute, Funkbuden – Jahrgang 1936. Conrad H. von Sengbusch
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Auch die schweren 180-Ah-Bleiakkumulatoren hatten wir zu warten. Sie wurden für die Notbeleuchtung, FT-Anlagen usw. benötigt. Wir wuchteten sie aus den Maschinenräumen der Kutter, Küstenmotorschiffe und Dampfer, balancierten sie von Reling zu Reling, dann mit mehreren Leuten hinauf zum Kai und schließlich in den „Akkuraum“. Wenn wir Glück hatten, dann waren die schwarzen Hartgummi-Batteriegehäuse heil und hatten keine Risse. Es kam aber auch vor, dass solche Batterien Säure verloren und tropften. Dann waren garantiert am nächsten Tag wieder ein paar Löcher in den Drillichstoff des Overalls gefressen, und Mutter bereitete schon die nächsten Flicken vor. Im Akkuraum folgte dann wieder die gleiche Prozedur: In der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde mit allen Mitteln versucht, Akkumulatoren solange wie möglich zu erhalten. Da wurden dann auch noch neue Platten und Separatoren (isolierte Trennwände zwischen den Platten) eingesetzt und alles wieder mit Asphalt vergossen. Diese Arbeit blieb uns erspart, auch mit dem giftigen Kleesalz wurde nicht mehr gearbeitet, das die Akkumulatoren noch etwas auffrischen sollte. Wir beschränkten uns damals auf das Auswaschen der Batterien, wobei der Schlamm, der sich am Boden absetzt und die Zellen kurzschließt, entfernt wurde. Nach heutigen Maßstäben würden solche Akkumulatoren gleich ausgemustert werden, damals wurden die Zellen aber mit Destillat ausgewaschen, gleich darauf neu gefüllt und in einem langen Ladevorgang nochmals aufgefrischt. Die Sammler erfüllten dann noch für ein paar Reisen ihren Zweck. Nach dem Laden und der Überprüfung der Kapazität mit dem „Zellenprüfer“ ging die ganze Tour wieder zurück an Bord.
Wo sich etwas dreht oder bewegt, da gibt es Verschleiß, und so hatten wir viel mit Generatoren und Motoren jeglicher Größe zu tun. Der Ein- und Ausbau dieser Aggregate war Knochenarbeit. Besonders in den engen Maschinenräumen der Fischkutter mussten wir sehr einfallsreich sein: Mit seemännischer Finesse, Hubzügen, Blöcken und der Hilfe von stehendem und laufendem Gut, wurden die schweren Elektromaschinen durch enge Niedergänge an Bord gehievt, um dann mit der zweirädrigen „Schott´schen Karre“ über holperiges Kopfsteinpflaster zur Werkstatt gebracht zu werden. Der Umgang mit dieser kippeligen Karre wollte gelernt sein, und man musste höllisch aufpassen, dass einem die E-Maschine nicht von der Ladefläche rutschte.
In der Werkstatt begannen wir mit dem Zerlegen der Maschinen. Mit dem Körner wurden die Positionen der Lagerschalen und der Bürstenbrille markiert. Dann wurden die Elektromaschinen in ihre Einzelteile, wie Anker, Lagerschalen, Lager, etc. zerlegt. Die Einzelteile kamen dann in große Blechwannen. Die verdreckten Wicklungen und Lager wuschen wir mit Testbenzin und trockneten danach mit Pressluft. Wir lernten dabei, wie Kugellager geprüft werden, indem wir den inneren Ring zwischen Daumen und Zeigefinger nahmen und sorgfältig beim Durchdrehen fühlten, ob vielleicht eine Kugel gebrochen war oder ob z.B. ein Sandkorn den Lauf beeinträchtigte. Weiter durfte zwischen Außen- und Innenring kein Spiel vorhanden sein. Man konnte das Drehverhalten der Lager auch kurzzeitig mit Pressluft prüfen. Damit war die Prüfung beendet. Defekte Lager wurden ersetzt, da die Überholung der E-Maschinen zeitaufwendig war. Da wurde nicht gespart. Die Stator- und Rotorwicklungen bekamen einen neuen doppelten Isolierlack-Anstrich. Bei gleicher Gelegenheit wurden auch die Kohlen erneuert. Zwischendurch war Hans M. aktiv geworden und drehte den Kollektor ab, um die durch die Kohlen eingelaufenen Rillen zu entfernen. Die einzelnen Lamellen des Kollektors waren mit MIKANIT gegeneinander isoliert. Unsere Aufgabe war es nun, diese Zwischenstege von etwa 0,50 bis 1,00 mm Breite „auszustechen“. Dafür gab es ein spezielles Sägeblatt. Wehe dem Unglücksraben, der dabei ausrutschte und die frisch überdrehten Lamellen verkratzte!
