Delikatessen weltweit: 99 Spezialitäten, die Sie (lieber nicht) probieren sollten. Julia Schoon

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Delikatessen weltweit: 99 Spezialitäten, die Sie (lieber nicht) probieren sollten - Julia Schoon

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körperlicher Arbeit nachgingen und oft nur am Wochenende nach Hause kamen. Als Proviant dachten sich ihre Frauen etwas Cleveres aus: Ein Sauerteig-Roggenbrot, das sie mit Fisch und Schweinespeck füllten und mit Dill würzten. Es ist einige Tage haltbar (unangeschnitten sogar mehrere Wochen) und liefert Kohlenhydrate, Proteine und Mineralstoffe.

      Das Brot ist so gut, dass es in der Region sogar ein Volkslied darüber gibt. Darin heißt es: »Wenn du mal wieder viele Sorgen hast, dann brauchst Du keinen Schnaps oder Wein. Kalakukko ist alles, was du brauchst. Es macht dich wieder stark.« Ob die Frauen es sich beim Backen ausdachten oder die derart beglückten Männer spontan in Gesang ausbrachen, ist nicht bekannt.

      Traditionell werden die Fische, meist kleine Maränen aus dem See vor der Haustüre, nur geschuppt und kommen im Ganzen ins Brot. Da es etwa eine Stunde auf hoher Temperatur und weitere drei bis fünf abgedeckt auf niedriger Stufe gebacken wird, sind Kopf und Gräten anschließend so weich, dass sie problemlos durch die Speiseröhre flutschen. Von größeren Fischen, zum Beispiel Barsch, werden jedoch nur die Filets verwendet. Kalakukko schmeckt kalt und warm, man braucht nur ein scharfes Messer und isst es aus der Hand.

      Obwohl es ein Nationalgericht ist, machen sich heute nicht mehr allzu viele Hausfrauen die Mühe, Kalakukko zu backen – und das, obwohl das fertige Produkt im Laden rund 20 bis 25 Euro pro Kilo kostet. Wer vorhat, das Spezialbrot in Finnland zu probieren, sollte am besten auch noch folgende Worte mit auf die Reise nehmen: Muikkukukko – für Kalakukko, das mit kleinen Maränen gefüllt wurde, Ahvenkukko für eine Füllung mit Barsch, Schwein und Reis und Lohikukko für ein Innenleben mit Forelle. Spickzettel sind erlaubt.

      17 Kvas: Russisch Cola, die schäumende Limo aus Brot

       Name: Kvas

       Region: Russland, Ukraine, Belarus, baltische Staaten

       Verzehr: Als Getränk

       17_Kvas_c_dmytrok_800x800 (c) dmytrok unter CC Lizenz

      Welches ist das russische Nationalgetränk? Natürlich Wodka, das weiß doch jeder. Oder? Zumindest im Sommer wird mindestens ebenso viel Kvas getrunken: Eine Limo, die traditionell aus dunklem, altbackenem Brot hergestellt wird, das man in reichlich Wasser einlegt und mit Zucker und Hefe vergärt. Weil sich dabei nur etwa 1 % Alkohol entwickelt, gilt es in Russland als alkoholfreies Getränk, das auch schon kleinen Kindern gut schmeckt.

      Manche sagen, Kvas werde bereits seit mehreren tausend Jahren in dieser Region getrunken. Fest steht, dass die Straßenverkäufer mit ihren kleinen Tankwagen hinter dem Eisernen Vorhang etwa so weit verbreitet waren wie hierzulande der an heißen Sommertagen durch die Straßen bimmelnde Eismann. Durstige Menschen standen Schlange, um sich das leicht bizzelnde, Blasen werfende Gebräu direkt in ihre mitgebrachten Krüge und Kanister füllen zu lassen. Je nach Reifegrad ist der Geschmack süßlich, würzig, säuerlich und/oder herb und Kvas in jedem Fall ein idealer Durstlöscher. Es wird im Sommer aber nicht nur getrunken, sondern auch gegessen: Findige Hausfrauen geben kleingeschnittenes Gemüse, Kräuter, Senf und saure Sahne zu und fertig ist die kalt genossene Okroshka-Suppe.

      Glaubt man dem Volksmund, ist Kvas außerdem so etwas wie ein Allheilmittel. Tatsächlich enthält es lebendige Milchsäurebakterien, Aminosäuren, Vitamine und Mineralien. Je nachdem, wen man fragt, hilft die Gärbrause gegen Verdauungs-, Herz- und Augenprobleme, beim Abnehmen und gegen Müdigkeit, stärkt das Immunsystem und den Zahnschmelz, und wenn man genug davon trinkt, kann man bestimmt auch durch Wände gehen oder zumindest fliegen. Wahrscheinlich bekommt man vom übermäßigen Verzehr aber einfach Dünnpfiff oder Blähungen.

