mit Reden. Hermann Brünjes

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mit Reden - Hermann Brünjes geistlich-theologische Impulse

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Gottes, ganz im Sinne der Osterbotschaft als Sieg über den Tod!

       Vom Missbrauch der Worte

      Aber gleichzeitig auch »Nein!«. Gottes Herrschen geschieht nicht mittels Gewalt und Unterwerfung. Worte in Gottes Namen dazu einzusetzen, missbraucht sie. Ich versuche, auch das mit Blick auf die Verkündigung zu aktualisieren:

      Mir fällt der Begriff »power evangelism« ein. Gemeint war ursprünglich die Verknüpfung von Wundern (z.B. Heilung) und evangelistischer Predigt. Gott erweist sich als wirksam durch die Predigt seiner Boten, indem er sie mit »Zeichen« wie z.B. Heilungen begleitet. So gesehen sind Erfahrungen, die ich in Indien gemacht habe und wie sie viele Christen aus den Missionsfeldern berichten, so etwas wie »power-evangelism.« Auch in der Bibel kommt dies häufig vor.

      Der Begriff wird inzwischen allerdings oft anders gefüllt. »Kraft-Evangelisation« zeichnet sich dann durch starke Worte aus, durch zwingende Rede, Druck und auf Bekehrung und Überwindung der Widerstände ausgelegte Predigt. Von Billy Graham sagt man, er sei »das Maschinengewehr Gottes« gewesen. Ich empfinde das nicht als Kompliment, obwohl dieser amerikanische Evangelist (1918–2018) in großem Segen unzählige Menschen für Christus gewonnen hat. Vermutlich hat er selbst sich auch gegen diesen kriegerischen Begriff abgegrenzt. Gerade in Indien ist mir eine Art der Verkündigung begegnet, die in diese Kategorie passt. Unzählige kleine Kalaschnikows schmettern dort ihre Salven gegen die Köpfe der Hörer oder auch darüber hinweg. Es wird schnell, laut, direkt, erbarmungslos und natürlich immer richtig und bibeltreu zum Glauben aufgefordert.

      Das mag etwas anderes sein als die Worte der Diktatoren und Populisten dieser Welt – es folgt jedoch dem gleichen Muster: Ich muss jemanden überwinden. Herrschen heißt Macht ausüben, Druck machen und eben Power (Kraft) ausüben, um die Leute zur Gefolgschaft zu bewegen.

      Dieses Missverständnis hat schlimme Konsequenzen. Bezogen auf die Herrschaft des Menschen über diese Erde, hat es uns an den Rand des Abgrunds geführt. Schon im August sind die Ressourcen für ein ganzes Jahr verbraucht. Ab jetzt vertilgen wir die Substanz, die sich nicht erneuert (der »Erdüberlastungstag« 2020 war der 22. August).

      Ein viele Jahrhunderte auch christlich und kirchlich vertretenes Missverständnis hat mit dazu beigetragen: »Macht euch die Erde untertan und herrschet ...«, heißt es als Auftrag an den Menschen im ersten Schöpfungsbericht (1. Mo. 1,28). In der Folge wurde Herrschaft als Instrument der Macht verstanden und unser Globus gnadenlos ausgebeutet.

      Und die Variante in der Verkündigung?

      Sie ist schnell zu identifizieren. Die Begriffe »missionieren«, »predigen« oder »bekehren« werden als Manipulation oder koloniales Machtmittel verstanden. Warum? Weil dies leider oft genug in der Geschichte genauso praktiziert wurde und wird. Das Evangelium wird als Machtinstrument missbraucht. Die Predigt wird zum Machtgewinn oder -erhalt eingesetzt. Man sammelt Gefolgsleute und »seine Truppen«. Leute werden unter Druck gesetzt und gefügig gemacht. Moral und erhobene Zeigefinger beherrschen die Verkündigung. Man muss so oder so leben! Man muss sich »bekehren« und sich selbst verleugnen. Angst wird verbreitet. Die Auslegungshoheit biblischer Texte liegt bei den Amtsträgern, den ordinierten, den geschulten, den bekehrten und den entschiedenen Christen.

      Mittelalter? Von wegen. Die Kirchen achten bis heute sehr darauf, dass alles so läuft, wie es ihren Regeln entspricht. »Wir taufen dich ...«? Da hat ein Priester die falsche Formel verwandt und die katholische Taufe war ungültig. »Du musst ...!«, wie oft findet sich solche Rede auch in den liberalsten Predigten? Wie viele Imperative und wie viel Moral verstellen uns den Weg zur froh machenden Botschaft?

