Die Hoffnung aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen

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Die Hoffnung aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen

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Der Kramer starb und ein Onkel von Sonja übernahm den Laden. Er verbat Sonja, sich mit mir zu treffen. Ich war 18 Jahre alt und hin und hergerissen von zwiespältigen Gefühlen. Ich wollte dieses Mädchen heiraten. Doch ihr Onkel war dagegen und suchte ihr einen reichen Bauern, den sie statt meiner ehelichen sollte. Es waren die Reichen, die immer noch reich waren und die Armen, die am Existenzminimum lebten. Besserung war nicht in Sicht. Deutschland steckte in einer tiefen Krise. Ich wollte dem entfliehen. So versuchte ich Sonja klarzumachen, dass wir beide fliehen mussten. Weg von diesem Ort, der unsere ganze Kindheit lang unser Zuhause gewesen war und raus aus diesem Land, das sich ruiniert hatte.

       Doch Sonja wollte nicht gehen. Sie wollte lieber den Bauern heiraten und ein Dasein ohne Liebe, aber dafür in geordneten Verhältnissen führen. Ich hatte ihr weder hier noch in der großen weiten Welt etwas zu bieten.

       Mein Vater war zum Tyrannen geworden und ertrug nicht, dass ich einer anderen Welt nachsann als der, die sein Leben bestimmte. Ich wollte nicht hier zu Hause am Hungertuch nagen und zusehen, wie Sonja diesen Bauern heiratete.

       Als wir erneut heftig aneinandergerieten, packte ich mein weniges Hab und Gut und verschwand eines Nachts.

       Viele Tage marschierte ich durch verwahrloste, vom Krieg gezeichnete Gegenden, sah zerstörte Städte und tausende von Grabstätten, die sich auf ackergroßen Flächen vor den Städten dahinzogen. Ich lebte von der Hand in den Mund und geriet nach langer Zeit zu einem Hafen. Dem Hungerstod schon recht nahe, nahm mich eine Frau zu sich, die die alte Hafenkneipe „Zur Welle“ betrieb. Nach drei Monaten, die ich ihr in der Schankstube aushalf und mit ihr Bett und Tisch teilte, ließ ich mich auf einem alten Kutter anwerben, der mich nach irgendwohin mitnehmen sollte.

       Dort bekam ich eine karge Mahlzeit am Tag und überwachte die Fracht. Ich weiß nicht, ob es Wochen oder Monate waren, die ich nur Wasser und Himmel sah. Aber eines Tages verfärbte sich der Himmel so schwarz wie ein Leichentuch und ein Unwetter brach über uns herein, wie ich es noch nie zuvor erlebt hatte.

       Das Schiff versank. Ich schwebte zwischen Leben und Tod, von den stürmischen Wellen auf einem Brett, an das ich mich gebunden hatte, hin und her gepeitscht.

       Der Sturm verging und der Tag brach an. Mit ihm noch zwei weitere Tage und Nächte. Dann, ich dachte wirklich es wäre ein Himmelsschiff, kam meine Rettung in Form eines großen Frachters, dessen Besatzung mich aus dem Meer fischte.

       Ein seltsamer Mann nahm mich in seine Obhut und pflegte meine von der Sonne verbrannte Haut und rettete mein Leben.

       Kari Mantei gab mir nicht nur mein Leben zurück, sondern er nahm mich als seinen Lehrling und Diener in seinen Dienst auf. Wir schifften in ein Land, das Ägypten heißt und mir wie der Himmel vorkam.“

      Ich weiß noch, mit wie viel Herzblut mein Vorfahre aus diesem Land berichtete und ich weiß noch, wie mich diese Geschichte meines Urgroßvaters tief in meinem Inneren traf. Schließlich kannte ich jeden Aspekt darin aus meinen Träumen. Und ich erkannte, dass mein Kurt mein Urgroßvater sein musste.

      Erst erschreckte mich dieser Umstand, doch dann verstand ich, was dieser Mann wirklich geleistet hatte. Er hatte sich seinen Wunsch nach Unsterblichkeit in gewisser Weise erfüllt. Doch der Irrsinn, der hinter der ganzen Geschichte steckte, offenbarte sich in seinen weiteren Schriften.

      „Kari Mantei nahm mich in sein Haus auf und unterrichtete mich in der Wissenschaft der Alchemie und der Heilkunst. Ich entdeckte bald, dass er ein wichtiger Mann in seinem Land war und die Achtung, die man ihm entgegenbrachte, schenkte man bald auch mir.

       Über zehn Jahre verbrachten wir damit, die Elemente des Feuers, des Wassers, der Erde und der Luft zu erforschen. Wir versuchten sie einer überirdischen Reinheit zu unterziehen, die wir dann als Grundlage für weitere Versuche nahmen, um auch andere Stoffe in einen Reinheitsgrad aufzusplitten, der noch nirgends Gleiches fand.“

      Seine Bücher strotzten vor Begeisterung für die Alchemie, beschrieben Verfahren und ihre Ergebnisse und zeigten ein Wissen, das mich einerseits verwirrte und mir doch nicht ganz fremd war.

