Delikatessen weltweit: 99 Spezialitäten, die Sie (lieber nicht) probieren sollten. Julia Schoon
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Fettlöser, Verteiler, Rachenputzer, Absacker. Es gibt viele Kosenamen für den Verdauungsschnaps nach dem Essen. In unserer kollektiven Vorstellung ist es total logisch, nach einer fettigen, schweren Mahlzeit mit Alkohol nachzuspülen. Was beim Hausputz hilft, Fettränder zu beseitigen, sollte doch auch im Magen funktionieren. Gerade die beliebten Obstbrände und klaren Schnäpse tun das aber nicht. Statt das Essen zu verarbeiten, hat der Körper nun erst mal damit zu tun, den Alkohol abzubauen. Es gibt allerdings Ausnahmen – nicht wegen ihrer Umdrehungen, sondern der ätherischen Beigaben: Kräuterliköre zum Beispiel. Und Artischockenlikör.
Wie bitte? Schnaps aus diesem seltsamen Gemüse, von dem kaum einer weiß, wie man es zubereitet, geschweige denn isst? In Deutschland fristet das leckere und gesunde Distelgewächs völlig zu Unrecht ein Schattendasein. Nur bei Menschen, die Gallen- und Verdauungsprobleme haben, sich nach fettem Essen schlaflos im Bett wälzen oder deren Cholesterinspiegel zu hoch ist, gelten sie als Geheimtipp. Allerdings eher in Kapselform als Nahrungsergänzungsmittel. Auch ein großer italienischer Spirituosenhersteller, der seinen Artischocken-Kräuter-Likör schon vor Jahren auf den deutschen Markt brachte, konnte die Schnapsgetreuen nicht zu seiner Wunderwaffe gegen die klassische Kopfleere nach teutonisch-schwerer Mahlzeit bekehren.
Wen wundert’s? Während selbst billiger Obstler oder Grappa zuverlässig eine Schneise bis in den Magen hinunterbrennt (und guter noch feine Aromen mitschickt), macht sich der herbe, bittere Likör unangenehm lange im Mund breit und weckt Erinnerungen an Hustensaft. Bitter, das Stiefkind der Geschmacksfamilie, das die Geschwister Sauer und Scharf und die Lieblingstochter Süß nur ungern mitspielen lassen, hat es nicht leicht bei uns. Da hilft auch nicht der gut gemeinte Rat der italienischen Exporteure, es müsse ja nicht immer la dolce vita sein. Doch, muss es! Das Leben in Deutschland ist auch ohne Artischockengesöff bitter genug! Leider trägt auch das Flaschenetikett, auf dem sich eine jener schuppigen, grün-braunen Kugeln räkelt, weder zum Sexappeal noch zur Coolness des Getränks bei.
In Italien sieht die Sache freilich ganz anders aus. Neben dem Großexporteur gibt es in Norditalien auch traditionsreiche, familienbetriebene Destillerien, die aus den Distelgewächsen Liköre und höherprozentige Spirituosen wie beispielsweise Grappa herstellen. Und wie schrieb eine italienische Frauenzeitschrift so schön? Ein halbes Glas davon, und Sie verdauen selbst Steine. Ein Barkeeper-Team gewann kürzlich sogar einen Cocktail-Wettbewerb der Region Empoli mit ihrer Artischocken-Kreation. Dass sie sich von einem typischen Produkt der Region hatten inspirieren lassen, überzeugte die Jury. Wer Artischocken mag, nur nicht ganz so bitter, kann auch seine eigene Mixtur ansetzen. Man sollte jedoch der Versuchung widerstehen, den Likör zu süß zu machen: Zucker hemmt nämlich wiederum die Verdauung.
Ein Artischocken-Mixgetränk hat es allerdings selbst in Italien nicht sehr weit gebracht – dafür wiederum unter Nachtschwärmern in Deutschland und den USA. Der Funktionsdrink mit dem seltsamen Namen Security Feel Better wirbt damit, Magen und Kopf zuverlässig aufzuräumen. Man kann also ungehemmt bechern und sich auch spät abends den Wanst vollschlagen – wenn man den Drink aus dem praktischen 3-cl-Fläschchen hinterher kippt, fühlt man sich am nächsten Tag wie neu geboren. In Italien wurde sogar damit geworben, der Zaubertrank mache Betrunkene innerhalb kürzester Zeit wieder fahrtauglich. Wenn etwas zu gut klingt, um wahr zu sein, dann ist es das meistens auch.
11 Känguruh: Wildgericht vom roten Kontinent
Name: Kangaroo, Kere aherre
Region: Australien
Verzehr: Gebraten, gegrillt, als Burger, ...
