Wie der Fünfzehnjährige den Krieg überlebte und einer Hoffnung erlag. Gerhard Ebert

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Wie der Fünfzehnjährige den Krieg überlebte und einer Hoffnung erlag - Gerhard Ebert

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hören. Für solche Hilfe war der unschlüssige Sohn außerordentlich dankbar, zumal ihm klar war, dass Vater eigentlich gern gesehen hätte, wenn er in dessen Fußstapfen getreten, wenn er also Färbermeister geworden wäre.

      Allerdings kannte Uwe ziemlich gut, was da auf ihn zugekommen wäre. Er hatte als Bub Vater das Mittagessen in den Betrieb bringen müssen und dort natürlich so in etwa gesehen, was Vati beruflich am Halse hatte. Faszinierend waren die vielen unterschiedlichen Farbtöpfe und –fässer schon, die in seiner mit hellen Fenstern ausgerüsteten Meisterbude herumstanden, und auch die vielen wunderschönen Stoffe, die es immer zu bewundern gab. Toll auch die mächtige schnaufende Dampfmaschine, die über zahllose sich im Betrieb verzweigende lederne Riemen und eiserne Räder diverse hölzerne Wellen in Bewegung hielt, auf denen in großen kochenden Farbbottichen riesige Stoffbahnen wunderbar farbenprächtig gefärbt wurden. Selbst wenn Vati mittags sein bescheidenes Essen mampfte, kamen Arbeiter zu ihm herein, brachten ein Stück Stoff mit, und Vati verglich dann mit irgendwelchen Mustern, wie weit der Farbton stimmte. Wenn nicht, griff er zu einem Löffel und gab dem ehrfürchtig wartenden Arbeiter aus diversen Farbtöpfen in eine Kanne sorgfältig abwägend kleine Portionen, worauf der Arbeiter loszog zu weiterer Verrichtung. Gewiss, das war durchaus faszinierend, aber Uwes Welt war es nicht.

      Vater wusste das, drängte ihn nicht und mühte sich zu helfen. Sein erster Versuch, nämlich bei der Druckerei Pickenhahn in der Leipziger Straße, wo die Zeitung der Stadt gedruckt wurde, war aber leider nicht erfolgreich. Der Chef da schien zwar nicht ganz abgeneigt, aber mit Verweis auf die missliche wirtschaftliche Lage sah er keine Möglichkeit, einen Lehrling einzustellen. Anders dann glücklicherweise bei der kleinen Druckerei Berger ein wenig abseits vom Markt in der verwinkelten Nikolaistraße.

      Der alte Herr Berger, ein schlanker grauhaariger Mann von väterlicher Güte, der im Krieg seinen Sohn verloren hatte, erwog offenbar, einen möglichen Nachfolger für seinen Betrieb auszubilden. Zwar war bei ihm bereits ein Lehrling beschäftigt, aber der hatte schon deutlich gemacht, dass seines Bleibens nicht sei. Wie auch immer, die Perspektive Schriftsetzer schien Uwe durchaus passabel. Es gab da die Möglichkeit, auf die Meisterschule nach Leipzig zu gehen, also selbst, wenn er letztlich in einer Druckerei würde hängen bleiben, müsste Schriftsetzer nicht schon die letzte berufliche Station gewesen sein.

      Doch bis zu solcher Entscheidung würde noch viel Zeit ins Land gehen. Jetzt galt es erst einmal, das Abitur zu bewältigen. Das Fach Latein lag Uwe schwer im Magen. Es konnte das Zünglein an der Waage werden. Also traf sich Uwe mehrmals in der Woche mit Klassenkameraden, die in Latein besser drauf waren, und paukte Vokabeln, vor allem jedoch die Grammatik. Grauenhaft! Während in Englisch und auch in Russisch mit einigermaßen vertretbaren Zensuren zu rechnen war, drohte Latein wirklich zur Katastrophe zu werden. Gegen dieses Fach steckte in Uwe irgendwo eine massive Abneigung. Solch Empfinden kam immer in ihm auf, wenn ihm eine Angelegenheit im Grunde seines Herzens gegen den Strich ging. Bei Latein war das der Fall, weil ja wirklich sonnenklar war, dass er diese tote Sprache im Leben nie ernsthaft brauchen würde. Und Sensation! Wenige Wochen vor dem Abitur erfüllte die Schulleitung Uwes geheimen Wunsch. Latein wurde nicht geprüft! Mit welcher Nachricht ihm ein großer Stein von der Seele genommen wurde.

      17. Eine neue „Flamme“

      Wenn Uwe zuweilen sah, wie selbstverständlich und locker sich Klassenkameraden eine Hübsche anlachten, dann nagte das schlimm an seiner Seele. Irgendwie tröstete er sich damit, dass er ganz offenbar höchst wählerisch war und eben nicht mit jeder ersten Besten loszog. Aber mit neunzehn Jahren nicht wenigstens ein festes Mädchen zum Küssen und Knutschen zu haben, war schon bitter. Und was seinen Penis betraf, so war der, wie ihm schien, zwar mit der Art zufrieden, mit der er ihn gelegentlich behandelte, aber die wahre Liebe war das ganz und gar nicht.

