Forschungsreisen in früheren Jahrhunderten - Band 124 in der maritimen gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski. Jürgen Ruszkowski

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Forschungsreisen in früheren Jahrhunderten - Band 124 in der maritimen gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski - Jürgen Ruszkowski maritime gelbe Buchreihe

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Dynastie Chinas und machte Peking zu seiner Residenz. Das Mongolenreich hatte damals eine ungeheure Ausdehnung. Es erstreckte sich von Sibirien bis Südchina und von Korea bis tief hinein nach Europa an die Grenzen Ungarns und Polens. Damit hatte es Anteil an drei grundverschiedenen großen Kulturkreisen: dem chinesischen, dem mohammedanischen und dem christlich-abendländischen.Der Groß-Khan hatte die Stadt Kemenfu nördlich der großen chinesischen Mauer am Rande der Mongolensteppe zu seiner Sommerresidenz gemacht. Dreieinhalb Jahre waren die Polos auf ihrer beschwerlichen Reise unterwegs gewesen, als sie sich dieser Stadt näherten. Durch den hervorragenden Nachrichtendienst seines Reiches hatte Kublai Khan die Kunde von ihrem Kommen schon lange vorher erhalten. Vierzig Tagereisen weit schickte er ihnen Boten zur Begrüßung entgegen und gab Befehl, dass ihnen an allen Orten, die sie noch durchreisen mussten, jede Bequemlichkeit zuteilwerde. – Kaum waren sie in der Residenzstadt angekommen, begaben sie sich sogleich zum Kaiserpalast. Dort fanden sie den Groß-Khan umgeben von vielen Würdenträgern. Sie erwiesen ihm die übliche Reverenz, den Kotau, indem sie auf die Knie fielen und sich bis zum Boden verneigten. Aber der Khan bat sie aufzustehen und begrüßte sie freundschaftlich.Grafik 737Er zeigte große Freude über ihre Ankunft und stellte viele Fragen nach dem Verlauf der Reise. Nun überreichten sie ihm die Schreiben und Geschenkte des Papstes und das Öl vom Heiligen Grabe, über alles war er hoch erfreut. Schließlich bemerkte er den jungen Marco und fragte, wer er sei. Nicolo antwortete, es sei sein Sohn und er habe den Wunsch, ein Diener und Lehnsmann Seiner Majestät zu werden. Da nahm der Groß-Khan ihn unter besonderen Schutz und ernannte ihn zu einem seiner Ehrenbegleiter. Zwischen dem damals schon sechzigjährigen Herrscher dieses Weltreiches und dem zwanzigjährigen Venezianer entspann sich jetzt eine wirkliche Freundschaft. Denn es war von Seiten Kublai Khans mehr als nur Interesse an einem klugen und begabten Höfling, wenn er den jungen Ausländer unter Nichtachtung des Hof-Zeremoniells und Übergehung zahlreicher anderer Anwärter zu seinem vertrauten Privatsekretär, Mitglied des Geheimen Staatsrats und Sonderbeauftragten in wichtigen Reichsangelegenheiten machte. Ebenso ist es bei Marco Polo offensichtlich nicht Byzantinismus, sondern Ausdruck seiner ehrlichen Überzeugung, wenn er den Groß-Khan nicht nur als den reichsten und mächtigsten Herrscher des Erdkreises schildert, sondern auch als den wahrhaft weisen und hervorragenden Menschen, dem kraft seiner Persönlichkeit das Recht zukommt, über ungezählte Millionen zu herrschen.Fast feierlich wird Marco, als er zum ersten Male von ihm spricht: „Nun komme ich zu dem Teil unseres Buches, in dem über die Größe und Herrlichkeit des jetzt regierenden Groß-Khans berichtet werden soll. Sein Name ist Kublai Khan. Khan