Die Hoffnung aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen

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Die Hoffnung aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen

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unter, das ich mir kurz nach meiner Ankunft in meiner alten Heimat gekauft hatte. Dort verschanzte ich mich in meinem unterirdischen Labor. Mich beseelte nur noch der Gedanke, alle mir erdenklichen Möglichkeiten offen zu halten, die mein alchemistisches Wissen mir offenbarte und ich begann einen zweiten Weg einzuschlagen. Ich weiß, dass für dich, meine liebe Tochter, das Ganze wie ein Fluch wirken muss. Aber es geht um Größeres. Es ist einfach die Gewissheit, zu einem bestimmten Zeitpunkt alles vorbereitet zu haben, was in meiner Macht steht. Und dieser Zeitpunkt ist mein Tod.

       So schreckte ich nicht davor zurück, einen Weg zu gehen, den Kari Mantei aus einem der ältesten Bücher der Alchemie erschlossen hatte: Zeugt man mit einer Frau, die dem eigenen Blut entspringt, ein Kind, kann diesem Wesen ein offener Geist gegeben werden, der dem Alchemisten eine Hülle für seinen eigenen Geist geben kann, wenn er dem Wechsel ins Jenseits entrinnen will.

       Ich musste dazu ein Mittel erschaffen, das den Genpool meines zweiten Kindes, und aller folgenden Nachkommen, weitgehendst rein erhielt, um diese Hüllen über Generationen aufrechterhalten zu können.

       Ich schuf dieses Mittel.

       Da meine Tochter, Deine Mutter Maja, mich nicht kannte, hatte ich keine Schwierigkeiten sie zu treffen und ihr den Hof zu machen. Sonja, meine einstige große Liebe, Deine Großmutter, durfte davon nichts erfahren. Es war Krieg, und das Leben war von Hunger, Todesangst und Leid geprägt. Ich brachte Maja heimlich Essen und Geschenke und sie hielt mich für einen reichen Bauern, der sich von dem Soldatenleben freigekauft hatte. Es war leicht, sie zu beeindrucken und keiner hatte Zeit, auf unser Treiben zu achten. Mit meinem alchemistischen Wissen und dem Mittel, das sie mir ganz hörig machte, verführte ich sie und ließ sie in dem Glauben auf eine baldige Hochzeit. Was ich bis dahin nur hoffen konnte war, dass dieses Mittel sich einen Weg in die Genmatrix sucht, die alle weiteren Nachkommen zwingt, sich mit denen, die diesen Genpool in sich tragen, zusammengehörig zu fühlen und zu vereinigen. Denn das war die eigentliche Macht, die von dem Mittel ausgehen sollte und mir auch Maja letztendlich näherbrachte.

       Mein Blut sollte immer wieder zu meinem Blut führen und rein bleiben, falls mich doch der Tod ereilt und ich ein Wesen brauche, in das ich schlüpfen muss. Das war mein Grundgedanke, als ich Dich mit Maja zeugte, und es soll mich retten, wenn ich es nicht schaffe, das Mittel zu kreieren, das mir ewiges Leben schenkt.

       Außerdem hoffe ich darauf, damit Maja nicht dem eigenen Tod aussetzen zu müssen, um mich mit ihrem Blut am Leben zu erhalten und auch Dich verschonen zu können.

       Das ist alles aber erst einmal nur ein Grundgedanke, der mir meine Zukunft sichern soll.“

      Als ich diese Dinge damals las, war ich seltsam betroffen, weil mir das erste Mal wirklich klarwurde, dass ich so ein Gefäß sein muss, in das Kurt sich geflüchtet hatte. Und auch alle weiteren Male, bei denen ich die Inhalte der Bücher studierte, brachten mich zu dem gleichen Ergebnis, wie auch alles Folgende.

      So steht in ihnen außerdem geschrieben: „Damit trug sie Dich unter ihrem Herzen und ich eine weitere Hoffnung, dem Tod zu entfliehen. Natürlich konnte ich Maja nicht heiraten. Sie ist meine Tochter! Als ich wusste, dass sie schwanger ist, musste ich gehen. Aber es fehlte ihr an nichts. Dafür sorgte ich.

       Als Du endlich geboren wurdest, war bei Maja nichts da, was Muttergefühlen gleichkam. Ich schickte ihr eine Frau, die ihr das unliebsame Kind für Geld abnahm und ich brachte Dich in einem guten Waisenhaus unter, denn auch ich konnte mich nicht um Dich kümmern.

       Ich ließ Dich nie aus den Augen, wusste ich doch, dass der Tag kommen wird, an dem ich Dich zu mir hole.“

      Ich kann meine Großmutter verstehen, dass sie weder ihrer Mutter noch ihrem Vater ein Fünkchen Zuneigung entgegenbrachte, nachdem sie sie einfach in einem Waisenhaus abgaben, wie einen Hund in einem Tierheim. Was Kurt und seine Tochter Maja meiner Großmutter damit angetan hatten, lässt sich kaum ermessen.