      Immerhin: Eines Tages hatte Uwe wieder einmal ein hübsches Mädchen im Kopf. Am Ostersonntag war er mit seinem alten Freund Günter Hedrich hinaus spaziert nach Rothenbach in den „Grünen Baum“, einem Ausflugslokal, in dem sonntags Tanz stattfand. Junge Leute aus der Gegend, vor allem aus der Stadt fanden sich dort ein. Und meist war in dem Saal ein ziemliches Gedränge. Man musste sehr zeitig kommen, um an der Tanzfläche einen günstigen Platz ergattern zu können.

      Wo man am Abend saß, konnte ja entscheidend sein beim Bemühen um eine hübsche Tänzerin. Saß man an der Tanzfläche, konnte man bei Beginn der Musik sofort nach allen Seiten ausschwärmen und hatte eine gewisse Chance, als erster bei der Auserwählten anzukommen. Ärgerlich, wenn andere schneller waren. Ärgerlich übrigens auch, wenn einem die Schöne einen Korb gab, beispielsweise mit der Behauptung, sie sei schon vorbestellt. Die jungen Damen hatten diese Angewohnheit, nutzten sie wohl auch, um ihnen ungenehme Bewerber abzuweisen. Uwe hatte da durchaus so seine Erfahrungen.

      Diesmal waren die guten Plätze schon alle besetzt, und er und Günter verzogen sich nach der Seite hin in den Anbau, wo die Tische verteufelt eng standen, und man eigentlich von vornherein ziemlich abgemeldet war. Nachdem sie ihr Bier bestellt hatten und der Kellner serviert hatte, saß Uwe denn bei seinem Glas, Freund Günter aber hatte sich schon wieder aufgemacht und streifte irgendwo im Saal herum, plauderte da, flirtete dort. Das konnte ja heiter werden. Uwe versuchte, ruhig zu bleiben und überhaupt erst einmal zu schauen, was denn heute so im Angebot war. In der näheren Umgebung, gut erreichbar also, das stellte er sehr bald fest, war nichts Hübsches zu entdecken.

      Endlich, eine gute Stunde mochte vergangen sein, gewahrte er hinter all dem aufgekommenen Zigarettenqualm ausgerechnet am anderen Ende des Saals ein schlankes Fräulein, dessen aparte Bewegungen ihn sofort irgendwie gefangen nahmen. Erst nach dem zweiten Tanz seiner Entdeckung vermochte er ausfindig zu machen, wo die Hübsche saß. Vorsorglich stand er auf und schlich sich etwas heran. Als der Trompeter loslegte, flitzte er, stand prompt vor der Fremden, machte aufgeregt seine Verbeugung und bat um den Tanz.

      Die Schöne erhob sich, aber nicht für ihn. Sie sei schon vorbestellt, sagte sie, und wandte sich dem Tänzer zu, der sie in überlegener Manier in die Arme nahm und über die Tanzfläche entführte. Innerlich fluchend trat Uwe verbittert den Rückzug an. Eine der anderen jungen Frauen aufzufordern, die ringsum im Saal wartend saßen, kam ihm nicht in den Sinn. Noch einen Korb, wenn er nicht alle Selbstachtung verlieren wollte, durfte er sich so kurz hintereinander nicht holen.

      Als er an seinem Tisch eintraf, hatte sich auch Günter inzwischen wieder eingefunden. Sie blinzelten sich zu, Uwe zuckte vielsagend mit der Schulter, Günter winkte ab als wie: Mann, sei nicht traurig, es gibt noch andere! Uwe hingegen erwog ernsthaft, ob er nicht nach Hause gehen sollte. Günter jedoch stimmte ihn um. Der Abend habe doch erst angefangen, und der weite Weg müsse sich ja auch lohnen. Sie bestellten noch ein Bier.

      Uwe spürte, dass er schon wieder einmal arg frustriert und blockiert war. Während Günter alsbald locker und offenbar ohne irgendwelche Probleme mit Mädels am Tisch das Gespräch suchte - meist saßen an solch einem Tisch bunt durcheinander gewürfelt so sechs bis acht tanzfreudige Damen und Herren, die sich gar nicht kannten -, starrte Uwe in sein Bier und fand nicht einen Einfall, mit dem er die zufällig neben ihm sitzende unbekannte, allerdings ziemlich dicke Nachbarin hätte erfreuen können. Aus einem engen, aber zugleich ziemlich offenherzigen Kleid quoll viel zu viel Fleisch, auch wehte von ihr trotz des Zigarettendunstes im Saal ab und an so viel Schweißgeruch zu ihm hin, dass Uwe eher versuchte, immer wieder unauffällig etwas abzurücken.

      In der großen Tanzpause geschah Unerwartetes. Plötzlich tauchte die schöne Fremde, die Uwe einen Korb gegeben hatte, mit ihrer Freundin auf und setzte sich merklich aufgeschlossen neben Günter. Es stellte sich heraus: Die beiden kannten sich, und verstanden sich offenbar recht gut. Uwe drehte sich das Herz im Leibe herum. Das hatte ihm an diesem Abend gerade noch gefehlt! Fast kam so etwas wie Hass auf Günter in ihm hoch, der ganz offensichtlich mit welcher Frau auch immer stets leichtes Spiel hatte. Eine Qual, jetzt zusehen zu müssen, wie die zwei im Nu mitten in irgendeinem Disput waren, also überhaupt keine

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