Der Gefangene im Kaukasus. Лев Толстой
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der Gefangene im Kaukasus - Лев Толстой страница 2
Schilin war nicht von großem Wuchs, aber tapfer. Er zog seinen Säbel und wandte das Pferd gerade dem Tataren entgegen, indem er sich sagte: Entweder werde ich ihn überreiten oder mit dem Säbel vom Pferde herunterhauen!
Aber das Pferd brachte Schilin nicht mehr weiter. In seinem Rücken fielen Schüsse, sein Pferd wurde getroffen, stürzte nieder und Schilin lag mit einem Fuß unter dem Pferd.
Bevor er sich erheben konnte, hatten ihn schon zwei Tataren ergriffen und hielten ihm die Hände auf den Rücken. Er raffte sich auf und warf die beiden zurück. Inzwischen aber waren noch drei der Feinde herangekommen, welche ihn mit Kolbenstößen auf den Kopf niederschlugen. Es wurde ihm dunkel vor den Augen und er taumelte. Jene nahmen von ihren Sätteln Stricke, mit denen sie ihm die Hände auf den Rücken mit einem tatarischen Knoten banden. Die Stricke befestigten sie dann an einem Sattel. Seine Mütze wurde ihm vom Kopf gerissen, die Stiefel ausgezogen, alle Taschen durchsucht, Geld und Uhr ihm abgenommen und die Kleider zerrissen. Schilin sah sich nach seinem Pferde um. Dasselbe war vergeblich bemüht, sich aufzurichten; es fiel auf die Seite und blieb liegen. Die Stirn zeigte eine Wunde, aus der sich ein Strom von Blut ergoß; eine Arschina im Umkreis war der Staub des Weges von dem Blut gerötet.
Einer der Tataren ging zu dem gefallenen Pferde und machte sich daran, den Sattel abzunehmen. Das Pferd schlug noch immer um sich. Da ergriff er seinen Dolch und stieß ihn dem Tier in die Kehle. Keuchend streckte das Pferd die Beine von sich und lag regungslos da.
Sattel und Riemenzeug nahmen die Tataren mit sich. Der Rotbärtige bestieg wieder sein Pferd, die anderen hoben Schilin hinter jenem in den Sattel und banden ihn an demselben fest, damit er nicht herabfallen konnte. Dann ging's fort in die Berge.
Während Schilin hinter dem Tataren saß, fiel sein Gesicht jeden Augenblick auf dessen breiten Rücken. Er vermochte nur diesen und den kräftigen glattrasierten bläulichen Nacken des Feindes zu sehen unter einer braunen Mütze von Lammfell. Schilin war am Kopfe verwundet, das Blut floß ihm über die Augen herab; er vermochte weder seinen Sitz zu verändern noch das Blut abzuwischen, so fest waren ihm die Hände gebunden, daß ihn die Gelenke schmerzten.
Lange währte dieser Ritt von Berg zu Berg. Sie passierten ein angeschwollenes Flüsschen und gelangten dann auf eine Straße, welche zwischen zwei Hügeln dahinführte. Schilin versuchte, sich den Weg zu merken, auf welchem er entführt wurde; doch seine Augen waren mit Blut überschwemmt und er vermochte nicht, sich zu rühren. Schon begann es zu dunkeln; wieder setzten sie über einen Fluß, dann ging es einen steinigen Berg hinan, und Rauch stieg auf, Hunde bellten, sie hatten einen Tatarenaul erreicht.
Man hob Schilin vom Pferde herab; ein Haufen von Kindern sammelte sich und umringte neugierig den Gefangenen, den sie unter Triumphgeschrei mit Steinen bewarfen. Der rotbärtige Krieger jagte die Kinder fort und rief nach einem Knecht. Ein Nogajer mit hervortretenden Backenknochen zeigte sich in blauem Hemd, welches zerrissen war und seine ganze Brust entblößt ließ. Auf einen Befehl seines Herrn brachte der Nogajer einen Fußblock herbei, einen Holzklotz mit zwei eisernen Ringen, an deren einem ein Schloss angebracht war.
Schilin wurden die Hände losgebunden, dafür aber der Fußblock angelegt und er danach in eine Scheune gebracht, deren Tür man hinter ihm verschloss. Er fiel auf Pferdedünger. Eine Zeitlang lag er unbeweglich wie besinnungslos, dann suchte er, in der Dunkelheit umhertastend, sich einen besseren Platz, auf dem er sich ausstreckte.
II.
