Sinnvoll zu betrachten. Geshe Kelsang Gyatso
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Sinnvoll zu betrachten - Geshe Kelsang Gyatso страница 26
Buddha Shakyamuni sah, daß die Reinigungstechniken, die er Lam Chung gegeben hatte, äußerst erfolgreich waren und entschied, Lam Chungs neue Qualitäten öffentlich bekannt zu machen. Er wies seinen Schüler Ananda an, eine bestimmte Gemeinschaft von Nonnen darüber zu informieren, daß von nun an Lam Chung ihr Spiritueller Meister sein würde. Die Nonnen waren sehr aufgebracht und dachten: «Wie können wir einen Mönch als unseren Abt annehmen, der so dumm ist, daß er nach vielen Monaten noch nicht einmal einen einzigen Vers der Unterweisungen behalten kann?» Sie entschieden, daß sie ihn nicht als ihren Leiter akzeptieren müßten, wenn sie seine Unzulänglichkeit öffentlich zur Schau stellten. So verbreiteten sie in einer nahegelegenen Stadt die Nachricht, daß bald ein Mönch, der so weise sei wie Buddha selbst, kommen würde, um Unterweisungen zu geben, und daß alle, die teilnehmen würden, sicherlich große Realisationen erlangen könnten. Um seine erwartete Demütigung noch zu vergrößern, errichteten die Nonnen einen großen, prachtvollen Thron, an dem sie allerdings absichtlich die Stufen vergaßen, durch die der erhöhte Sitz hätte erreicht werden können.
Als der Tag der angekündigten Unterweisungen kam, machte sich Lam Chung auf den Weg zu der Nonnengemeinschaft, wo sich über einhunderttausend Menschen eingefunden hatten. Einige wollten zuhören und andere wollten seine Blamage erleben. Als er den großen Thron ohne Stufen sah, erkannte er, daß dieser absichtlich so gebaut worden war, um ihn der Lächerlichkeit preiszugeben. Ohne zu zögern streckte er seine Hand aus, so daß sie wie ein riesiger Elefantenrüssel aussah, und mit ihr verkleinerte er den Thron, bis er nur noch ein kleiner Punkt war. Dann verwandelte er den Thron zu seiner alten Größe zurück, und zum wachsenden Erstaunen der Zuschauer flog er auf den Sitz hinauf. Nach einer kurzen Phase der Meditation flog er wieder in die Luft und umkreiste die Zuschauer, bevor er zum Thron zurückkehrte. Als er wieder saß, sprach er: «Hört aufmerksam zu. Ich werde jetzt einen einwöchigen Vortrag über die Bedeutung eines Dharma-Verses geben. Es ist der gleiche Vers, den ich in der Vergangenheit auch nach dreimonatigen Versuchen nicht auswendig lernen oder verstehen konnte.»
Als die sieben Tage der Unterweisungen vorbei waren, hatten viele Tausende im Publikum ein direktes Verständnis der Wirklichkeit erlangt, während andere die erhabenen Zustände eines In-den-Strom-Eintretenden, eines Einmal-Wiederkehrenden, eines Niemals-Wiederkehrenden und volle Arhatschaft erlangten. Andere, die anwesend waren, konnten den kostbaren Bodhichitta entwickeln und diejenigen, die gekommen waren, um ihn zu prüfen, vergrößerten ihr Vertrauen in die Drei Juwelen. Danach verkündete Buddha, daß unter all seinen Schülern Lam Chung das größte Geschick hätte, den Geist anderer Lebewesen zu zähmen. Auch heute können wir noch Bilder von Lam Chung sehen, der einer der sechzehn Arhats ist, die in der buddhistischen Kunst oft dargestellt werden.
Diese Geschichte macht deutlich, daß selbst eine unkonventionelle Praxis als ein Gegenmittel gegen unsere Nichttugend dienen kann, wenn sie aufrichtig und mit der richtigen Motivation ausgeübt wird. Keine noch so wirksame Arznei kann uns aber heilen, wenn wir sie nicht einnehmen; dazu werden wir jedoch nur motiviert sein, wenn wir erkennen, wie nötig wir eine Heilung haben.
Ein schwerkranker Mensch, der denkt, daß er nicht mehr lange zu leben hat, wird ärztlichen Rat annehmen, weil er sich vor dem Tod fürchtet. [54] Wenn es bereits nötig ist, dem Rat eines Doktors zu folgen, wenn wir eine gewöhnliche Krankheit fürchten, muß dann überhaupt noch erwähnt werden, wieviel nötiger es ist, dem spirituellen Rat des geschicktesten Arztes, des mitfühlenden Buddhas, zuzuhören und ihn zu befolgen? Sein kraftvolles Dharma-Heilmittel kann die Krankheiten heilen, die uns seit anfangsloser Zeit plagen: die giftigen Verblendungen von Anhaftung, Wut und Unwissenheit.
