Tote Models nerven nur. Vera Nentwich

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Tote Models nerven nur - Vera Nentwich

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»Nein, das konntest du natürlich nicht.« Aber die Art, wie Betty ›natürlich‹ betonte, weckt auch jetzt im Rückblick noch in mir den Eindruck, dass sie es eher ironisch meinte. Ihr Blick unterstrich den Eindruck.

       »Sie hat genau das gesagt?«

       »Wie meinst du das?«

       »Na, hat sie genau diese Worte benutzt ›Grefrather Landei‹?«

       »Meinst du etwa, ich belüge dich?«

       »Nein, natürlich nicht. Aber ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass sie es genauso gesagt hat.«

       Ihre Augen drückten Besorgnis aus und ich musste schlucken.

       »Na ja, es waren vielleicht nicht exakt ihre Worte. Aber sie hat es so gemeint.«

       »Ja, ja.« Sie nippte an ihrem Sekt und ich tat es ihr nach. Betty atmete tief ein.

       »Biene, du weißt, ich liebe dich. Du bist meine wichtigste und engste Freundin.«

       »Ich weiß. Du meine auch.«

       »Okay, dann darf ich dir auch einen wirklich gutgemeinten Rat geben, oder?«

       »Aber natürlich.«

       »Vergiss endlich Judith. Du stürzt dich noch in dein Unglück mit deiner ständigen Hetzjagd. Es ist jetzt zwanzig Jahre her. Irgendwann muss es doch mal gut sein.«

       Ich starrte sie an. Wie meinte sie das? War sie etwa nicht auf meiner Seite?

       »Wie kannst du das sagen, als meine beste Freundin?«

       »Gerade weil ich deine beste Freundin bin und nur das Beste für dich möchte, sage ich das.«

       Da hatte ich das Gefühl, der Boden würde mir unter den Füßen weggerissen. Am liebsten wäre ich aufgesprungen und weggerannt, aber ich konnte nicht. Jetzt weiß ich, wie recht sie hatte.

      Wenn ich mich jetzt umdrehe und den alten Aussichtsturm betrachte, sehe ich die Judith von damals vor mir. Hier war immer unser Treffpunkt nach der Schule. Judith ging auf das Gymnasium in Mülhausen und ich auf die Realschule in Süchteln. Nach der Schule trafen wir uns immer am Turm, um uns über die aktuellen Neuigkeiten auszutauschen. Es war der erste Tag nach dem Unfall, an dem ich wieder in die Schule gegangen war. Die ganze Zeit hatte sie sich nicht bei mir gemeldet und ich fühlte mich von der ganzen Welt verlassen. Judith stand da, schmiss ihr langes blondes Haar in einer großen Geste nach hinten und senkte ihren Kopf zu einer Gruppe Mädchen. Als ich auf sie zuging, hörte ich es. »Bienes Vater soll ja betrunken gewesen sein«, sagte sie und die anderen Mädchen schauten mich betroffen an. Ich donnerte ihr eine Ohrfeige ins Gesicht, so fest ich nur konnte und rannte weg.

      Es ist eigenartig, dass ich nun zwanzig Jahre danach am gleichen Ort stehe und auf Judiths Leiche sehe. Wenn Jochen wegen des Fotos auf Facebook nur nicht so auf mich eingeredet hätte, stünde ich nun nicht hier und müsste mir klar werden, was ich tun sollte. Dabei war er nur vorbeigekommen, um mir mal wieder zu helfen. So wie er es immer tut.

       »Jochen ist da!«, rief Oma hoch. Jochen? Was wollte er denn? Nach einem langweiligen Tag in der Kanzlei hatte ich wirklich keine Lust auf Beziehungsgespräche oder besser Ex-Beziehungsgespräche. Ich schaute über das Treppengeländer.

       »Was willst du?«

       »Ich muss mit dir sprechen.«

       »Schön, dass du uns mal wieder besuchen kommst«, flötete Oma dazwischen.

