mit Reden. Hermann Brünjes
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу mit Reden - Hermann Brünjes страница 10
Also muss man schon ein begnadeter Redner sein, wenn man durch Worte in Gottes Mission Erfolg haben will? Keineswegs. Kontrastbeispiel ist mein alter Seelsorger. Er redet langsam, bedächtig und überlegt. Erdwig ist eher ein ruhiger Typ, kein klassischer Redner und kein »Evangelist«, wie man ihn sich vorstellt. Erdwig hat sich über Jahrzehnte mit viel Geduld und Treue um die jungen Leute seiner Gemeinde bemüht. Er hat sie besucht, mit ihnen auf Freizeiten so manches erlebt und hat mit ihnen gezielt und persönlich viel geredet. Wie bei Satish in Indien waren es zu Beginn nur wenige, die er erreicht hat. Dann entstand eine junge Gemeinde. Eine Band wurde gegründet. Es gab Widerstände. »Der Satan von Hambergen« verführte aus Sicht mancher Eltern die Jugendlichen und machte sie zu Sektenmitgliedern. Der geistliche Aufbruch im Landkreis Osterholz war für viele beeindruckend. Allerdings schlief er nach einigen Jahren wieder ein. Die jungen Leute gingen ihre Wege in Ausbildung und Beruf.
Ein Misserfolg des Wortes? Keineswegs! Viele der Jugendlichen sind in den hauptamtlichen Dienst von Kirchen und Gemeinden gegangen, andere engagierten sich ehrenamtlich. Viele wurden, oft Jahre später, selbst zu Missionaren und gaben ihren Glauben fröhlich weiter. Es war gewissermaßen ein Segen mit Spätzündung, in zweiter Generation. Erdwig hat sehr viele Multiplikatoren des Wortes gewonnen. Er hat auf diese Weise unzähligen Menschen den Weg zu Gott ermöglicht. Auch wenn er kein begnadeter Redner war – er war und ist doch ein begnadeter Zeuge des Evangeliums und hat sein »Licht niemals unter den Scheffel gestellt« (Mt. 5,15).
Warum erzähle ich diese beiden so unterschiedlichen Beispiele? Mir ist wichtig, dass Gott sein Wort in menschliche Worte kleidet und damit seine Gemeinde baut. Dies passiert sehr, sehr unterschiedlich. Die Verkündigung und das pfingstliche Verstehen geschieht auf vielerlei Weise und aus mancherlei Munde ... aber es geschieht!
Gott legt sein Wort in unseren Mund! Er begegnet uns nicht »von oben« wie ein Wind, Sturm oder ein Geistesblitz – er begegnet uns in Menschen und deren Worte. Gott ist allemal seit Jesus ihn gezeigt hat, ein Gott »von unten«.
Horizontverschmelzung
Was in jenen Begegnungen geschieht und was sich ereignet, wenn Menschen plötzlich »das Wehen des Geistes spüren« oder das Wort Gottes verstehen, nennt der Theologe Ernst Lange »Horizontverschmelzung« (»Predigen als Beruf«, Kaiser Verlag). Der Horizont des biblischen Geschehens und der meiner Gegenwart verschmelzen miteinander. Es ereignet sich, was gesagt wird. Das Wort Gottes geschieht im Hier und Jetzt.
In meinem Sachbuch »einladend predigen« (2010) habe ich berichtet, wie ich als junger Jugendarbeiter Klaus Eickhoff zugehört habe, als dieser die Zachäus-Geschichte erzählte. Ich war fasziniert. Ja, auch weil der Pastor gut und spannend erzählen konnte (wie das geht, werden wir später bedenken), vor allem jedoch, weil ich spürte, dass das geschah, was er von Jesus erzählte. Jesus schaute nicht nur den Zöllner an, er schaute mich an. »Steig herab« war nicht an Zachäus auf dem Baum gerichtet. Es galt mir. Hier und jetzt geschah, wovon geredet wurde.
Dies meint »Horizontverschmelzung«. Nicht nur biblisches Geschehen und Gegenwart verschmelzen, auch Menschen- und Gotteswort, auch mein Geist und Gottes Geist und seine und meine Existenz. Gott wird greifbar, sichtbar und hörbar. Es ist als stehe der Auferstandene direkt vor mir und spricht mich an. »Maria.« »Hermann ...«.
