Delikatessen weltweit: 99 Spezialitäten, die Sie (lieber nicht) probieren sollten. Julia Schoon
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Im Zuge der Rückbesinnung auf regionale Zutaten haben es die Farnspitzen nun auch auf die Menüs der ersten gehobenen Restaurants geschafft. In Neuseeland beispielsweise experimentieren einige Köche mit Produkten, die schon die Ureinwohner kannten. Die Nachfrage ist bereits so groß, dass der Maori-Koch Charles Royal, der schon seit Jahren mit selbst gesammeltem Pikopiko und anderem Busch-Gemüse arbeitet, diese Zutaten nun auch an Kollegen verkauft. Und in Japan ist die Vorfreude auf die Kogomi-Saison so groß, dass sie sogar mit einer eigenen Hello-Kitty-Frühjahrsedition begrüßt wird: Das Kätzchen mit der Schleife am Ohr sitzt inmitten von Schaumstoff-Farnspitzen und lugt zwischen den Kringeln hervor. Entzückend. In Deutschland haben die wilden Kringel noch keine kulinarische Karriere gemacht, dabei wachsen Adlerfarne, die in Asien bevorzugt verspeist werden, auch hierzulande. Und so sind es bislang nur vereinzelt ausgewanderte Koreaner, Japaner oder Chinesen, die im Frühjahr in unseren Wäldern sammeln gehen.
19 Granita: Schneematsch zum Frühstück
Name: Granita
Region: Sizilien, Italien
Verzehr: Gefroren
(c) Alf Altendorf unter CC Lizenz
Auf den ersten Blick scheint es dasselbe Getränk zu sein, das in Nordamerika so omnipräsent ist wie die Tankstellen und Fast-Food-Ketten, die sie verkaufen: Es handelt sich um einen sogenannten »gefrorenen Drink«, der im Land der unbegrenzten Geschmacksrichtungen zum Beispiel mit Erdbeer-, Orangen- oder Zitronenaroma verkauft wird. Wonach die eisige, Zunge und Rachen betäubende Pampe, die man kaum durch den Strohhalm geschlürft kriegt, tatsächlich schmeckt, lässt sich nicht genau sagen. Erdbeeren oder echter Orangensaft haben sich vermutlich nicht hinein verirrt. Sonst könnte man den Drink ja auch nicht als easy Rezeptur aus Pulver und Wasser verkaufen, gelingsicher selbst für Thekenpersonal mit zwei linken Händen und verkümmerten Geschmacksknospen. In einer speziellen Maschine mit aquariumähnlichem Aufsatz rotiert die Mixtur dann non-stop um einen unter null Grad gekühlten Zylinder und entwickelt dabei eine Konsistenz wie Schneematsch.
Was dem Eisdrink an Geschmack fehlt, macht er durch Farbe wieder wett: Sein grelles Rot oder schreiendes Grün wird selbst von blinden Kunden zielsicher geortet. Manch einer bleibt vor den Mixarmen, die wieder und wieder und wieder durch die angefrorene Pampe pflügen, auch erst einmal wie hypnotisiert stehen. Auf Hemd oder Hose kleckern sollte man sich das Getränk allerdings nur, wenn man auf Batikmuster in Knallfarben steht. Im Internet finden sich nämlich Anleitungen zum Einfärben von Stoff mit jenem Pulver, das zum Anrühren der beliebten Schneematsch-Getränke verwendet wird – es ist günstiger als das eigentlich dafür gedachte Färbemittel aus der Drogerie. Gerüchten zufolge sollen sich auch schon Rockstars damit eine neue Haarfarbe verpasst haben.
Längst hat das Getränk seinen Siegeszug um die Welt angetreten und ist mittlerweile auch in Geschmacksrichtungen wie Arctic Green Apple oder Berry Blue erhältlich, die nicht einmal mehr so tun als enthielten sie echtes Obst. Wem das alles bekannt vorkommt, wer womöglich sogar schon einmal seine Zunge arktisch Grün gefärbt hat, der sollte nun ja nicht glauben zu wissen, was es mit Granita auf sich hat.
Granita stammt aus Sizilien und damit dürfte auch schon der größte Unterschied klar sein: Kein Italiener, der etwas auf sich hält, verarbeitet in seiner Küche etwas anderes als natürliche Zutaten. Im Zitronen-Granita ist selbstverständlich frisch gepresster Zitronensaft und etwas geriebene Zitronenschale. Und das kräftige Dunkelviolett oder satte Grün anderer Geschmacksrichtungen kommt von den untergerührten Maulbeeren, die vollreif gepflückt wurden (weshalb es diese Geschmacksrichtung auch nur zwei Monate im Jahr gibt), oder von fein gehackten Pistazienkernen. Außerdem gehören ins original sizilianische Rezept: Wasser und, nun gut, Zucker. Basta.