Es bedarf nicht vieler Ursachen, um in einem Höllenbereich wiedergeboren zu werden. Wenn wir uns auch nur einen Augenblick der Wut gegen einen Bodhisattva leisten und dies nicht reinigen, werden wir uns schon bald in einer Hölle wiederfinden. So stark ist die Kraft dieser Krankheit der Wut! [55] Weder diese noch die anderen zerstörerischen geistigen Krankheiten - Anhaftung, Neid, Stolz und dergleichen - können von einem gewöhnlichen Doktor oder seiner Arznei kuriert werden. Nur der große Arzt Buddha und sein Dharma-Heilmittel kann diese Krankheiten überwinden. [56] Wenn wir die uns angebotene Arznei nicht einnehmen, wo sonst finden wir Hilfe? Es ist außergewöhnlich dumm und zeugt von Unwissenheit, sich einerseits zu wünschen, Samsara zu überwinden, aber andererseits das Ausüben einer spirituellen Praxis als einzig wirksamen Weg zur ersehnten Befreiung abzulehnen.
[57] Wenn man schon am Rande einer Klippe vorsichtig sein muß, muß man da noch über die Vorsicht sprechen, die man am Rande eines Abgrundes benötigt, der bis zur Hölle hinabreicht? Dieser ist wie eine tausend Kilometer tiefe Grube, und wir stürzen aufgrund unserer Nichttugend für eine extrem lange Zeit in sie hinein.
Deshalb müssen wir uns schnell von aller Nichttugend reinigen. [58] Es ist unklug zu denken, daß wir den heutigen Tag genießen können in der Überzeugung, daß wir jetzt nicht sterben werden. Niemand hat die Macht, mit Überzeugung sagen zu können: «Der Tod wird heute nicht zu mir kommen.» Unausweichlich kommt die Zeit, in der wir zu nichts werden. Dann werden andere über uns reden, so wie wir jetzt über diejenigen sprechen, die bereits verstorben sind.
Shantideva schließt diesen Abschnitt über die Kraft des Gegenmittels mit der Frage:
Wer kann mir sagen: «Du hast Nichttugend begangen, aber ich werde dich beschützen?» Niemand kann dies. Wenn ich daran denke, daß der Tod sicher und der Zeitpunkt des Todes so unsicher ist, wie kann ich mich von dieser großen Angst befreien? Wenn es unvermeidlich ist, daß die Zeit kommen wird, wo ich zu nichts werde, wie kann ich mich dann entspannen und damit fortfahren, mich so wie jetzt zu amüsieren? [59]
Die letzte Zeile des obigen Abschnittes bedeutet nicht, daß wir uns niemals entspannen und vergnügen dürfen. Wir sollten jedoch erkennen, daß wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine kostbare menschliche Wiedergeburt gefunden haben. Unsere ganze Zeit nur mit den Belangen dieses Lebens zu verschwenden und aufgrund unserer Achtlosigkeit nichttugendhafte Handlungen zu begehen, bedeutet ein Leben zu führen, das sich nicht von dem eines stumpfsinnigen Tieres unterscheidet. Wenn wir dieser kostbaren menschlichen Wiedergeburt einen echten Sinn geben wollen, dann sollten wir unsere zukünftigen Leben dadurch beschützen, daß wir jetzt Dharma entsprechend unserer Fähigkeit praktizieren und dadurch diese seltene Gelegenheit ausnutzen. Die Auswirkungen von Nichttugend zu reinigen, indem die richtigen Gegenmittel angewendet werden, ist eine der wichtigsten Vorgehensweisen.
DIE KRAFT DES VERSPRECHENS
Die letzte der vier Gegenkräfte, die das Bekenntnis von Nichttugend beinhaltet, ist unser festes Versprechen, bestimmte nichttugendhafte Handlungen nie mehr zu wiederholen. Wenn diese vier Kräfte richtig angewendet werden, ist es sicher, daß unsere gesamte Negativität vollständig gereinigt werden kann.
In vergangenen Leben wurden wir in hohen Positionen geboren, besaßen schöne Körper, waren mit großem Wohlstand und Reichtümern ausgestattet und erlebten wieder und wieder alle Freuden und Vergnügen Samsaras. Aber wie Shantideva sagt:
Was bleibt uns von diesen Erfahrungen? Das alles hat uns keinen Nutzen gebracht und ist jetzt bedeutungslos. Selbst der reichste Mann muß seinen Wohlstand zurücklassen, wenn er zum Zeitpunkt des Todes allein fortgeht. Das einzige, was wir bei unserem Tod mit uns nehmen, sind die Früchte unserer eigenen Handlungen. Jetzt beschäftigen wir uns mit weltlichen Vergnügen und denken, daß sie wichtig sind. Aber sie sind illusorisch und bedeutungslos. Trotzdem bleiben wir an weltliche Vergnügen angehaftet und mißachten ihretwegen die Ratschläge unserer Spirituellen Meister. Da dieser Körper, meine Familie, Freunde und Reichtümer alle zurückbleiben müssen, wenn ich sterbe und allein woanders hingehe, was für einen Sinn hat es dann, mich wegen diesen vorübergehenden Belangen zu gefährden? [60-1]
Shantideva