ist sein Titel, der bedeutet ‚Herr über alle Herrscher‘ oder auch ‚Kaiser‘. Er hat gewisslich ein Recht auf diesen Titel, denn wie jedermann weiß, ist er nach Zahl der Menschen und Länder, die er beherrscht, wie auch durch seine Schätze der mächtigste Herrscher, der in der Welt lebt oder seit Adams Zeiten gelebt hat. Wenn man alle Christen der Welt mit ihren Kaisern und Königen zusammen nimmt und dann zu der gesamten Christenheit noch alle Sarazenen hinzufügt, so haben sie insgesamt noch nicht so viel Macht wie dieser einzige Kublai Khan.“Marco nahm begierig alles in sich auf, was er von den Gewohnheiten des Herrschers, den Sitten der Tataren und anderen Einwohnern des Reiches, den Verwaltungs- und Regierungsgeschäften in Erfahrung bringen konnte. In kurzer Zeit beherrschte er mehrere Sprachen, die am Hofe gesprochen wurden, vier davon auch schriftlich. – Bei verschiedenen Gelegenheiten hatte er gemerkt, dass der Herrscher über die Berichte seiner Gesandten und Beauftragten, die aus den verschiedensten Teilen des Reiches oder den angrenzenden Ländern zurückkamen, oft sehr ärgerlich wurde. Er nannte sie Narren und Tölpel; sie verstünden immer nur von ihren trockenen Dienstgeschäften zu berichten, schienen aber nichts von den Merkwürdigkeiten und Gewohnheiten all der Völker und Menschen zu sehen, denen sie auf ihren Reisen begegnet waren. Für Marco, der einen stets wachen Instinkt, geradezu eine Witterung für solche Dinge hatte, war es ein leichtes, nach seiner ersten Reise in der gewünschten Weise zu berichten. Der Herrscher war darüber sehr erfreut und sagte ihm eine große Zukunft voraus.Siebzehn Jahre lang blieb Marco nun im Dienste des Groß-Khans. Meist war er auf Reisen in dessen Auftrag, manchmal auch in privaten Geschäften. Er gewann die Zuneigung, ja Liebe Kublai Khans immer mehr und wurde öfter mit höchst gewichtigen Missionen betraut. Wenn er in der Residenz war, behielt ihn der Khan stets in seiner engsten Umgebung; es konnte nicht ausbleiben, dass er dadurch Neid und Eifersucht zahlreicher Würdenträger am Hofe erregte. „So kam es“, schließt Marco das Kapitel, „dass Marco Polo mehr Länder der Welt zu sehen bekam als irgendein anderer Mensch.“ Über die äußere Erscheinung Kublai Khans macht Marco nur wenige Angaben. Die Charakterisierung menschlicher Individualitäten – sei es nun die eigene oder die von Fremden – ist nicht seine Stärke. „Der Groß-Khan ist gut gewachsen, von mittlerer Größe, mäßigem Leibesumfang und wohlgestaltet an allen Gliedern. Er hat eine helle Gesichtsfarbe, von leichtem Rot überzogen wie der liebliche Schein der Rose, was seinem Wesen viel Anmut verleiht. Seine Augen sind dunkel und klar, die Nase wohlgeformt.“Weit ausführlicher, viele Seiten seines Buches füllend, schildert Marco das Privatleben des Herrschers und das Leben am Hofe. Kublai Khan hatte vier legitime Frauen. Sie führten alle den Titel Kaiserin, jede hatte ihre eigene kostspielige Hofhaltung. Daneben hat er aber auch eine große Anzahl von Konkubinen. Der Tatarenstamm Ungrat ist bekannt für die Schönheit seiner Frauen. Jedes Jahr werden hier hundert der schönsten Mädchen ausgesucht. Zunächst übergibt man sie einigen älteren Damen im Kaiserpalast zur Betreuung. Die Mädchen müssen nun in den Räumen dieser Palastdamen schlafen; dabei wird festgestellt, ob sie einen reinen Atem haben, nicht schnarchen und gesund an allen Gliedern sind. Dann erst werden diejenigen, die alle Proben überstanden haben, zur Bedienung des Kaisers bestimmt. „Jeweils sechs von ihnen übernehmen den Dienst für drei Tage und drei Nächte. Sie warten ihm in seinen Privatgemächern auf, und wenn er zu Bett geht, stehen sie ihm jederzeit und in jeder Weise zur Verfügung.