Schiffselektriker – Werft, Schiffe, Seeleute, Funkbuden – Jahrgang 1936. Conrad H. von Sengbusch

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Schiffselektriker – Werft, Schiffe, Seeleute, Funkbuden – Jahrgang 1936 - Conrad H. von Sengbusch

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dass da wohl irgendjemand die Maße verwechselt haben musste, jedenfalls waren die Hosen so kurz abgeschnitten worden, dass sie mehr einer Knickerbockerhose ähnelten, die damals schon unmodern war. Es half nichts, auf Reservekleidung konnte ich nicht zurückgreifen. Also, im Geschwindschritt und im Glauben, noch rechtzeitig anzukommen, die Ernst-Thälmann-Allee hochgehechtet, die Schopperstraße herunter bis zum Markt und dann hoch zur evangelisch-lutherischen Dreieinigkeits-Kirche. Mein Vater hatte mir seine goldene Armbanduhr geschenkt, mir aber nicht gesagt, dass diese Uhr niemals genau gegangen war. Also erreichte ich die Kirche, als die Konfirmanden schon in einem langen Zug in Zweierreihen vom Pfarrhaus kommend über die Straße zur Kirche gingen und konnte mich gerade noch als Letzter einreihen. Meine beiden Großmütter waren bereits in der Kirche, so dass ich doch nicht so ganz alleine diesen wichtigen Schritt erleben musste. Zur Erinnerung an diesen denkwürdigen Tag am 2. April 1950 bekam ich meinen Spruch mit auf den Lebensweg: „Wachet, stehet im Glauben, seid männlich und seid stark“, wie es im 1. Brief an die Korinther, 16, 13, steht.

      Zuhause angekommen war dann alles sehr festlich angerichtet. Meine Großmutter mütterlicherseits bewohnte eine stattliche Villa, in der wir damals nach der Flucht aus Westpreußen untergekommen waren. Im Hause wohnte auch noch die Familie des Prokuristen, der in der Brauerei meines Großvaters, Paul Eckardt, der leider schon 1940 verstarb, arbeitete.

      Das Familienunternehmen W. & P. Eckardt bestand als Treuhandbetrieb noch Anfang der 1970er Jahre, bis es dann 1972 endgültig erlosch.

      Die Familie war alteingesessen, was für mich eine ungeahnte Flut von Geschenken bedeutete, ein „warmer Regen“, den ich gerne annahm, der aber auch seine Tücken hatte. Fein wurde da differenziert zwischen Glückwunschkarten, die ebenso mit Dankeskarten handschriftlich beantwortet wurden und Karten mit Geschenk-Gebinden, wo man die Absender persönlich aufsuchen und sich bedanken musste. Das waren eingefahrene Rituale und niemand in der Geschäftswelt wagte, daran zu rütteln.

      Mein „Kleiderschrank“ sah damals erbärmlich aus und bekam durch die Konfirmationsgeschenke eine neue Ausstattung: Vorher trug ich die abgelegten getragenen Sachen meiner Vettern am Ort, die schon mit den abziehenden Amerikanern in den Westen gegangen waren. So sah meine Garderobe damals aus: Grauer, dünner Hemdenstoff wurde aus gummierten Gasplanen gewonnen, die im Wasser längere Zeit gekocht wurden, bis man dann die Gummierung vom Stoffträgermaterial abziehen konnte. Zu Ende des Krieges wurden diese Planen aber auch schon aus imprägniertem starken Packpapier gefertigt, das sich nur als Verpackungsmaterial eignete. Im Sommer trug ich eine selbst genähte Windjacke aus Tarnzeltplanenstoff, der ballenweise eine Zeit lang angeboten wurde. Die Knöpfe zur Jacke holte ich in einem kleinen Kurzwarengeschäft im vier Kilometer entfernten Triebes. Dort waren die braunen Bakelitknöpfe oder Blechknöpfe, wie sie einst für die Zeltbahnen gebraucht wurden, noch zu bekommen, wie es sich schnell herumsprach. Dann hatte ich noch eine abgelegte, speckige und im Bereich der unteren Hosenklappe recht morsche Lederhose, einen verblichenen maigrünen BLEYLE-Strickanzug mit kurzer Hose und etlichen geflickten Mottenlöchern, einen Regenmantel von der Gummiwarenfabrik KLEEBERG & MEYER am Ort, ein Luftwaffenkoppel, das ich mir in der Schule gegen ein Reklame-Taschenmesser aus dem Schreibtisch meines Großvaters eingetauscht hatte und als Unterwäsche luftige Netzunterhemden und ebensolche Hosen, die meine Mutter aus Spinnstoffresten, die sie erworben hatte, angefertigt hatte. Das Netzmaterial war dunkelgrün und ursprünglich für den Afrika-Einsatz des Militärs als Moskitonetz gedacht gewesen.