Während wir mit menschlichen Stimmen und Worten miteinander reden, hört jemand Gottes Stimme. Ich selbst benutze auch gerne die Begriffe »Gleichzeitigkeit« oder »Vergegenwärtigung«.
Uns wird dieses Thema noch an anderen Stellen beschäftigen. Weil Gott sich im Hier und Jetzt zeigen will und zu Wort meldet, macht es Sinn, die Botschaft (auch die alte biblische Botschaft), eher im Präsens als im Perfekt zu beschreiben. So zu reden, dass heute transparent wird, was damals geschah und man uns abspürt, dass wir damit rechnen und davon ausgehen, dass Gott redet. Dies macht aus meiner Sicht eine glaubhafte Kommunikation des Glaubens aus.
✪ Erzählen Sie sich von Menschen, die Ihnen von Gott weitergesagt haben. Was hat Sie beeindruckt? Gibt es so etwas wie »Pfingsterlebnisse« in Ihrer Biografie?
✪Haben auch Sie einmal so etwas wie »Horizontverschiebung« erlebt und plötzlich geschah, wovon geredet wurde?
✪Und ebenfalls spannend: Kann es sein, dass Gott auch Ihre Worte und Ihr Zeugnis vom Glauben bereits benutzt hat? Fallen Ihnen auch dazu Beispiele ein?
Wir fassen zusammen:
1. Worte enthalten Macht. Sie können vernichten und aufbauen. Gottes Wort ist immer schöpferisch, es schafft Leben und Lebensentfaltung. Wie, wann und für wen Gott sein Machtwort einsetzt, entscheidet er souverän und unabhängig. Er hat sich in Jesus Christus eindeutig entschieden, sein Wort als dienendes Lebenswort zu nutzen.
2. Sprache entwickelt sich besonders in der Kindheit, wird aber lebenslang geprägt und auch verändert.
3. Das gegenseitige Verstehen war schon immer schwer. Die »babylonische Sprachverwirrung« beschreibt dies besonders gut. Auch in engste Bezüge hinein herrscht oft Missverstehen. Ein Beispiel davon sind die Szenesprachen und die »Sprache Kanaans« in ihren verschiedenen Versionen.
4. Das Wort Gottes ist immer ein missionarisches Wort. Pfingsten wurde zum Geburtstag der Gemeinde-Mission.
5. Nach Pfingsten und durch Gottes Geist können wir einander und auch Gott verstehen. Wir erhoffen und erwarten, dass der Pfingstgeist Ohren und Herzen öffnet. Der Begriff »Horizontverschmelzung« markiert die Erfahrung des Eingreifens Gottes.
2. Die passende Sprache finden
Der Staufenkaiser Friedrich II (1194–1250) soll einen unmenschlichen Versuch mit Kindern durchgeführt haben. Der »Alte Fritz« habe wissen wollen, wie die Ursprache geklungen habe, berichten Chronisten. Dazu habe er über zwanzig Neugeborene von Ammen großziehen lassen. Die Frauen versorgten die Babys, durften jedoch kein Wort mit ihnen sprechen und ihnen auch keinerlei Nähe zeigen. Das Ergebnis war schrecklich und aufschlussreich zugleich. Alle Kinder starben. So wurde zwar nicht geklärt, wie sich die Ursprache anhört, aber es war klar, dass wir Menschen außer Nahrung und Wohnung auch Nähe, Geborgenheit, Liebe, Gemeinschaft und Worte zum Leben brauchen. Hören und Reden sind lebenswichtig!
Als Gegenstück zur schrecklichen Geschichtsschreibung fällt mir die schöne Geschichte von Frederick ein. Sie macht ganz positiv deutlich, wie wichtig Sprache für uns Menschen ist. Die kleine Feldmaus aus dem Bilderbuch von Leo Lionni sammelte nicht wie alle anderen Mäuse Eicheln und Futter für den Winter, sondern Farben und Worte. Als dann der Winter kam und alle materiellen Vorräte aufgebraucht waren, holte Frederick diese »Vorräte« heraus und die hungernde Mäusefamilie überstand die Not durch Bilder, Worte und Geschichten. »Ich sammle Farben für den Winter, und schreib sie auf ein Blatt Papier. Und wird die Welt eines Tages grau und leer, dann schenk ich