      Nur die anderen? Nein, auch ich selbst bin in Versuchung, mit Worten Macht auszuüben. Vor allem, wenn ich gut reden und Menschen mit Worten mitreißen kann, sie fessle (passendes Wort!) und sie überzeugen (klingt wie überreden!) kann. Insbesondere als Amtsträger, in meiner Position als Pastor, Referent, Diakon oder Jugendleiter habe ich viele Möglichkeiten, das Wort für meine Zwecke zu missbrauchen und es als Herrschaftsinstrument einzusetzen.

       Das dienende Wort

      Dabei ist das Wesen des Herrschens im Sinne Jesu ein völlig anderes. »Wer der Größte sein will, der sei euer aller Diener.« (Mk. 10,43-44).

      Bezogen auf die Verkündigung bedeutet dies: Wir haben den Menschen (auch) mit unseren Worten zu dienen und sie eben nicht zu beherrschen! Wir verkündigen einen Gott, der dient. Unsere Sprache ist kein Instrument, andere zu überwinden, sie zu regulieren, auf Kurs zu bringen oder bei der Stange zu halten. Sie bleibt vielmehr dem Wohl und der Entfaltung der Menschen verpflichtet.

      Wer Sprache in diesem Sinn einsetzt, wird besonders darauf achten, dass er oder sie genau hinhört. Was braucht, was denkt, was will jener Mensch, mit dem ich es da zu tun habe? Wir werden das noch thematisieren. Nicht was ich sagen will wird zum Maß aller Dinge, auch nicht ich selbst und wie ich dastehe – sondern meine Gesprächspartnerinnen und -partner oder meine Hörerinnen und Hörer werden zum Maß meiner Sprache und Verkündigung. Dieser Welt und den Menschen zu dienen hat das Wort Gottes in und mit der Schöpfung die Herrschaft angetreten.

      Zwischen Babylon und Pfingsten

      Wenn nur die Sprachverwirrung nicht wäre!

      »Wir verstehen uns nicht!«, scheint das Grundprogramm menschlicher Beziehungen zu sein. Angefangen bei verschiedenen Sprachen und Dialekten der Völker und Kulturkreise bis hin zu Mann und Frau, Kinder und Eltern, Familie und Nachbarschaft. Ein Riss geht durch diese Welt, nein hunderttausend Risse. Statt aufeinander zu hören, uns zu einigen und gemeinsame Wege zu suchen, gibt es Streit, Trennung und sogar Krieg. Woran das liegt?

      Die Bibel erklärt es mit der Erzählung vom Bau des Turms in Babylon (1. Mo. 11,1-9). Sie wollten die Größten sein, die Klügsten, die technisch Versiertesten, die Schönsten, die Bedeutendsten und vor allem die Mächtigsten. Sie wollten sich einen Namen machen und sein wie Gott. Sie wollten den Himmel stürmen und den Thron des Höchsten besetzen.

      Es ist der schon in der Urgeschichte angesprochene Drang des Menschen, wie Gott sein zu wollen, der alles zerstört. Es steckt tief in uns drin, an Gottes Stelle herrschen zu wollen, zu regieren und das eigene Leben – plus wenn möglich auch das von anderen und dieser Welt in die eigene Hand – zu nehmen. Geboren aus dem Zweifel an Gottes Güte, Stärke und Zuverlässigkeit ersetzen wir Menschen den Herrscher der Welt und setzen uns selbst oder einen unserer »Führer« auf Gottes Thron.

      So funktioniert Babylon.

      Und so funktioniert es eben nicht wirklich. Der Turm, den sie bauen, erscheint ihnen großartig und geradezu göttlich. Tatsächlich ist er lächerlich. »Gott sah herab ...«, heißt es ironisch. Was wir für Macht und Größe halten, ist aus seiner Sicht nichts wert. Im Gegenteil: Der Versuch, für uns selbst göttliche Größe zu erlangen, vernichtet alles. Beziehungen werden zerstört, weil jeder über den anderen herrschen will. Erfolge werden zu Niederlagen, weil wir uns ständig miteinander vergleichen. Technischer Fortschritt erweist sich als Bumerang, weil wir die Konsequenzen nicht bedacht haben. Babylon wird zum Symbol der Verwirrung, Trennung und Zerstörung menschlicher Gemeinschaft.

      Babylon steht für jene Sprachwelt, in der wir uns nicht verstehen. Es ist die Welt, in der wir leben. Ob nun Geschichts-, Kultur- oder Entwicklungswissenschaften untersuchen und beschreiben, warum wir Menschen uns nicht verstehen – am Ende läuft es auf das Gleiche hinaus, was wir in der biblischen Geschichte vom Turmbau zu Babylon lesen.

      Niemand von uns kann sich dem entziehen. Bis in die kleinsten Einheiten, etwa die Ehe, wird solche Trennung

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