Winfried von Franken. Michael Sohmen
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»Ach so. Deren Komposition ist wirklich beschränkt. Übrigens, es sind sogar fünf Töne. Fast schon zu kompliziert für deine Zielgruppe.«
»Nun ja, Geschmackssache. Und egal, ob vier oder fünf Töne. Hauptsache trivial. Vom Marketingaspekt, genial!« Gernot rückte ein Stück näher und senkte seine Stimme: »Es gibt natürlich auch geheime Strategien, um den Gegner auszuschalten. Verdorbene Sachen einzuschmuggeln, Lebensmittel zu vergiften, Kassierer mit Rechenschwäche in Läden einzuschleusen oder sogar Schläger anzuheuern. Daher stellen die immer mehr Security-Leute ein. Manche Konzerne beauftragen sogar Geheimlogen. Erinnerst du dich an Dagobert?«
Winfrieds Augen leuchteten. Endlich ein Thema, mit dem er glänzen konnte: wenn sich das Gespräch um Geschichte, Kultur oder Verschwörungstheorien drehte. »Der legendäre König der Merowinger? Kürzlich habe ich ein Buch gelesen: ›Der Heilige Gral und seine Erben‹. Darin geht es um eine Geheimloge, die sich auf das Erbe König Dagoberts beruft, den Gral besitzen soll und die Herrschaft über Europa anstrebt. Ein geheimnisumwitterter Orden - die Bruderschaft von Zion - soll im Hintergrund operieren. Es soll Verbindungen mit den Ordensmeistern der Tempelritter gegeben haben, heutzutage mit den Illuminaten. Es wird vermutet …«
»Stopp! Heute bist du wirklich neben der Spur! Den Kaufhauserpresser Dagobert meine ich. Die Kunden bekamen es mit der Angst zu tun, später ging die betroffene Kaufhauskette in Insolvenz. So läuft das heutzutage, Winfried. Nicht immer mit den fairsten Methoden.«
»Und niemand schöpft Verdacht, was im Hintergrund laufen könnte?«
»Man muss jedes Misstrauen und alle Verschwörungstheorien schon im Ansatz ausschließen. Echte Profis vermeiden Risiko. Die setzen alles daran, Leute an Symbole zu binden. Bewusst werden nichtssagende Logos entwickelt, die immun sind gegen jede Interpretation. Keine Ähnlichkeit zu Symbolen im Zusammenhang mit irgendeiner Ideologie oder Religion, wie dem Kreuz, dem Halbmond, dem Gral, oder mit was auch immer. Die Sportbekleidungshersteller sind dabei am weitesten – einfach vier Striche oder ein Haken. Punkt! Das ist alles. Oder eine Imbisskette: jeder kennt das gelbe M. Markensymbole zu entwickeln, die so sinnfrei wie möglich sind, ist eine Kunst für sich.« Gernot legte eine Atempause ein. »Oder fällt dir ein Markenlogo ein, das irgendeine Interpretation zulässt?«
»Die mir in den Sinn kommen, sagen wirklich nichts aus«, gab Winfried zu, widerrief aber sofort: »Moment: ein Hamburger-Konzern. Der mit der Krone. Das Symbol steht für Monarchie!«
»Daran habe ich nicht gedacht, aber du hast Recht. In diesem Fall haben die Marketingprofis versagt. Mit dem Logo hat der Laden wohl keine Zukunft.«
»Solchem Kommerz werde ich keine Träne nachweinen.«
»Ich sage dir, wie die Zukunft aussehen wird.« Gernot wechselte in eine tiefere Stimmlage und verdrehte die Augen so, dass nur noch das Weiße zu sehen war. Seine Glupschaugen traten noch weiter hervor und Winfried wurde schlecht bei dem Gedanken, sie könnten augenblicklich herausfallen. »Meine Vision: Langsam rücken Kampfroboter im Zeichen des gelben M gegen die letzte Filiale des Bürgerkönigs vor und gehen in Stellung. Donald gibt den Angriffsbefehl, endlose Salven werden auf den Gegner abgefeuert – ratata, ratatata! In einem anderen Vorstadtviertel stellen derweil die Krieger der vier Streifen den Sportschuh-tragenden Legionären des weißen Hakens eine Falle …« Gernot setzte seine Rede nun mit normaler Stimme fort und rieb sich die Augen. »Und so weiter. Es wird einen Krieg um die Marken geben. Diese Zeiten werden wir wahrscheinlich nicht mehr erleben, am Ende wird es jedoch nur noch einen einzigen Franchise-Konzern geben.«
»Da muss man wohl hoffen, dass dieses Glück die Firma trifft, bei der du angestellt bist.«
»Das hast du nett gesagt, Winfried!« Gernot bedankte sich und stand auf. »Es war schön, wieder mit dir zu diskutieren. Jetzt muss ich mich sputen. Meine Ex-Freundin hat sich heute überraschend gemeldet und mir meinen unehelichen Sohn aufgedrängt. Den muss ich gleich abholen und in die Abenteuer-City fahren. Übrigens, da hätte ich etwas: ein Erfolgs-Seminar heute Abend. Ich hatte mir eine Karte besorgt, bei mir klappt es ja leider nicht. Aber du hast doch Zeit. Du erfährst, wie du mehr aus dir oder aus deiner Karriere herausholen kannst. Einen Flyer habe ich auch dabei, den lasse ich dir mit der Eintrittskarte hier. Adieu und bis zum nächsten Mal.«
»Adieu, Danke. Erfolgs-Seminar hört sich gut an.«
Eine Weile saß Winfried noch im Café und beobachtete eine Gruppe von vier Jugendlichen, die einen kleinen Jungen in den Schwitzkasten nahmen und brüllten: »Du ziehst sofort deine Schuhe aus, du Hurensohn! Mit den Dingern in unserem Viertel herumlaufen, das geht gar nicht!«
Auf einen Blick erkannte er, worum es bei dem Streit ging: die vier Großen hatten Turnschuhe mit einem weißen Haken, der Kleine trug Schuhe mit vier Streifen. Und er dachte: Der Krieg um die Marken hat begonnen.