Fast während der ganzen Nacht fand Schilin keinen Schlaf. Die Nacht war kurz in dieser Jahreszeit. Durch eine Ritze gewahrte er, wie der Tag anbrach; er stand auf, stellte sich dicht an die Spalte und blickte hinaus. Er entdeckte einen Weg, der längs des Berges hinführte, an demselben eine tatarische Saklja1, neben welcher zwei Bäume hervorragten. Ein schwarzer Hund lag auf dem Wege und eine Ziege sprang mit ihren beiden Jungen schweifwedelnd vorüber. Weiterhin sah er eine junge Tatarin den Berg herabsteigen. Sie trug ein buntes Hemd, mit Gürtel, Beinkleider und Stiefel und auf dem Kopf ein großes, blechernes Wassergefäß. Mit raschen tänzelnden Schritten kam sie näher und führte an der Hand einen kleinen Knaben in rotem Hemd, mit geschorenem Kopf. Sie trug das Wasser in die Hütte, aus welcher gleich darauf der von gestern her bekannte rotbärtige Tatar trat. Dieser trug jetzt einen seidenen Halbrock und an einem Riemen einen silbernen Dolch, Schuhe an den bloßen Füßen, auf dem Kopf eine hohe schwarze Lammfellmütze, welche sich nach hinten zurückbog. Er gähnte, strich sich den roten Bart, gab seinem Diener verschiedene Aufträge und entfernte sich. Dann ritten zwei Knaben auf Pferden vorbei in die Schwemme. Noch einige Knaben liefen vorbei mit geschorenem Kopfhaar und nur mit einem Hemd bekleidet. Der ganze Trupp näherte sich der Scheune, dann nahmen sie eine Stange und stießen diese durch die in der Wand befindliche Ritze. Schilin antwortete mit einem drohenden Brummen, worauf sie eiligst davonliefen und dabei ihre glänzenden nackten Knie zeigten.
Schilin empfand heftigen Durst; seine Kehle war wie ausgetrocknet, und mit Ungeduld wartete er, daß jemand käme, um nach ihm zu sehen. Endlich vernahm er, wie die Scheune aufgeschlossen wurde. Der rotbärtige Tatar erschien in der Tür und neben ihm ein anderer von kleinerer Gestalt und dunkler Gesichtsfarbe. Er hatte glänzende schwarze Augen, einen schwarzen kurzgeschorenen Bart und ein heiter lachendes Gesicht. Der Dunkle war auch besser gekleidet, er trug einen blauseidenen Halbrock mit Goldborten verziert; im Gürtel führte er einen großen silbernen Dolch, die Füße waren mit roten silbergestickten Saffianschuhen bekleidet, über welche andere dickere Schuhe gezogen waren, und der Kopf war mit einer hohen weißen Lammfellmütze bedeckt.
Der Rotbärtige trat ein, sprach einige Worte, die wie Schimpfworte lauteten, und blieb stehen; auf einen Querbalken gestützt und mit seinem Dolche spielend, sah er mit bösem Wolfsblick nach dem Gefangenen.
Der Dunkle aber, welcher sich beständig lebhaft und so beweglich zeigte, als wenn er Sprungfedern in sich hätte, trat auf Schilin zu, ließ sich neben ihm auf die Fersen nieder und klopfte ihm unter breitem Lachen auf die Schulter, indem er einige Worte in seiner Sprache wiederholte. Er kniff die Augen zu, schnalzte mit der Zunge und sagte: »Gut Uruss, gut Uruss!«
Schilin, der nichts davon verstand, entgegnete nur: »Trinken! Gebt mir Wasser zu trinken!«
Der Schwarzäugige lachte und wiederholte sein »Gut Uruss!«
Schilin versuchte durch Bewegung von Lippen und Händen anzudeuten, man möge ihm zu trinken geben. Jetzt verstand ihn der Schwarze, er sah zur Tür hinaus und rief laut: »Dina!«
Ein Mädchen kam auf diesen Ruf herbeigelaufen, es war noch kindlich, zart und schwächlich, etwa dreizehn Jahre alt, und seine Gesichtszüge glichen außerordentlich denen des Schwarzen; man sah, es war seine Tochter. Auch sie hatte glänzende schwarze Augen und ein sehr hübsches Gesicht. Ihre Kleidung bestand aus einem langen blauen Hemd mit breiten Ärmeln, aber ohne Gürtel, Bruststück und Ärmel desselben waren mit roter Stickerei verziert; außerdem trug sie Beinkleider und Schuhe und über den letzteren Überschuhe mit hohen Absätzen, um den Hals einen ganz aus russischen Silberrubelstücken gebildeten Schmuck. Ihr Kopf war unbedeckt, die schwarzen Zöpfe waren mit einem Band umwunden, an welchem Verzierungen aus Metallblech und ein russischer Silberrubel befestigt waren.
Der Vater richtete einige Worte an sie; sie eilte hinaus, erschien aber bald wieder mit einem Blechgefäß, aus dem sie Schilin zu trinken gab, indem sie sich gleichfalls neben ihn auf die Erde hockte, so daß ihre Knie die Schultern überragten. So saß sie regungslos und riß verwundert die Augen weit auf, mit denen sie Schilin, während er trank, wie ein fremdartiges Tier anstarrte.
Als ihr Schilin das Gefäß zurückreichte, tat