Mit sehr viel Sorgfalt wird die Granita täglich frisch zubereitet, damit sie ihre unvergleichliche Konsistenz erhält: kompakt, denn es darf keine Luft untergerührt werden, feinkörnig und nicht so flüssig wie ihr amerikanischer Verwandter. Sie muss sich gut löffeln lassen, aber auf der Zunge sofort schmelzen. Serviert wird sie auf Wunsch mit einem Sahnehäubchen, das jedoch keinesfalls hineingerührt, nur heruntergelöffelt werden sollte, um das intensive Fruchtaroma nicht zu verfälschen.
Bereits im 9. Jahrhundert soll die Granita in Sizilien erfunden worden sein – allerdings von den Arabern, die die Insel damals erobert hatten. In den Flanken des Ätna gibt es eine mehrere hundert Meter tiefe Grotte aus erkalteter Lava, in der selbst im Sommer Temperaturen wie im Eiskeller herrschen. Hier wurde in früheren Zeiten Schnee gelagert, der im Winter auf den über 3.300 Meter hohen Ätna fiel und der in der Höhle bis in den Hochsommer vorhielt. Irgendwann hatte jemand die clevere Idee, aus dem gepressten Schnee eine mit Zitrone und Zucker verfeinerte Erfrischung zu machen. Auch wenn die Zubereitung heute eine andere ist: Die Idee war so gut, dass die Granita von der sizilianischen Speisekarte seitdem nicht mehr wegzudenken ist und untrennbar zum typischen Start in den Tag dazugehört. Sie hat dort sogar den Espresso, der sonst zum typisch italienischen Blitz-Frühstück gehört, vom Thron geschubst.
Beim Gedanken an Eis kurz nach dem Aufstehen dürfte sich hierzulande den meisten Menschen der Magen zusammenziehen. Wenn aber die Temperaturen schon morgens so hoch klettern wie bei uns bestenfalls an besonders schönen Sommertagen irgendwann am Nachmittag, sieht die Sache schon anders aus. Und damit der Magen wenigstens ein bisschen was zum Verdauen bekommt, gehört zur Granita (die es übrigens auch mit Kaffee- oder Schokoladenaroma gibt) eine Brioche. Wer es nun noch schafft, das süße, weiche Brötchen in die dickflüssige Eispaste zu tauchen und genussvoll zu verspeisen, ist schon ein halber Sizilianer.
20 Klachlsuppe: Suppe vom Fuß, mit oder ohne Knochen
Name: Klachelsuppe
Region: Steiermark (Österreich)
Verzehr: Gelöffelt und gut gekaut
(c) Julia Schoon / Ulla Buschta
Die österreichische Sprache ist der unsrigen so ähnlich, und trotzdem gibt es identische Worte, die etwas anderes bedeuten. Schweinshaxe zum Beispiel. Meint in Deutschland oder zumindest in Bayern, was ja sogar an Österreich grenzt, jenen Teil des Schweinebeins, der zwischen dem ersten und zweiten Gelenk sitzt. Also: vom Fuß her nach oben gezählt. Die Haxe, die in anderen deutschen Bundesländern als Eisbein auf den Tisch kommt, hat also schon einen gewissen Umfang.
Wenn jedoch in einem Rezept für Steierische Klachelsuppe von Schweinshaxeln die Rede ist, meint der Koch den Fuß der Sau. Mitsamt den Zehen. Wo der schon überall herumgelaufen ist, stellt man sich besser nicht allzu bildlich vor – der Begriff Saustall kommt nicht von ungefähr. Aber natürlich werden die Treter gründlich gereinigt, die Fußnägel entfernt und meistens sind sie auch schon rasiert, bevor sie beim Metzger in der Auslage landen. Sollte man in die Verlegenheit geraten, die Borsten selbst entfernen zu müssen, ist laut Klachel-Kochprofis der Einwegrasierer oder eine Rasierklinge die erste Wahl, keinesfalls sollte man jedoch zum Elektrorasierer greifen.
Die rosig-glatten, frisch pedikürten Haxeln werden nun mit fein geschnittenem Suppengrün, gehackter Zwiebel und, je nach Gusto, Lorbeerblättern, Majoran oder