Forschungsreisen in früheren Jahrhunderten - Band 124 in der maritimen gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski. Jürgen Ruszkowski

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Forschungsreisen in früheren Jahrhunderten - Band 124 in der maritimen gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski - Jürgen Ruszkowski maritime gelbe Buchreihe

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Umgebung schon eine beträchtliche Anzahl nestorianischer Christen. Aus Anlass dieses Festes befahl er ihnen, vor ihm zu erscheinen und das Evangelienbuch mitzubringen. Er ließ es feierlich mit Weihrauch beräuchern, küsste es ehrfürchtig und verlangte dasselbe von allen Großen seines Gefolges. „So macht er es immer bei unseren großen Feiertagen wie Ostern und Weihnachten“, erzählt Marco; das Gleiche tut er freilich auch bei den großen Festen der Mohammedaner, Juden und Buddhisten. Als man ihn nach dem Grunde fragte, antwortete er: „Es gibt vier große Propheten, die in aller Welt verehrt und angebetet werden. Die Christen betrachten Jesus Christus als ihren Gott, die Sarazenen Mohammed, die Juden Moses und die Heiden Sogomombarkhan (Buddha). Ich achte und verehre sie alle vier und bitte, dass derjenige, der in Wahrheit der Größte unter ihnen ist, mir beistehen möge.“ Aber der Groß-Khan ließ dabei wohl erkennen, meint Marco, dass er den christlichen Glauben für den wahren und besten hielt, denn er verlange nichts, – so sagte der Khan, – was nicht gut und heilig sei. Auch wollte der Kaiser auf keinen Fall erlauben, dass die Christen bei ihren Prozessionen das Kreuz vorantragen ließen, weil ein so großer und erhabener Mensch wie Jesus Christus daran gekreuzigt worden sei.Man hat oft gefragt, warum Kublai Khan bei so weitgehender religiöser Toleranz und deutlicher Zuneigung zum Christentum nicht selbst den christlichen Glauben angenommen hat. Marco ist der Ansicht, dass daran allein der Papst schuld sei. Hätte dieser damals bei der Ausreise der Polos die vom Kaiser erbetene Anzahl christlicher Missionare mitgeschickt, so würde der Herrscher mit seinen Untertanen zweifellos zum Christentum übergetreten sein, da er das Verlangen danach oft und deutlich gezeigt habe.Ein nüchterner Beobachter wird heute freilich zu der Überzeugung kommen, dass die religiöse Toleranz des Kaisers wie auch seine Einstellung zum Christentum im Wesentlichen eine politische Angelegenheit war. Wie die Menschen Gott verehren, ist ihm gleichgültig, solange sie nur dem Groß-Khan gehorsam sind. Das war schon die Religionspolitik seiner Vorfahren. Freilich scheint Kublai Khan der erste in dieser Herrscherreihe gewesen zu sein, dem die primitive Religion der Tataren nicht mehr genug war. Wahrscheinlich hielt er anfangs eine weitere Ausbreitung des Buddhismus in der tibetanischen Form für das geeignetste Mittel, um seine Völkerschaften stärker der Zivilisation zuzuführen. Später mag er dann auch ganz ehrlich zu der Überzeugung gekommen sein, dass diese Aufgabe ebenso gut oder besser vom Christentum durchgeführt werden könnte, denen Überlegenheit in vieler Beziehung er anerkannte. Seine Toleranz war nicht Gleichgültigkeit, aber sie entsprang wohl auch nicht einer tieferen religiösen Überzeugung. Sie war ein Stück seiner Politik.* * *Das Wunderland CathayDas Wunderland CathayMarco Polo kennt keinen einheitlichen geographischen oder politischen Begriff China, auch keinen zusammenfassenden Namen für die Chinesen. Wenn er den Namen Cathay gebraucht, so meint er damit das für ihn weitaus wichtigere Nordchina, während das Land südlich des Gelben Flusses Manzi genannt wurde. Wir wissen, dass Marco mindestens zweimal das riesige Reich durchquert hat. Die eine Reise führte ihn von der Hauptstadt Cambaluc – das ist das heutige Peking – tief ins Innere bis Szechuan, Jünnan, Tibet und Ober-Burma, die andere durch die Küstenprovinzen Nord- und Südchinas bis zum südchinesischen Meer. Dazu kommt eine nicht zu übersehende Zahl von kleineren Reisen in Cathay und Manzi, deren Verlauf im Einzelnen wir nur noch teilweise feststellen können. So konnte er sich mit Recht rühmen, besser als alle anderen hohen Beamten des Kaisers das wunderbare Reich der Mitte zu kennen, von dessen Existenz bisher nur ganz unklare Kunde bis nach Europa gedrungen war.Im Winter, von Dezember bis Februar, residiert der Groß-Khan in der Hauptstadt Cambaluc. Dort steht ein großer Palast; Marco nennt ihn eine Sehenswürdigkeit, wie es auf der Welt keine zweite gibt. Die Wände der großen Halle und der zahllosen Zimmer schmücken Drachen in vergoldetem Schnitzwerk, Figuren von Kriegern, Vögeln und allerlei Tieren sowie Darstellungen von Schlachten. Die Fensterscheiben sind durchsichtig wie Kristall.In der großen Halle, die für Gastmähler und Feste bestimmt ist, finden ohne Schwierigkeit sechstausend Personen Platz. Das hohe Dach leuchtet in den verschiedensten Farbtönen wie Zinnober und gelb, grün und blau. Die Falben sind mit einem kostbaren Lack aufgetragen; dadurch