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Aus Australien kommt ein neuer Ernährungstrend, der sich »Kangatarianism« nennt. Anhänger dieser Bewegung ernähren sich vegetarisch, jedoch mit einer Ausnahme: Sie essen auch Kängurufleisch. Ihre Begründung: Kängurus sind einheimische Tiere des australischen Kontinents, die an die dortigen Lebensbedingungen perfekt angepasst sind. Mit ihren Pfoten zertreten sie, anders als Huftiere, nicht die Grasnarbe, sie müssen nicht gefüttert oder getränkt werden und erzeugen nur einen Bruchteil des klimaschädlichen Methangases, das Rinder und Schafe in die Atmosphäre pupsen und rülpsen. Letztere werden in Australien in großem Maßstab gezüchtet und sind dort für über 10 Prozent des Klimagasausstoßes verantwortlich.
Und nicht zuletzt leben Kängurus wild, statt in Mastbetrieben. Sozusagen eine nachwachsende Ressource. Von den rund 60 Arten, die in allen Vegetationszonen des roten Kontinents heimisch sind und vom Mini-Roo, das weniger als ein Kilo wiegt, bis zum 90-Kilo-Kawenzmann reichen, stehen alle bis auf vier unter strengem Schutz. Und auch diese sich üppig vermehrenden Vier dürfen nur von lizensierten Jägern innerhalb festgelegter Quoten geschossen werden. All das mache Kängurufleisch zu einer ethischen Ernährungs-Option, argumentieren die Kängutarier. Allerdings erwischen die Jäger auch immer wieder Muttertiere, deren ein bis zwei Jungen dann als trauriger Kollateralschaden in der Statistik auftauchen.
Die Aborigines essen das Fleisch der Beutelträger bereits seit tausenden von Jahren. Die ersten weißen Siedler machten es ihnen aus Mangel an Alternativen nach, doch als sie sich auf dem Kontinent eingelebt hatten, aßen sie bald wieder das, was sie aus der alten Heimat kannten, und schließlich wurde der Känguru-Verzehr sogar verboten. Das änderte sich auch nicht, als Australien 1959 begann, das Fleisch der einheimischen Hüpfer zu exportieren. Erst 1980 wurde es im Bundesstaat South Australia wieder als Lebensmittel zugelassen und 1993 dann im ganzen Land. In der Zwischenzeit hatte sich das putzige Springtier, das seine Jungen im Bauchbeutel herumträgt, als Markenzeichen Australiens etabliert und als Maskottchen der Fluggesellschaft Qantas Karriere gemacht.
Bis heute werden rund zwei Drittel des Fleisches exportiert, vor allem nach Europa, und einer der größten Abnehmer ist mit rund 6.500 Tonnen jährlich Deutschland. In Australien findet man es in den Kühltruhen nahezu jedes Supermarktes: als dickes Steak oder, bei der Barbecue-Nation besonders beliebt, als Kanga-Banga-Wurst. Denn darüber, ob Kängurufleisch ethisch korrekt ist oder nicht, lässt sich streiten. Fest steht jedoch: Es ist sehr mager und kalorienärmer als beispielsweise Rind- oder Lammfleisch. Es enthält reichlich Eisen, Zink und Eiweiß, aber nur wenige gesättigte Fettsäuren und vor allem keine Antibiotikarückstände, die bei industriell gezüchteten Tieren inzwischen zur Regel geworden sind. Und wie schmeckt es? Die Zubereitung ist nicht einfach, da das Fleisch leicht zäh oder trocken wird. Profis empfehlen daher, es zu marinieren und nicht zu lange zu garen, dann schmeckt es zart und saftig und erinnert an Rindfleisch, allerdings mit einer ganz leichten Wildnote.
In Australien entwickelte sich der Absatz anfangs schleppend. Anscheinend fiel es den Einheimischen schwer, ihr eigenes Nationaltier zu verspeisen. Oder sie mussten an Skippy das Buschkänguru denken, das als Protagonist einer Fernsehserie in den 1960ern ähnlich wie Bambi, Flipper und Fury die Herzen der Aussies eroberte. 2005 schrieb die australische Känguruindustrie daher einen Wettbewerb aus, um einen neuen, unverfänglichen Namen für ihr Produkt zu finden. Die 2.700 Teilnehmer waren überaus kreativ: marsupan, krou oder roujoe wollten sie es gerne nennen, die Humorfraktion schlug jumpmeat (Springfleisch) oder MOM (als Abkürzung für »meat of marsupials«, also: Fleisch vom Beuteltier) vor. Sieger war schließlich: Australus, abgeleitet von Australis, dem lateinischen Wort für Australien. In Deutschland hat sich der Name allerdings nicht durchgesetzt.
12 Porridge: Red’ doch keine Grütze
Name: Porridge, Brochan
Region: Schottland, England
Verzehr: