Forschungsreisen in früheren Jahrhunderten - Band 124 in der maritimen gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski. Jürgen Ruszkowski

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Forschungsreisen in früheren Jahrhunderten - Band 124 in der maritimen gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski - Jürgen Ruszkowski maritime gelbe Buchreihe

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Prozent einen neuen Schein ausgehändigt.Ein großartig organisiertes Verkehrswesen verbindet die entlegensten Teile des Reiches miteinander und ermöglicht Reisegeschwindigkeiten über große Entfernungen, wie sie damals im Abendland kaum bekannt waren. An allen großen Hauptstraßen findet man in Abständen von etwa dreißig Meilen Rasthäuser mit vielen Zimmern und allen Bequemlichkeiten. Auf jeder dieser Stationen wird stets eine Anzahl Pferde in Bereitschaft gehalten, so dass die Kuriere des Kaisers ihre müden Tiere sofort durch frische ersetzen können. Zwischen diesen Rasthäusern gibt es in weit kürzeren Abständen kleinere Stationen, die sind für die Laufkuriere des Herrschers bestimmt. Diese Eilboten tragen einen mit Schellen besetzten Gürtel, damit man auf der nächsten Station ihr Kommen schon von weitem hören kann. Durch diese Schnell-Läufer erhält der Kaiser Neuigkeiten von einem hundert Tagereisen entfernten Ort in nur zehn Tagen, und oft geschieht es, dass in der Erntezeit Früchte, die am frühen Morgen in Cambaluc gepflückt wurden, schon am Abend des folgenden Tages an der Tafel des Groß-Khans in Ciandu gereicht werden, obwohl die Entfernung zwischen beiden Orten allgemein als zehn Tagereisen angegeben wird.Ein so leistungsfähiges Verkehrswesen erfordert in dem riesigen Reich naturgemäß den Aufwand von enormen Mitteln. Mehr als zehntausend Poststationen mit allen Einrichtungen sind zu unterhalten, auf denen insgesamt rund dreihunderttausend Pferde jederzeit zur Verfügung stehen. Die Menge der Menschen, die direkt oder mittelbar für das Verkehrswesen nötig sind, ist kaum abzuschätzen, und Marco grübelt lange darüber nach, woher diese ungeheuren Menschenmengen kommen, die der Staat für den Postdienst wie für alle anderen Verwaltungszweige braucht: „Wenn man fragt, wie es möglich ist, dass die Bevölkerung des Landes die genügende Menge Menschen für diesen Dienst stellen und ernähren kann, so ist zu erwidern, dass alle Götzendiener, aber auch die Sarazenen, je nach ihren Verhältnissen sechs, acht oder zehn Weiber haben, von denen sie viele Kinder bekommen, einige von ihnen wohl dreißig Söhne. Bei uns dagegen hat ein Mann nur eine Frau, und wenn sie unfruchtbar ist, muss er doch mit ihr sein Leben zubringen und ist dann des Glückes beraubt, eine Familie aufzuziehen. Daher kommt es, dass unsere Bevölkerung so viel geringer ist als die ihrige.“* * *Kinsay – die Stadt des HimmelsKinsay – die Stadt des HimmelsNirgends tritt uns das farbige Leben des Fernen Ostens eindringlicher entgegen als in den Schilderungen, die Marco Polo von dem Gewimmel der Schiffe auf den großen Strömen und dem ameisenhaften Getriebe in den zahllosen Städten Chinas gibt. Fast mehr noch als Cambaluc, die Hauptstadt von Cathay, begeistert ihn die Stadt Kinsay, heute Hang-Tschou, die damals eine der größten Städte der Welt war. Sie liegt südlich der Mündung des Jang-tse-kiang und war früher die Residenz der Herrscher von Südchina (Manzi), bis Kublai Khan das Land eroberte. Marco betont, dass er die Stadt oftmals besucht und alles Sehenswerte sorgsam notiert habe. Diese Aufzeichnungen benutzte er später bei der Schilderung der Stadt, übrigens eines der glänzendsten Kapitel des ganzen Buches.Kinsay, dessen Name nach Marco „Stadt des Himmels“ bedeuten soll, hat einen Umfang von hundert chinesischen Meilen. Es gibt darin etwa zwölftausend Brücken; viele davon sind so hoch, dass selbst große Schiffe mit ihren mächtigen Masten darunter durchfahren können. Die große Zahl ist begreiflich, wenn man sieht, dass fast die ganze Stadt — ähnlich wie Venedig — im Wasser steht, so dass zahllose Brücken nötig sind. Am Rande der Stadt liegt ein See, der hat etwa dreißig Meilen Umfang. An seinen Ufern findet man schöne Herrschaftssitze, auch viele buddhistische Klöster und Tempel. Die größte Sehenswürdigkeit ist ein prächtiger Palast, in dem der frühere König von Manzi Hof zu halten pflegte. Hier lebte er mit der Königin und tausend jungen Frauen, die zum Hofstaat gehörten. Oftmals besuchte er mit einigen dieser Frauen den See oder die herrlichen Gärten am Ufer, in denen er Gehege mit Antilopen, Hirschen, Hasen und anderen Jagdtieren hielt. Keine männliche Person außer dem König durfte bei diesen Lustpartien zugegen sein. Die Damen, die teils im Wagen fuhren, teils zu Pferde ritten, waren wohl geübt, mit Jagdhunden die Tiere in den Wildgehegen zu hetzen. Wenn sie ermüdet waren, zogen sie in den Hainen am Ufer ihre Kleider aus, sprangen ins Wasser und planschten ausgelassen darin herum; der König sah amüsiert zu. Aber dies Leben führte für ihn zu keinem guten Ende, wie Marco berichtet: „So brachte er seine Zeit hin unter den entnervenden Reizen seiner Frauen und in völliger Unkenntnis des Kriegshandwerks. Die Folge davon war, dass seine Weichlichkeit und seine Feigheit dem Groß-Khan erlaubten, ihn seiner glänzenden Herrschaft zu berauben und ihn schmachvoll vom Throne zu jagen.