erhalten sie besondere Leuchtkraft und verleihen dem Palast, wenn man ihn von weitem sieht, einen schimmernden Glanz. – Der hintere Teil des Hauptpalastes umfasst große Gebäude mit vielen Zimmern, in denen der persönliche Besitz des Kaisers untergebracht ist. Hier liegen auch die Räume der Kaiserinnen und der Konkubinen sowie die privaten Gemächer des Herrschers, wo er in stiller Zurückgezogenheit, vor jeder Störung geschützt, seine Geschäfte erledigen kann.Zwischen der äußeren und der inneren Mauer, die den Palast umgeben, liegt ein Park, dessen Bäume köstliche Früchte tragen. In einem Tiergehege findet man weiße Hirsche und Damwild, Gazellen und Rehböcke, auch Eichhörnchen und Moschustiere. Die Wege sind gut gepflastert und etwas erhöht; so können sie niemals schmutzig werden, und das Regenwasser fließt sogleich von ihnen ab. – Nicht weit von dem Palast ist ein künstlicher Berg angelegt, gut hundert Schritte hoch und vollkommen mit Bäumen bepflanzt, die das ganze Jahr über grün bleiben und niemals ihre Blätter verlieren. Wenn der Kaiser erfährt, dass irgendwo ein besonders schöner oder seltener Baum wächst, lässt er ihn mit dem ganzen Wurzelballen ausgraben und durch seine Elefanten zu diesem Berg schaffen, der überall als der Grüne Berg bekannt ist, denn selbst der Erdboden ist noch mit grünem Mineralgestein bestreut, und oben auf dem Gipfelt steht ein zierlicher grüner Pavillon. Der Zusammenklang von Berg, Bäumen und Gebäude sowie die Abstimmung der Farben ist ganz wunderbar, sagt Marco, und jeder Beschauer ist entzückt.Die Residenzstadt Cambaluc ist die erste chinesische Großstadt, die Marco zu sehen bekommt. Kostbare Waren und seltene Dinge, überhaupt alles, was gut und teuer ist, findet man in keiner Stadt der Welt häufiger und besser als hier. Sie macht einen gewaltigen Eindruck auf ihn, und er wird nicht müde, sie aufs Genaueste zu schildern.Die Innenstadt ist ein vollkommenes Viereck von sechs Meilen Seitenlänge. Sie ist mit Erdwällen umgeben, die unten zehn Schritte breit und ebenso hoch sind. Breite Straßen durchziehen sie schnurgerade, so dass man trotz der großen Entfernung von einem Ende bis zum anderen sehen kann. Alle Grundstücke sind rechteckig und von hübschen Seitenstraßen begrenzt. Die Zahl der Häuser und erst recht die der Einwohner – erklärt Marco – ist so gewaltig, dass man es einfach nicht für möglich hält. Es gibt zwölf Stadttore, und vor jedem liegt eine besondere Vorstadt. Sie sind so ausgedehnt, dass in ihnen zusammen mehr Menschen leben als in der eigentlichen Innenstadt. In den Vorstädten befinden sich auch viele schöne Gasthöfe. Besucher aus dem Ausland müssen in dem jeweils für ihr Land bestimmten Gasthaus Wohnung nehmen; so ist der Fremdenpolizei die Arbeit sehr erleichtert.Von allen Merkwürdigkeiten, die Marco in Cathay zu sehen bekommt, beschäftigt ihn am meisten das Papiergeld, das dort schon seit Jahrhunderten in Gebrauch war. Der Groß-Khan ist wahrhaft im Besitz des Steines der Weisen, meint er, da er die Kunst versteht, auf solche Weise Geld zu machen.Grafik 156Zur Herstellung gebraucht man den feinen Bast, der sich zwischen der rauen Borke und dem eigentlichen Holz des Maulbeerbaumes befindet. Das daraus gewonnene Papier ist ganz schwarz. Es wird in Stücke von verschiedener Größe zerschnitten, meist quadratisch, zuweilen etwas länger als breit. Das kleinste gilt einen Pfennig, das nächstgrößere einen venezianischen Silbergroschen, und so geht es weiter bis zu Scheinen im Werte von zehn Goldbyzantinen. Auf jedes einzelne Stück schreiben mehrere Beamte, die besonders dazu angestellt sind, ihren Namen und drucken ihren Stempel darauf. Schließlich taucht der oberste Münzmeister das allein ihm anvertraute Siegel in Zinnober und drückt es auf das Papierstück. Damit ist der Geldschein gültig. Jeder, der einen solchen Schein nachzumachen versucht, wird mit dem Tode bestraft.Mit diesem Papiergeld werden alle Zahlungen für den Kaiser geleistet. Er verschafft ihm allgemeine Gültigkeit, soweit seine Macht reicht. Niemand wagt es – bei Gefahr für sein Leben – diese Scheine abzulehnen. Man kann darum mit ihnen alle Geldgeschäfte ebenso gut abwickeln, als ob es Münzen aus reinem Gold wären. Dabei sind sie so leicht, dass die Scheine im Wert von vielen Goldbyzantinen noch nicht einmal das Gewicht einer einzigen kleinen Goldmünze haben.Zur Aufrechterhaltung des Wertes dieser Papierwährung wird vom Khan eine strenge Außenhandelskontrolle durchgeführt. Kaufleute aus Indien und anderen fremden Ländern, die Gold und Silber, Edelsteine oder Perlen bringen, dürfen all dies nur unmittelbar an den Groß-Khan verkaufen, der dafür zwölf erfahrene Sachverständige hat. Die taxieren die verschiedenen Waren, und der Kaiser zahlt dann einen reichlichen Preis dafür in Papiergeld. Die fremden Kaufleute nehmen dies auch bereitwillig an, denn von niemand anderem würden sie so viel bekommen, und sie können mit den Scheinen nun im ganzen Reiche alles

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