      „Wenn alles aus einer Urmaterie, die in sich selbst eine Einheit ist, entstand, so mussten wir die Dinge zu ihrer Urmaterie zurückführen, aus der wir dann wiederum neues Entwickeln konnten. Kari Mantei war nicht allein mit seinem Wissen. Es gab geheime Sitzungen in einem unterirdischen Keller unter dem heißen Wüstensand, in dem wir uns mit anderen trafen und über unsere Ergebnisse berichteten. Dort erfuhr ich zum ersten Mal das wirkliche Ansinnen dieser alchemistischen Vereinigung. Kari Mantei hatte mich schon darauf vorbereitet. Aber niemals ahnte ich, welches Ausmaß der Wunsch angenommen hatte, endlich das Aurum Potabile des ewigen Lebens zu erschaffen. Alle waren besessen von diesem Wunsch nach Unsterblichkeit und ich mittlerweile genauso.

       In der Alchemie gibt es Ansichten und Weisheiten, die aus Zeiten stammen, als diese Wissenschaft noch in Kinderschuhen steckte. Aus der Zeit stammt ein Wissen über pure Intensität und Kraft, die alles beherrschend durchdringt und alles zu dem macht, was es ist. Es gibt Anhänger der Alchemie, die genau die gleichen Eigenschaften dem Lebenssaft zusprechen und meinen, dass man unsterblich werden kann, wenn man durch das Blut einer jungen Frau immer wieder eine Körpererneuerung erlebt. Oder andere waren sich sicher, dass nur der Unsterblichkeit erlangt, der sein eigenes Blut mit dem Blut seiner aus Inzest geborenen Tochter ersetzt, was immerwährenden Inzest und Mord zur Folge hatte. Ich fand diesen Gedanken grässlich, obwohl es einige unter uns gab, die darauf schworen, dass dies das Einzige ist, das wirklich Erfolg verspicht.

      Ich wollte diesen Weg nicht gehen und versuchte viele andere Wege. Doch ich sah, dass es im Namen unserer Zunft immer wieder zu erschreckenden Taten kam und wir bald als Mörder verschrien uns alle auf die Flucht begeben mussten. Kari Mantei kam bei der Flucht ums Leben. Er wurde von einer selbstjustizfordernden Meute gehängt, bevor er seine Unschuld auch nur beteuern konnte. Die wahren Mörder unter uns wurden nicht zur Rechenschaft gezogen und ich hasste sie dafür und beschloss 1938 wieder in meine Heimat zu reisen. Doch dort beschwor Deutschland nur ein Jahr später einen Krieg mit Polen herauf und mein Vater verlangte von mir, das gleiche Schicksal zu ertragen wie er selbst und mich dem Tod im Krieg zu stellen. Doch dass der Tod für mich eine andere Bedeutung hat, wie für ihn, schließlich hatte ich mein Leben damit zugebracht, ihm zu entkommen, ahnte er nicht. Und ich hatte noch nicht die Gewissheit, meinem Ableben auch wirklich durch mein alchemistisches Wissen entrinnen zu können. Meine Versuchsergebnisse hatte ich nur in Büchern mitbringen können und mein Labor in meiner Heimat war noch zu neu und unvollständig und meine Arbeit dort hatte mir noch keine neuen Erkenntnisse beschert. Doch der Tod traf nicht mich in den Wirren der Kriegszeit, sondern meinen wie einen Bruder lieb gewordenen Freund Martin, der mit mir auf der Suche nach dem ewigen Leben war. Und sein Tod war es, der mich voller Verzweiflung doch noch andere Wege des Aberglaubens aus den ersten Tagen der Alchemie einschlagen ließ.

       Mittlerweile hatte ich in Erfahrung gebracht, dass ich eine Tochter habe, die Maja heißt. Meine Sonja, die mich damals gegen den Bauern austauschte, war schwanger gewesen und ich war ahnungslos in die weite Welt gezogen.

       Ich bemühte mich das junge Mädchen kennenzulernen. Sie war zu dem Zeitpunkt 18 Jahre alt. Doch Sonja verbat es mir und ich hoffte auf einen späteren Zeitpunkt, an dem ich meine Tochter in die Alchemie einweihen konnte. Sie sah ich als eine alchemistische Grundlage an, die mich zwar auf eine Weise unsterblich machen sollte, die ich bis dahin verpönte, die aber mit meinem zunehmenden Alter und der zunehmenden Angst vor dem Sterben mein Gewissen unterjochte.

       Der Krieg tobte übers Land und ich war nicht bereit, daran teilzunehmen. Nachdem mein Freund schon gefallen war, legte ich einem von einer Bombe

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