       »Oma!«, versuchte ich, ihre Begeisterung über Jochens Besuch etwas zu zähmen. »Dann komm halt hoch.« Jochen trug zivil. Sein T-Shirt ließ den muskulösen Oberkörper erahnen. Seinen Körper habe ich immer geliebt. Wenn doch in ihm nicht so ein Beamtengeist wohnen würde! Vorsichtig kam er auf mich zu, als ob er Angst hätte, dass ich ihn gleich anfallen würde. Er war wohl gerade wieder beim Friseur gewesen. Seine Haare waren stoppelkurz, wie man es aus den amerikanischen Militärfilmen kennt. Kurz war ich versucht, ihm über den Kopf zu streichen. In meinem Wohnzimmer bot ich ihm einen Sitzplatz und ein alkoholfreies Bier an.

       »Also, was ist los?«

       »Hast du gestern ein Foto von Judith und ihrem Verlobten ins Internet gestellt?«

       »Deswegen bist du hier? Ja, habe ich. Was geht dich das an?«

       »Ach Biene.«

       »Wenn jetzt noch einer ›Ach, Biene‹ sagt, kriege ich einen Schreikrampf. Was soll das? Ja, ich habe ein Foto von Judith und ihrem Spanier bei Facebook gepostet. Ja und? Soll die Welt doch sehen, welche Show sie abzieht.«

       »Sie haben dich angezeigt.« Jochen sagte das sehr ruhig. Er ist ja immer ruhig. Ruhig und überlegt. Das kann einen ganz schön in Rage bringen. Ich lachte laut auf.

       »Sie haben mich angezeigt? Warum denn das?«

       »Verletzung der Persönlichkeitsrechte. Du darfst nicht einfach Fotos von Menschen im Internet veröffentlichen, wenn du keine Erlaubnis von ihnen hast.«

       »Das ist doch lächerlich. Von denen gibt es Tausende Fotos im Web.«

       »Das heißt nichts.«

       »Und jetzt? Komme ich ins Gefängnis?« Das war doch ein Witz.

       »Biene, das ist kein Kavaliersdelikt. Das ist eine Straftat und kann dir eine Menge Ärger einbringen.«

       »Da siehst du mal, mit welcher Giftspritze ich es zu tun habe. Sie will mir doch nur das Leben zur Hölle machen! Wahrscheinlich kann sie sich Nobelanwälte leisten, die mich mit einem Klacks ins nächste Straflager verfrachten lassen können.« Ich hatte mich in Rage geredet.

       »Straflager gibt es bei uns nicht.« Jochen blieb immer noch ruhig. Und er machte mich wahnsinnig.

       »Verdammt nochmal, du könntest ruhig auf meiner Seite sein!«

       Seine braunen Augen sahen mich an. Sie wirkten irgendwie traurig. Oder war das Mitleid? Ich brauche ganz bestimmt kein Mitleid. Er wollte etwas sagen. Ich wappnete mich schon gegen ein neuerliches »Ach Biene« und schaute mich um, was sich am besten dazu eignen würde, um es ihm an den Kopf zu schmeißen. Ich spürte, wie das Blut in meinen Kopf stieg. Bestimmt hatte ich eine ganz rote Birne. So wie die Comicfiguren, bei denen Feuer aus den Ohren kommt. Ich wollte gerade zerplatzen, da öffnete Jochen vorsichtig seinen Mund. Er sprach sehr leise. Fast bedächtig.

       »Du weißt, dass ich dich mag und immer für dich da bin. Ich riskiere hier meinen Job für dich.«

       »Wie das?« Das Suchen nach Wurfgeschossen musste warten.

       »Ich habe nur durch Zufall von der Anzeige gegen dich erfahren, und wenn ich dir davon erzähle, bevor du es offiziell erfährst, kann ich die Ermittlungen gefährden.«

       Wieder sahen mich seine braunen Augen traurig an. Verdammt. Mein Herz pocht jetzt noch, bei der Erinnerung daran. Er hat etwas Verbotenes getan. Ich weiß, wie schwer ihm das gefallen sein muss. Jochen ist die Korrektheit in Person. Er hat das für mich getan. Nur für mich. Seit ich denken kann, hat er mir immer zur Seite gestanden. Schon in der Schule hat er mich verteidigt, wann immer er es für nötig erachtete. Dabei habe ich ihn so manches Mal dafür noch beschimpft, weil ich doch viel lieber selbst gekämpft hätte und mir sicher war, dass ich mich auch hätte durchsetzen können.

      Verdammt. Nun wollte ich ihm nichts

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