“Der Herrscher scheint sich jedoch keineswegs mit den Schönheiten dieses Stammes begnügt zu haben. Wie Marco an anderer Stelle berichtet, schickt er Beamte in verschiedene Provinzen, die bei der Auswahl der Mädchen eine regelrechte Schönheitskonkurrenz veranstalten. Die Beauftragten versammeln bei ihrer Ankunft alle Mädchen der Provinz um sich, und zwar in Anwesenheit von besonders für diesen Zweck bestimmten Taxatoren. „Die legen sehr sorgfältig die Punktzahl fest, die jedes Mädchen für sein Haar, die Gesichtsfarbe, Augenbrauen und Mund, die Lippen und das Verhältnis aller Glieder zueinander bekommt. Sie setzen die Gesamtwertung der einen mit sechzehn, anderer mit siebzehn, achtzehn oder zwanzig Punkten fest, jeweils entsprechend der Gesamtsumme ihrer Vorzüge oder Nachteile.“Die großen Feste am Hof des Kaisers werden von Marco mit nie ermüdender Ausführlichkeit geschildert. Die Tafel des Herrschers bei einer solchen Festlichkeit sieht so aus: Der Tisch des Groß-Khans ist ein gutes Stück über alle übrigen erhaben. Er selbst sitzt am Nordrand der Halle und blickt nach Süden. Links von ihm sitzen seine Gemahlinnen, rechts seine Söhne und Neffen und wer sonst königliches Blut hat, aber viel tiefer, so dass ihre Köpfe in einer Höhe mit des Kaisers Füßen sind. An noch tieferen Tischen sitzen dann die sonstigen Großen des Hofes. Alle Tische sind so aufgestellt, dass der Kaiser sie vom einen Ende der Halle bis zum anderen übersehen kann, so viele es auch sind.Mehrere hohe Hofbeamte bedienen den Groß-Khan bei Tisch. Sie haben Mund und Nase mit einer seidenen Serviette verbunden, damit ihr Atem nicht mit den Speisen und Getränken in Berührung kommen kann. Wenn der Herrscher trinken will, schlagen die Harfenspieler und andere Musikanten, die in großer Zahl zugegen sind, ihre Instrumente an. Auf dieses Zeichen fallen die Hofherren und alle sonstigen Anwesenden auf die Knie und machen eine tiefe Verbeugung. Dann erst trinkt der Kaiser. Das ganze Zeremoniell wird wiederholt, so oft er zum Becher greift.Die besondere Leidenschaft des Groß-Khans gilt der Jagd. Er hat dazu zahlreiche wilde Tiere wie Luchse, Leoparden und angeblich sogar Tiger dressieren lassen. Ferner besitzt er Tausende von Falken, Sperbern und Habichten, die zur Beize abgerichtet sind. Bei der Schilderung einer Jagdszene entschlüpft Marco die fast schüchtern vorgebrachte Bemerkung, dass der Hohe Herr erheblich an Gicht leidet. Der Kaiser sitzt oder liegt auf der Jagd in einem aus Holz geschnitzten zierlichen Pavillon, der manchmal auf dem Rücken von nur einem, mitunter aber auch auf vier zusammengeketteten Elefanten ruht. „Das Innere ist mit goldenem Tuch ausgeschlagen, die Außenseite ist mit Tigerfellen bedeckt. Diese bequeme Einrichtung ist aber für den Kaiser auf seinen Jagdzügen auch sehr nötig, denn er wird übel von der Gicht geplagt.“Die Frage der Stellung Kublai Khans zur Religion und besonders zum Christentum

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