Schiffselektriker – Werft, Schiffe, Seeleute, Funkbuden – Jahrgang 1936. Conrad H. von Sengbusch
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„Im Leben dreht sich alles ums Verborgene!“
„Man kann einem Menschen nur so weit trauen, wie man ihn kontrollieren kann!“
Im Russischen ist letzterer Spruch nicht ganz unbekannt und heißt dann:
„Mit dem Bären halte Freundschaft, doch halte auch stets die Axt bereit!“
Im Umgang mit anderen Kollegen war Hans M. zurückhaltend. Durch seine kauzige und eigenbrötlerische Art kam man auch nur schwer an ihn heran. Hatte man aber erst mal sein Vertrauen, dann war er auch Lehrlingen gegenüber durchaus zugänglich. Mein Verhältnis zu ihm war von Anfang an gut, weil ich aus dem Baltikum stamme. Meine Heimatstadt Riga kannte er aus der Zeit vor dem Krieg und war auch während des Krieges dort stationiert. Für ihn fing Deutschland ohnehin erst in Ostpreußen an, und es zählten für ihn nur Deutsche, die dort oder noch östlicher geboren wurden. Allen anderen Landsleuten gegenüber verhielt er sich reserviert und hatte eine besondere Abneigung gegen Schlesier, Sachsen, Saarländer und Dänen. Letztere hatten ihn in Kopenhagen bespuckt, als er sich in geordneter Marschkolonne nach Deutschland absetzte. Dabei benutzte er Dänemark nur als Durchgangsland und war vorher nie dort gewesen. So behandelte man Hans nur einmal, und er wusste immer zu verhindern, auf einem dänischen Havaristen eingesetzt zu werden.
Am liebsten arbeitete Hans M. als Solist, denn er konnte sich anderen nicht unterordnen. Was er liebte und was man an ihm schätzte, das war eine grundsolide und saubere Handwerksarbeit. Pfusch hatte unter seinen prüfenden Blicken keinen Bestand. Da konnte er fuchsteufelswild werden und den unglücklichen Lehrling bis in alle Ewigkeit verstoßen.
Fast wäre ich an diesem ersten Arbeitstag doch noch über einen Fallstrick gestolpert, aber das „Ambossfett“, das ich aus dem Magazin holen sollte, kam mir doch etwas spanisch vor.
Die ersten Wochen im Praktikantendasein fingen gleich hart an. Geschenkt wurde mir nichts. Ich war der einzige Praktikant. Aber hart arbeiten, und keinen Pfennig zu verdienen, ist das heute noch vorstellbar? Die Lehrlinge der 20er-Jahre hatten es noch schlechter, wurde ich aufgeklärt, da mussten die Eltern noch wöchentlich vier Mark an den Lehrherrn zuzahlen. Andernfalls hätte der Meister den Lehrling gar nicht erst genommen!
Meine ersten Erfahrungen waren, dass der Verschleiß an Berufskleidung auf der Werft doch beträchtlich war. Mein einziger Overall war schnell von den Spritzern der Batteriesäure durchlöchert und die Kreppsohlen der ausgedienten „Samba“-Schuhe, die ich 1950 in Berlin erhielt, durch das Gasöl auf den Flurplatten so aufgeweicht, dass sie zu pfannkuchenartigen Fladen wurden. Unter diesen Umständen waren meine Eltern froh, dass ich nach einem halben Jahr der Bewährung von der Werft großzügig als Lehrling übernommen wurde. Fortan erhielt ich 35 Mark im Monat.
„Lehrjahre sind keine Herrenjahre“, 1. Lehrjahr, 1953/1954
Arbeitsmäßig ging es so an: Wir begannen mit einfachen handwerklichen Tätigkeiten. So waren „Sonnenbrenner“ zu reparieren. Das sind die großen, transportablen, schwarzen Emailleschirmlampen, die auf der Innenseite einen weißen Reflektor haben. Sie wurden mit 300- oder 500-Watt-Glühlampen bestückt und überall auf der Werft eingesetzt, wo es etwas zu beleuchten gab. Zum Reparaturgut gehörten auch Verteiler, Kraftkabel (Drehstromkabel), Verlängerungskabel, Schweißkabel, Kabellampen, Bohrmaschinen und die Unterstützung des Betriebselektrikers bei der Installation und dem Auswechseln von Leuchtstoffröhren. Auf der Werft herrschte ein ungemein rauer Betrieb, und entsprechend viele Reparaturen fielen an. Ein oder zwei Mann in unserer E-Werkstatt waren ständig mit solchen Arbeiten ausgelastet.