60 Euro kostete die Show regulär, ein Plakat am Eingang verkündete in großen Buchstaben wortwörtlich: »Rick Money's Erfolg's-Seminar«, darunter prangte ein roter Schriftzug: »Mit Rick's Geheimtipps, dem Erfolgreichsten aller Erfolgreichen, werden sie Glück Ihres eigenen Schmied's!«
Hmm, dachte Winfried, Rechtschreibung wie ein Hauptschüler. Erfolgreich ist er dennoch. Vielleicht kann ich tatsächlich etwas lernen.
Längst hatten alle in der Stadthalle ihren Platz eingenommen. Der Vortrag hätte schon vor einer halben Stunde beginnen sollen, dennoch warteten die Zuschauer auf ihren teuren Sitzplätzen geduldig und starrten auf die Bühne. Das Licht flackerte. Auf einmal herrschte Totenstille, unterbrochen nur durch vereinzeltes Hüsteln. Die Beleuchtung wurde gedimmt, bis der Saal in vollkommene Dunkelheit gehüllt war. Trommelwirbel setzte ein. Anfangs als leises Geräusch im Hintergrund, wurde es lauter. Ein Schatten huschte über die Bühne, vereinzelte Funken sprühten, verwandelten sich in gleißendes Feuerwerk, es folgte ein greller Blitz und die Zuschauer wurden einen Sekundenbruchteil geblendet. Martialische Fanfaren erschollen, die Bühne wurde mit Licht geflutet und es erschien …
Ein Gnom! – dachte Winfried.
Rick Money, bekannter Erfolgsprediger, Arnulf Seidler mit bürgerlichem Namen, stand auf der erleuchteten Bühne. Stolz und mit hoch erhobenem Haupt ließ er seinen Blick über das Publikum schweifen. Die Ähnlichkeit mit einem Gnom fiel jedem sofort ins Auge. Oder seine Erscheinung wäre - da nicht eindeutig definiert ist, wie ein Gnom aussieht - eine gute Vorlage für einen Gnom.
Zurück zur Show: seine von Natur aus unvorteilhafte Erscheinung machte der leicht untersetzte, mit kahl rasiertem Haupt und abstehenden Ohren gesegnete Mann mehr als wett durch seinen perfekt sitzenden Anzug und dem wie in Stein gemeißelten glückseligen Gesichtsausdruck.
Rick hüpfte auf der Bühne hin und her, legte ein Headset an und begrüßte seine Zuschauer. »Ich kann es mit Worten kaum ausdrücken, wie ich mich über euch freue! Es ist einfach wundervoll, dass ihr alle gekommen seid. Mit meiner Show bin ich durch die große weite Welt gereist, war in New York, Paris, London. Und letzte Woche in Stuttgart. Wisst ihr, in welcher Stadt ich am liebsten bin? Wo es das beste Publikum der Welt gibt?« Nach einer effektvollen Kunstpause, in der sein Blick über die Zuschauer schweifte, beantwortete er die Frage selbst:
»In Frankfurt!«
Die Zuschauer applaudierten, einige riefen stolz: »Unsere Stadt!«
Ein perfekt gestylter Mann mit weißem Hemd und Sakko neben Winfried flüsterte: »Das ist witzig! Ich war bei der Show in Stuttgart. Rate mal, wo dort das beste Publikum der Welt sitzt? Natürlich in …«
»Pssst!«, zischte eine Dame in der Reihe hinter ihnen.
Rick