“Man zählt in der Stadt zehn große Marktplätze außer den zahllosen Geschäften. Dort versammeln sich dreimal in der Woche vierzig- bis fünfzigtausend Menschen, die am Markte teilnehmen und ihn mit allen möglichen Waren versehen. Da gibt es Überfluss an Wild jeder Art, Rehböcke, Hirsche, Hasen, Kaninchen, dazu Rebhühner, Fasane, Haselhühner, Schnepfen, Kapaune und eine unvorstellbare Menge von Enten und Gänsen; denn die sind am See so leicht zu erlegen, dass man für einen venezianischen Silbergroschen ein Paar Gänse und zwei Paar Enten kaufen kann. Vom Ozean, der fünfzehn Meilen entfernt ist, kommen täglich große Mengen frische Fische, desgleichen aus dem See. Wer die riesige Zufuhr von Fischen sieht, hält es für unmöglich, dass derartige Mengen verkauft werden können, und doch sind sie im Verlauf weniger Stunden abgesetzt. So groß ist die Zahl der Einwohner und besonders der Leute, die sich solchen Luxus leisten können, denn Fisch und Fleisch werden bei jeder Mahlzeit gegessen.In gewissen Straßen leben die öffentlichen Kurtisanen. Deren Zahl ist so groß, sagt Marco, dass er sie gar nicht anzugeben wagt. Sie zeigen sich stets prächtig gekleidet, sind stark parfümiert und wohnen in schön eingerichteten Häusern, umgeben von zahlreichen Dienerinnen. „Diese Frauenzimmer sind außerordentlich erfahren in allen Raffinements der Verführung. Fremde, die einmal ihre Reize genossen haben, werden davon geradezu verhext und so gefangen von ihren buhlerischen Künsten, dass sie den Eindruck nie vergessen können. In ihrer Heimat erzählen sie dann, sie seien in Kinsay tatsächlich in der Stadt des Himmels gewesen, und sie wünschen nichts sehnlicher, als so bald wie möglich wieder in dieses Paradies zurückzukehren.“Es sind jedoch keineswegs nur die großen Städte, die Marco Polo interessieren, überall auf seinen Reisen, ganz besonders auf der großen Expedition, die ihn bis in die Provinz Yünnan und sogar nach Tibet führte, findet er zahllose bemerkenswerte Dinge zu berichten.So haben die Einwohner von Zardandan in West-Yünnan die Gewohnheit, ihre Zähne mit einem goldenen Überzug zu versehen, der für jeden passend angefertigt wird. Die Männer pflegen ferner ihre Arme und Beine mit schwarzpunktierten Bändern und Streifen zu verzieren. Dazu binden sie fünf Nadeln zusammen und drücken sie ins Fleisch, bis das Blut herausquillt. Dann reiben sie in die punktierten Stellen schwarzen Farbstoff hinein, der nun nie mehr auszulöschen ist. Sie betrachten diese schwarzen Streifen als eleganten Schmuck und ein Zeichen von Vornehmheit, überhaupt geben sich die Männer in diesem Lande alle als feine Herren. Sie haben nichts anderes im Sinn als Reiten, Jagen und kriegerische Übungen. Die Frauen dagegen und die Sklaven müssen alle wirklichen Arbeiten verrichten.Noch einen anderen höchst eigentümlichen Brauch findet Marco bei den Leuten in der Provinz Zardandan: das Männerkindbett (Couvade). „Wenn dort eine Frau von einem Kind entbunden worden ist, wird der Säugling gewaschen und gewickelt, und dann geht die Mutter sogleich wieder ihrer gewohnten Arbeit im Haushalt nach. Der Mann dagegen legt sich mit dem Kinde ins Bett; das tut er vierzig Tage lang. In dieser Zeit besuchen ihn alle seine Freunde und Verwandten, um ihn zu beglückwünschen. Das macht man dort so, weil die Frau – wie sie sagen – mit der Geburt eine schwere Zeit hinter sich hat, so dass es nur gerecht sei, dass nun auch der Mann seinen Anteil am Leiden habe.“In Tibet schließlich lernt Marco absonderliche Gebräuche kennen, von denen er unbedingt berichten muss: „Die Leute in diesem Lande mögen kein Mädchen heiraten, das noch Jungfrau ist, sondern sie verlangen, dass es vorher Umgang mit anderen Männern gehabt hat. Das – so versichern sie – sei den Göttern wohlgefällig. Sobald eine Karawane mit Kaufleuten angekommen ist und die Zelte für die Nacht aufgeschlagen sind, kommen die Mütter mit ihren heiratsfähigen Töchtern an diesen Platz. Sie streiten untereinander um den Vorzug und bitten die Fremden, ihre Tochter zu nehmen und sich ihrer Gesellschaft zu erfreuen, solange sie in der Gegend sind. Natürlich werden die Mädchen gewählt, die sich durch ihre Schönheit auszeichnen, und die anderen gehen unzufrieden und ärgerlich nach Hause.“ Von dem Mann wird erwartet, dass er dem Mädchen, mit dem er sich vergnügt hat, einen Ring oder ein anderes kleines Geschenk zurücklässt, irgendetwas, das es später als Andenken an den Liebhaber zeigen kann, wenn es zum Heiraten kommt. Das Mädchen, das die meisten vorzeigen und damit beweisen kann, dass die Männer besonders hinter ihm her waren, wird vor allen anderen zur Heirat begehrt.

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