Winfried von Franken. Michael Sohmen

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Winfried von Franken - Michael Sohmen

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seine Gäste. Wenig später erschienen auch seine Kollegen. Richard zeigte zu ihrem Tisch und murmelte etwas, worauf die Anderen ein entsetztes Gesicht zogen, die Köpfe schüttelten und stumm am Tisch vorbeiliefen.

      Die kommenden Tage wurde Winfried gemieden und saß in der Kantine alleine, bis Waldemar - der lange auf einem Einzelplatz bestanden hatte und sich immer weigerte, den Tisch mit Kollegen zu teilen - sich mit den Worten: »Wir Randgruppen müssen zusammenhalten« zu ihm setzte.

      *

      Ein Wochenende war überstanden und am Montagmorgen wurde er von seinem Chef ins Büro gebeten. »Herr Kunze, mir wurde zugetragen, Sie würden Firmengeheimnisse verraten?«

      »Ich? Auf keinen Fall! Es waren Ihre Werkstudenten!«

      »Es ist ihre Angelegenheit, wenn Sie Gäste herumführen. Es gelten bei uns strenge Vorschriften. Zuallererst müssen sie die Besucher genau prüfen und ein polizeiliches Führungszeugnis verlangen.«

      »Aber … es waren doch ihre Gäste!«

      »Werden Sie nicht frech. Das war Ihr Job, also hätten Sie vorab Informationen einholen müssen, wer die Besucher sind!«

      Winfried begann zu zittern. Vor Aggression. Sein Chef bildete sich ein, es wäre die Angst vor der Macht des Vorgesetzten. Er atmete ein paarmal tief ein und aus, dabei spielte er in Gedanken durch, wie tief ein angespitzter Bleistift sich durch die Nase ins Hirn des Vorgesetzten rammen ließe. Er überwand seinen Zorn und antwortete langsam: »Ok. Nächstes Mal …«

      »Herr Kunze, das führt zu einer Abmahnung! Außerdem habe ich von jemandem erfahren, Sie würden sich über Kollegen lustig machen!« Er stand auf und führte eine Art Bauchtanz mit Singsang auf: »Mann, ist der Dick!«, setzte sich wieder und endete: »Sie müssen sich ernsthaft Gedanken über Ihre Zukunft machen! Nur eine Chance haben Sie jetzt noch, verspielen Sie die nicht! Und jetzt verschwinden Sie aus meinem Büro. Ich habe zu arbeiten und sicher haben Sie auch noch irgendwas zu tun.«

      Winfried stand eine Weile wie gelähmt da. Sein Vorgesetzter starrte ihn hasserfüllt an. Als er aus seiner Erstarrung erwachte, hatte sein Chef den Blick längst abgewandt und auf seinem PC das Kartenspiel Solitär gestartet. Er verließ das Büro mit dem Gedanken: Ich bringe ihn um. Nächstes Mal bringe ich ihn um!

      *

      Winfried stand auf der Mainbrücke in der Finanzhauptstadt des dreißigsten Jahrhunderts. Vor ihm erhoben sich gigantische Türme, die sich endlos in den Himmel zu recken schienen. Ein summendes Geräusch drang an seine Ohren und wurde immer lauter. Als er nach oben blickte, sah er riesige Insekten um einen Turm herumschwirren. Eines der Geschöpfe löste sich aus dem Schwarm und flatterte auf ihn zu.

      Er war paralysiert, konnte sich nicht von der Stelle lösen und schien mit dem Boden verwurzelt zu sein. Sein Kollege Waldemar stand in einer glänzenden Ritterrüstung am Brückenrand, setzte eine Taucherbrille auf und rief: »Winfried, wir müssen weg! Es sind fliegende Geistzersetzer! Im Wasser können sie uns mit ihren Strahlen nichts anhaben«, worauf er in den Fluss sprang. Winfried versuchte, ihm zu folgen und tat einen Schritt vorwärts. Es klirrte und ein plötzlicher Schmerz fuhr ihm in den Fuß.

      Er schreckte hoch, die Vision verblasste, das summende Geräusch blieb. Es war sein Wecker. Auf dem Boden lagen Scherben eines Bierglases, das er im Halbschlaf von seinem Nachttisch getreten hatte. Halb benommen räkelte er sich. Welch ein Alptraum!

      Eine Stunde später betrat er sein Büro.