      Im Sommer trugen wir „Klappern“, also Sandalen mit Gelenk und Holzsohlen und Halbschuhe aus „Igelit“. Das waren aus einem Stück gegossene Schuhe. Ohne Strümpfe hatte man in diesen Schuhen im Sommer immer nasse, übelriechende Füße... Im Herbst und im Winter trug ich eine verschossene, ererbte, pluderige Trainingshose, einen grauen Mantel aus einer billigen Militärwolldecke, vielfarbige Pullover mit Phantasiemustern, für die meine Mutter das Garn aus aufgerebbelten alten Wollsachen gewonnen hatte. Wenn es im Winter sehr kalt war, trug ich grüne „Schießhandschuhe“ mit Kaninchenfellfütterung, die gewöhnungsbedürftig waren, weil der Zeigefinger abgespreizt in einem „Fingerhandschuh“ steckte und die restlichen Finger nebst Daumen zu einem Fausthandschuh gehörten. Die Kopfbedeckung im Winter waren gestrickte graue Stirnbänder von der ehemaligen Wehrmacht, und wenn es sehr kalt wurde, auch kaninchenpelzgefütterte Pelzmützen des Militärs, die den russischen Kopfbedeckungen nachempfunden waren. Das Material außen war aber feldgrauer Uniformstoff. Unser Winterschuhwerk waren Stiefel mit Holzsohle und einem Obermaterial aus Leder. Bei Pappschnee bildeten sich leicht Eisklumpen unter den Schuhen, die dann festklebten und die Fortbewegung erschwerten. Wir nagelten uns die fünfeckigen „Soldatennägel“ darunter, um schneller voranzukommen. Unvorstellbar, wie bescheiden wir damals noch waren, aber den meisten anderen ging es ebenso, und so fielen wir gar nicht auf. Der Konfirmationsanzug war jedenfalls unsere erste, anständige Kleidung und wurde natürlich auch noch für die Prüfungen und die spätere Abschlussfeier der Schule gebraucht.

       Schulabschlussprüfungen, 1950

      Die Prüfung zum Ende der Einheitsschule wurde mit viel Aufwand organisiert, eine Übung, die im sozialistischen Vaterland zur damaligen Zeit im Jahre 1950 perfekt beherrscht wurde. Sie dauerte vom 29.6.1950 bis 14.7.1950 und erfasste alle Fächer. Zum Ritual gehörte als Mittelpunkt die allzeit präsente Prüfungskommission, zusammengesetzt aus einem Vertreter des Staates, einigen jüngeren Neulehrern und noch ein paar älteren Kollegen des Lehrkörpers oder soll ich sagen „Lehrkaders“? Alle Herren hatten sich der Würde des Tages entsprechend gekleidet und Orden und Ehrenzeichen angelegt. Einige „harte Marschierer“ hatten auch schon das Parteiabzeichen der SED am Revers. Die Herren hatten es sich am Kopfende des Klassenzimmers bequem gemacht und saßen mitten in einem Arrangement von transportablen Buchsbäumen und wirkungsvoll platzierten Fahnen der Stadt und der Republik. Natürlich wurde das Ereignis auch mit einem Beitrag der großen Sowjetunion gewürdigt: Das blutrote Transparent, das sonst das Portal unserer Schule schmückte, wurde in den Raumschmuck mit einbezogen und verkündete in großen, weißen Lettern: „LERNEN, LERNEN UND NOCHMALS LERNEN“, ein Ausspruch von Lenin, wie in kleiner Schrift darunter stand... Nun, denn!

      Selbst unser Klassenlehrer hatte sich fein gemacht: Eigentlich kannten wir ihn jahraus, jahrein, nur in seiner taubenblaugrauen, entmilitarisierten Fliegeroffiziersuniform. Dazu gehörten die scharfen Breecheshosen und im Sommer Halbschuhe, im Herbst die Langschäfter aus feinem, weichen Leder und im Winter die, wie er uns erzählte, einst beheizbaren Fellstiefel. Das zackige Auftreten war geblieben, da hatte er in der Bewältigung der Vergangenheit wohl noch etwas Nachholbedarf. Zur Prüfung erschien er dann in ungewohnter ziviler Kleidung im damals hellgrauen Nadelstreifenanzug aus Zellwolle. Wer jemals diese Kreationen getragen hat, das einzige Tuch, das es damals auf Bezugschein gab, wird sich erinnern, dass das gute Stück nicht nass werden durfte. Dann geriet es völlig aus der Facon, und aus dem Sonntagsanzug wurde ein ausgebeulter Trainingsanzug. Nicht zu vergessen, zu dem Anzug gehörten auch Strümpfe aus Zellwolle, die mit Sockenhaltern getragen wurden... Das war auch nötig, denn diese Fußbekleidungen passten nur beim ersten Anziehen, dann wurden sie immer weiter und weiter, bis sie bei uns schließlich gerollt auf den Knöcheln lagen... Jedenfalls setzte sich unser Lehrer F. „in Szene“. Er stand der Kommission vor, hatte er doch einst gelernt, sich in solchen Situationen zu bewegen. Er genoss sichtlich die ihm zugeteilte Rolle.

      „Pisa“ hätte von uns damals noch lernen können: Wie es heute noch in Frankreich gang und gäbe ist, hatte man erkannt, dass „Gleiches nur mit Gleichem zu vergleichen war“. Es gab in der DDR keinen Föderalismus wie in Westdeutschland. Berlin war die Zentrale, und hier wurde für das Volk vorgedacht, entschieden, und delegiert!

      Die Prüfungsaufgaben galten für alle Schulen der DDR und kamen in großen, versiegelten A-4-Kuverts. Vor unser aller Augen präsentierte F. die Kuverts und ließ sich die Unversehrtheit der Siegel vom staatlichen Beisitzer schriftlich bestätigen. Dann gab es eine kleine, der Würde des Moments nicht entsprechende Pause, denn weder eine Schere noch ein Taschenmesser hatte die Kommission

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