Mit den Gesellen gingen wir auch schon mal an Bord der Havaristen. Die stets wechselnde Umgebung, der Umgang mit Seeleuten aus aller Welt und die oft nicht dokumentierte Technik, die dennoch unter Zeitdruck repariert werden musste, waren für mich bunt und aufregend. Gefragt war hier eine Kombination aus Fachwissen, Einsatzfreude und zeitweise auch Englisch. Mit einem erfahrenen Gesellen war das auch zu schaffen.
Natürlich bekamen wir Lehrlinge im ersten Jahr nicht immer die sauberste Arbeit zugewiesen. Unbeliebt war z.B. die Gewinnung von Bindedraht. Dieser wurde benötigt, um bei den Marinekabeln, wie wir sie verlegten, einen galvanisch gut leitenden Übergang zwischen dem äußeren Stahlgeflecht und dem innen liegenden Bleimantel zu bekommen. Dazu wurden mehrere Windungen des verzinnten Bindedrahtes, ausgehend vom Bleimantel und übergehend auf das Stahlgeflecht, aufgebracht und mittels einer TINOL- oder Lötlampe und Zinn verlötet. Anfang und Ende des Bindedrahtes wurden trickreich verdrillt und dann mit den Stopfbuchsenverschraubungen mittels kleiner Gewindeschrauben verbunden.
Den Bindedraht gewannen wir aus den verseilten Adern von altem, ausgeschlachteten Marinekabel. Die mageren Jahre der Vorwährungszeit lagen erst fünf Jahre zurück, und die Leute waren es noch gewohnt, zu improvisieren und mit einem Minimum an Material auszukommen. Ein Kabelrest wurde zwischen zwei Schraubstöcken eingespannt und mit dem Kabelreißer das Stahlgeflecht auf der ganzen Länge, meistens Enden von zwei oder drei Metern Länge, aufgerissen. Dann wurde der Bleimantel mit dem Kabelmesser eingeritzt, abgezogen und schließlich die Isolation entfernt. Lag dann die verseilte Kabelseele frei, dann ließen sich einzelne Drähte über die ganze Länge abstreifen. Diese Drähte wurden anschließend einseitig in den Schraubstock gespannt und leicht in der ganzen Länge gestreckt, so dass sie gerade wurden. Zum Schluss wurden die Drähte zu kleinen Vorratsringen von etwa 10 cm Durchmesser aufgeschossen und dem „Budenviz“, damals Ernst K., für sein Handlager übergeben. Der „Budenviz“ war ein Geselle, der ständig in der Werkstatt war, der das Handlager führte und Material für die Reparaturen auslieferte, der aber auch der Verbindungsmann zum Meister war und die Lehrlinge betreute, wenn sie in der Werkstatt eingesetzt wurden. Bleibt an dieser Stelle noch zu erwähnen, dass es für die Arbeit an den Kabeln, die mit vielen „Fleischhaken“ am teilweise beschädigten Stahlgewebe übersät waren, natürlich keine Lederhandschuhe gab!
Nicht gerade beliebt war auch das Auswaschen und Füllen der großen NiFe-(Nickel-Eisen)-Sammler, auch als Stahl-Akkumulatoren bezeichnet, die als Notstromversorgung auf den Schiffen eingebaut waren. Das „Auswaschen“ musste sehr überlegt geschehen und wurde nur angewandt, wo es unumgänglich war, weil sich dabei die Platten voll Wasser sogen. Füllte man dann neue Lauge ein, wozu wir einen Gummieimer und einen Krug aus dem gleichen Material benutzten, dann konnte es sein, dass die Laugendichte nicht mehr stimmte. Günstiger war es in jedem Fall, gleich wieder mit Lauge aufzufüllen. Dann war die geforderte Dichte von mindestens 1.18 (min. 1,16, max. 1,20) auch zu erreichen, und man ersparte sich das erneute Ausgießen der verdünnten Lauge und das Wiederauffüllen mit konzentrierter. Durch die Ladung erhöht sich nämlich kaum die Konzentration. Das sind Erfahrungen, die man selbst gemacht haben muss.
Bei diesen Stahl-Akkumulatoren wurde also nicht einfach erneuert, sondern gepflegt und erhalten, solange es nur irgendwie ging. Die alte Kalilauge