      Mit dem Zerfall der Sowjetunion schien Kvas auszusterben. In Litauen beispielsweise wurden die Hygienebestimmungen verschärft und die unpasteurisierte und daher potenziell verkeimte Limo durfte auf einmal nicht mehr verkauft werden. Stattdessen überschwemmte zuckrige Westbrause den Markt. Der Niedergang dauerte etwa zehn, 15 Jahre an, dann schlug der Patriotismus zurück. An der Spitze der »Anti-Colanizierungs«-Bewegung: Ein russisches Unternehmen, dessen Name übersetzt etwa so viel heißt wie »Nicht Cola«. Die Marketingkampagne war erfolgreich, bald floss wieder Kvas durch russische Kehlen. Und, Ironie der Geschichte, bald darauf auch durch amerikanische. »Dank Kvas konnte ich mein Geschäft vergrößern und vier neue Läden eröffnen. In ein paar Jahren wird es mich zum Millionär machen!«, zitiert ein 2010 veröffentlichter Artikel einen Ladeninhaber aus New York, dem die Kunden wegen der erfrischenden Limo förmlich die Bude einrennen. 20 oder 30 Jahre früher hätte ihm sein flottes Werbesprüchlein »ein tolles Produkt aus Russland« vermutlich den Bankrott beschert. In deutschen Reformhäusern wird seit Anfang der 1980er ein ähnliches Getränk verkauft, das allerdings aus Biozutaten und Quellwasser hergestellt wird und tatsächlich alkoholfrei ist. Massentauglich ist der Gesundheits-Drink damit hierzulande nicht geworden. Vielleicht ändert sich das mit Kvass. Russian Soda, das seit Kurzem in Hessen gebraut wird: Es hat laut Hersteller eine hohe »Mixability« und ist auch »mit Wodka oder Jägermeister ein echter Bringer«. Das wird sich das hippe Partyvolk nicht zwei Mal sagen lassen. Russen werden darüber nur den Kopf schütteln: Entweder Kvas oder Wodka.

      18 Farnspitzen als Gemüse: Wilde Locken auf dem Teller

       Name: Fiddleheads, Pikopiko, Kogomi, Gosarí, Juè-Cài

       Region: Kanada, USA, Neuseeland, Japan, Korea, China, Taiwan

       Verzehr: Blanchiert, als Rohkost

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       (c) Charles Royal / www.maorifood.com

      Auf dem Teller liegen grüne Gemüsekringel in ornamentalen Schnörkeln, die einem irgendwie bekannt vorkommen. Zumindest, wenn man gelegentlich im Wald spazieren geht. Farnspitzen? Kann man die essen? Man kann – allerdings nur einige wenige der etwa 12.000 Arten, die es weltweit gibt, und auch die nur zu einer bestimmten Jahreszeit. Die meisten Arten dieser Millionen Jahre alten Pflanze, die unsere Erde zu Urzeiten als riesige Wälder bedeckte, verursachen Magenschmerzen oder sind giftig, einige stehen auch im Verdacht, Krebs zu erregen.

      In Nordamerika, Neuseeland und einigen südostasiatischen Ländern gelten die zarten Spitzen, bevorzugt vom Straußen- oder Adlerfarn, als Delikatesse. Als eine sehr begehrte noch dazu: Nur die ganz jungen, noch zusammengerollten Blätter sind nämlich essbar und die können auf der Nordhalbkugel nur etwa zwei Wochen pro Jahr geerntet werden – etwa im April oder Mai. Dann in den Wald zu gehen und die erste Portion des Jahres zu sammeln, ist für viele Familien in Asien oder auch Nordamerika eine Frühjahrstradition. In Neuseeland ist die Ernte dank der unterschiedlichen Klimazonen zwischen Ende Juni und Ende Dezember möglich. Und noch etwas macht dieses Wildgemüse zu etwas Besonderem: Bislang wird es nicht kommerziell angebaut. Auch auf den Märkten in den jeweiligen Ländern bekommt man Farnspitzen nur während der sehr kurzen Saison und zu einem entsprechend hohen Preis, den Rest des Jahres muss man mit eingelegter Ware vorlieb nehmen.

      In Nordamerika heißen sie Fiddleheads, Geigenköpfe, weil ihr Aussehen an den Schnörkel am oberen Ende des Streichinstruments erinnert. Schon die Ureinwohner kannten sie als gesundes Gemüse, das nach einem langen Winter die Lebensgeister weckte. Genau wie die Maori in Neuseeland, wo es auch als »Buschspargel« bekannt ist. Sein Geschmack erinnert tatsächlich an das liebste Frühjahrsgemüse der Deutschen: Es hat eine leichte Bitternote und noch etwas Biss, nachdem es blanchiert wurde (da der junge Farn dicht über dem Boden wächst und Keime tragen kann, sollte er zunächst gründlich gewaschen und kurz abgekocht

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