      »Hallo Winfried! Vorhin war dein Chef hier und hat nach dir gefragt.«

      »Was wollte er denn, Burkhart?«

      »Er hat sich erkundigt, wann du üblicherweise bei der Arbeit erscheinst. Ich habe ihm erzählt, du würdest immer um 9 Uhr im Büro auftauchen.«

      »Was hat er gesagt? Soll ich zu ihm kommen?«

      »Nein. Er hat nur nach dir gefragt und sich dann eine Weile vor deinen PC gesetzt. Vor 5 Minuten ist er gegangen.«

      »Merkwürdig.« Er schaltete seinen PC ein, startete einen Virenscanner und rief seine Emails ab. Mein Postfach repräsentiert unsere Gesellschaft im Kleinen. Viel Werbung für unnützes Zeug, das keiner haben will, dachte er, als plötzlich eine Warnung erschien. Ein Überwachungsprogramm sei auf dem Rechner installiert, meldete das Antiviren-System. Flugs startete Winfried ein System zum Entfernen des Übels und dachte erleichtert: Wieder sauber. Hoffentlich. Dankeschön, Chef! Das schreit nach Rache! Er brauste innerlich auf und begann eine Recherche im Internet. Irgendwie muss man öffentlich machen, was hier für ein Spiel läuft! Diese Seite wäre etwas: ›die-dümmsten-Chefs-der-Welt.de‹. Von versteckten Webcams aus den Büros der Chefs gesendet. Live! Mal schauen … witzig, was dieser Idiot hier für ein Gesicht macht, während er sich unbeobachtet fühlt. Köstlich! Genau das Richtige für meinen Chef. Ich muss nur eine versteckte Webcam in seinem Büro installieren. Gehässig lachte Winfried in sich hinein. Im nächsten Moment schreckte er zusammen, als er einen Stich am Hinterkopf verspürte und jemand rief: »Nazi!«

      »Schau dir mal den Index von heute an!« Sein Nachbar, der treffsicher einen Papierflieger an seinen Hinterkopf geworfen hatte, zeigte auf seinen Bildschirm. Der Kollege, mit dem sich Winfried mittlerweile am besten verstand. Ein Widerspruchsgeist und Querdenker. Wie er selbst auch.

      »Was gibt’s, Waldemar?«

      Eigentlich hieß Waldemar mit Vornamen Jorge, war nach eigenen Angaben ausgebildeter Banker und stammte aus Madrid. Die letzte Person, die ihn mit seinem eigentlichen Namen ansprechen wollte, war Teamassistentin Schmitt beim Mittagessen, die beim spanischen Namen so scheiterte, dass sie sich verschluckte, einen Hustenanfall bekam und dem Erstickungstod so nahe war, dass ein Krankenwagen gerufen werden musste, um sie mit Blaulicht in die Notaufnahme zu bringen. Seitdem wagte keiner mehr, seinen Namen auszusprechen.

      Eines Tages erzählte Jorge seinen Kollegen von der Zeit vor Frankfurt, als er infolge der Immobilienkrise und auf der Suche nach einem Job nach Paris gekommen wäre und im Stadtteil Val-de-Marne gelebt hätte. Rainer, der am gleichen Tisch saß, hatte den Namen des Ortes nur halb verstanden und gefragt: »Wie hieß der Ort – Waldemar?« Von selbst hatte sich durchgesetzt, dass Jorge nun Waldemar genannt wurde.

      Womit alle einverstanden waren, nur er selbst ganz und gar nicht. Eines Tages ärgerte er sich derart darüber, dass er seine Kollegen in der Kantine anfuhr: »Ihr seid alle Nazis! Ich spreche euch nur noch mit ›Nazi‹ an!« Von nun an wollte er seinen Tisch mit keinem Kollegen mehr teilen.

      »Ist dir nichts aufgefallen? Der Index fällt und fällt!« Waldemar hielt mehrere Tasten gedrückt und auf dem Monitor wurden zwei Kurven übereinandergelegt. »Schau mal, die grüne Kurve ist der Verlauf dieses Monats, die rote stammt vom Oktober 1929. Fällt dir was auf, Nazi?«

      Winfried, der sich schon daran gewöhnt hatte, so von dem Spanier tituliert zu werden, entgegnete: »Die sind vielleicht ähnlich, aber nicht gleich. Ich weiß schon, worauf du hinaus willst: es wird sich aus dem kleinen Tief eine Weltwirtschaftskrise entwickeln.«

      »Diesmal sieht es wirklich so aus«, setzte Waldemar nach. Seit er im Büro begonnen hatte, sprach er täglich über die drohende Weltwirtschaftskrise.

      *

      Als er am letzten Arbeitstag der Woche verspätet sein Büro betrat, fiel Winfried die gedrückte Stimmung sofort auf. Niemand wechselte ein Wort, alle Kollegen saßen stumm vor ihren Bildschirmen. Er warf einen Gruß in die Runde: »Guten Morgen!«, in der Hoffnung auf irgendeine Reaktion. Die

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