      Es stand weiter geschrieben: „Das Mittel, das ich Deiner Mutter gab, damit sie sich im mich verliebte und dass unserer Familie immerwährenden Zusammenhalt bringen sollte, funktionierte nicht wie beabsichtigt. Sie war unfähig ihr eigenes Kind zu lieben. Das zumindest hätte niemals geschehen dürfen. Ich hatte versagt … das Mittel funktionierte nicht zur Zusammenführung des Familiengenpools. Zumindest nicht bei ihr. Aber meine Hoffnung liegt in der nächsten Generation … den nächsten Generationen.“

      Ich fand es fast schon erfreulich, dass Kurt Gräbler damals nichts von seinem Erfolg, was seine Nachfahren angeht, erfuhr.

      „Ich werde zwar weiterhin meinen alten Weg beschreiten, bis Du alt genug bist und hoffentlich in meine Fußstapfen trittst, um mit mir der Unsterblichkeit entgegen zu gehen. Und ich hoffe, dass ich nicht eines Tages doch noch den Weg der alten Schriften einschlagen muss, für den Du im Notfall vorgesehen bist. Ich setze auf einen anderen Weg, uns zur Unsterblichkeit gelangen zu lassen. Denn darauf ist meine Arbeit ausgerichtet und ich baue darauf, für uns erfolgreich zu sein.“

      Kurt Gräbler war es nicht. Aber diese Niederschriften von seinem Leben, das sich in meinen Träumen mein Leben lang widergespiegelt hatte, trafen mich tief in meinem Inneren und verunsicherten mich. Ich wollte mit jemandem darüber reden und es gab nur eine Person, der ich glaubte, mich anvertrauen zu können. Doch meine Großmutter wollte nichts von den Aufzeichnungen ihres Vaters wissen und auch sonst nichts. Sie wurde schrecklich wütend und erklärte mir, dass es in ihrem Leben niemals Eltern oder eine Familie gegeben hatte. Sie war in diesem Waisenhaus aufgewachsen und hatte eine schreckliche Kindheit erlebt. Sie wollte von ihren Eltern, die sie im Stich gelassen hatten, nichts wissen.

      Aber mit den Heften des Alchemisten offenbarte sich mir eine Welt, die ich zwar schon in gewisser Weise kannte, die mir aber auch Hintergrundinformationen über alchemistisches Streben, Experimente und unglaubliche Taten bot, die ich lieber niemals erfahren hätte. Und ich erfuhr etwas aus Kurts Leben. Er war aus seiner Heimat geflohen, als seine große Liebe Sonja einen reichen Bauern heiraten musste und verließ damit seine Familie, in der sein vom Krieg gebrochener Vater zum Tyrannen mutiert war. Als er in einer Hafenstadt auf einem Schiff anheuerte, das bei einem Sturm im Meer versank, rettete ihm ein ägyptischer Alchemist das Leben, der ihn dann sogar in die Lehre genommen hatte. Viele Jahrzehnte lebte Kurt Gräbler in Ägypten, wechselte seine Religion, wurde selbst zu einem Alchemisten und verschrieb sich der Suche nach dem Stein der Weisen, der der Menschheit die Unsterblichkeit bescheren sollte. Aber er schaffte es nur bis in seine Nachfahren, die er mit seinen Lebensgeschichten manipuliert. Denn aus den Heften erfuhr ich, dass auch Sonja kein Traum war, sondern Wirklichkeit. Sie war meine Ururgroßmutter.

      Das Ganze beunruhigte mich damals zutiefst und es gab niemandem, dem ich mich anvertrauen konnte. Ich wurde unruhig und ängstlich, denn es drängten sich auch weiterhin Geschichten in meine Träume, die ich nun anders wahrnahm. Was für mich bisher ein aufregendes Spiel war und mir eher dazu diente, meine Einsamkeit niederzuringen, bekam plötzlich einen ganz anderen Aspekt. Meine Träume spiegelten etwas wider, dass es wirklich in der Vergangenheit gegeben hatte. Was war also mit dem, was ich noch alles träumte? Schließlich sah ich das Mädchen aus meinen Träumen und mich einer Gefahr ausgesetzt, die uns vernichten wollte.

      Heute denke ich, dass mein Kurt Gräbler Anteil mich warnen wollte, weil der Anteil von meinem Halbbruder Julian, in dem genauso etwas von ihm schlummert, etwas voranbrachte, das den Alchemisten vernichten würde. Julian glaubte allerdings, er würde dem Alchemisten zur Auferstehung verhelfen. Aber in mir schlummerte wahrscheinlich die Gewissheit, dass es nicht nur Carolins Tod sein würde, sondern auch meiner. Und so bescherte er mir diese Träume, in denen ich das Mädchen aus meinen Träumen sterben sah, wenn ich sie nicht rettete. Und mir war klar, wenn es dieses Mädchen wirklich gab, dann gab es auch diese Gefahr. Außerdem

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