Nach diesen Vorarbeiten wurde wieder zusammengebaut. Wälz- und Kugellager wurden zu ¾ mit dem Spezialfett „SHELL FL 4“ gefüllt, bei zu reichlicher Fettgabe wären die Lager sonst heißgelaufen. Nach dem Zusammenbau wurden die Gehäuse gespachtelt und feingeschliffen und zum Schluss mit grauer Marinefarbe gestrichen. Der Beruf des Schiffselektrikers, damals als „Starkstromelektriker“ bezeichnet, war sehr vielseitig. Ein wesentlicher Teil des täglichen Arbeitspensums war reine Schlosserarbeit.
Montags gingen wir zur Berufsschule. Im ersten Lehrjahr waren wir noch zusammen mit Lehrlingen verschiedenster Metall verarbeitender und Elektroberufe. In unserer Klasse waren Wagner, Karosseriebauer, Schiffbauer, Elektriker, Radiomechaniker und andere Gewerbe, um die Grundlagen der Metallberufe zu erlernen. Der Unterricht dauerte 7 Stunden. Verpflegung gab es in der Schule nicht. Für die restlichen 1 ½ Stunden mussten wir wieder zurück zur Werft, um dort weiter zu arbeiten. Täglich wurde die Werkstatt von den Lehrlingen des ersten Jahres aufgeräumt und das eine halbe Stunde vor Feierabend! Natürlich liebten wir diese Arbeit nicht, hatten aber keine andere Wahl. Sie wissen doch noch: Renitentes (aufsässiges) Verhalten galt als „Meuterei“, wurde wie ein Verbrechen geahndet und führte, wie Diebstahl, zum Rausschmiss. Unsere Werkstatt war uralt. Die Werkbänke waren aus dicken, schwarzen Eichenbohlen grob gezimmert, und Eichenbohlen, nur mit breiteren Fugen, bildeten auch den in Jahrzehnten ausgetretenen Bodenbelag. Wehe, wenn am Abend nicht alles sauber gefegt war! Der Meister kontrollierte selbst, nachdem einer von uns die „Fertigmeldung“ abgegeben hatte. Fand er noch irgendeinen übersehenen Kabelrest, dann reagierte er allergisch und beschwerte sich beim „Budenviz“: Der griff sich dann die „Muskiste“, die mit Tausenden von unsortierten Muttern, Schrauben, Unterlegscheiben und sonstigen Kleinteilen aus Reparaturen oder ausgeschlachtetem Gerät gefüllt war und schüttete sie auf dem Boden aus. Was half es, die Gesellen feixten schadenfroh und gingen, wie auch der Meister, pünktlich nach Hause. Wir sollten dann bis 19.00 Uhr bleiben (Feierabend war um 16.00 Uhr), um den ganzen Segen nach Art und Größe zu sortieren. Klar, dass wir, sobald der Meister außer Sicht war, händeweise einen Teil des Schraubenschrotts in den Taschen verschwinden ließen, um ihn auf dem Heimweg im nächsten Gully zu versenken. Das durfte natürlich nicht auffallen, und so achteten wir fortan darauf, dass diese Kiste nie zu voll wurde...
Aus dem Schlepperprogramm der Mützelfeldtwerft: Hier der Schlepper „FARGE“ der Unterweser-Reederei-AG., Bremen, 1950er Jahre
Täglich machten wir nun Fortschritte in der Ausbildung. Wir erlernten das Aufsetzen von Kabelschuhen auf Schweißkabel, Arbeiten an Umformern und Schalttafeln und die vielen kleinen Tricks, die die Erfahrung im erlernten Beruf ausmachen.
Welch tückisches Material war doch der Marmor, der damals noch für Schalttafeln verwendet wurde. Äußerlich wurde er in glatt polierten Platten geliefert, in ihm gab es aber harte und weiche Zonen. Man musste die Tafeln mit sehr viel Liebe und Verständnis behandeln, damit die Löcher, die wir für die Sicherungselemente und Schalter bohrten, auch wirklich senkrecht verliefen und nicht nachgefeilt werden mussten.
Die 1950er-Jahre waren im Schiffbau eine sehr interessante Zeit. Wir Deutschen durften auf Beschluss der Siegermächte ja nur Schiffe unter 1.000 BRT bauen. So lebten die Werften dann von den Reparaturen der überalterten Handelsschifftonnage, Staatsaufträgen, kleinen Neubauten und von der Überholung von Beuteschiffen der Engländer aus ehemaligem Kriegsmarinebestand sowie dem Beutegut, das die Engländer zur Verschrottung freigegeben hatten. Unsere Mützelfeldtwerft hatte sich auf kleine Hafenschlepper-Neubauten,