Tote Models nerven nur. Vera Nentwich
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Читать онлайн книгу Tote Models nerven nur - Vera Nentwich страница 8
Ich springe aus der Dusche, trockne mich in Windeseile ab und mache mich notdürftig zurecht. Dann hetze ich die Treppe hinunter. Oma sitzt am Frühstückstisch und schaut mich bestürzt an.
»Was ist los Oma?«
»Schrecklich! Judith ist tot.« Sie hält mir die Titelseite der Rheinischen Post entgegen. »Starmodel tot aufgefunden« prangt dort in großen Lettern. Ich reiße ihr die Seite aus den Händen und versuche meinen Herzschlag so weit zu beruhigen, dass ich den Artikel lesen kann.
Es wird beschrieben, wie Judith im Teich gelegen hat und das eine Frau die Leiche gefunden hätte. In diesem Zusammenhang würde nach einer Zeugin gesucht, die auch am Ort des Geschehens gewesen sei und sich dann entfernt hätte. Man beschreibt die Frau als Mitte bis Ende dreißig, kurze blonde Haare und eher klein. Mitte bis Ende dreißig? Was hat die Alte gesehen? Und eher klein bin ich mit meinen 1,70m auch nicht. Okay, anhand der Beschreibung finden sie mich nicht.
»Kengk, es dat neet schrecklich?« Ich gucke über den Rand der Zeitung.
»Und ob, Oma. Das ist der Hammer.«
»Wer tut denn sowas?«
»Keine Ahnung.« Ich schenke mir schnell einen Kaffee ein und trinke ihn hastig aus.
»Och Kengk, das nimmt dich mit, oder? Ihr wart schließlich mal Freundinnen.«
»Hmm. Oma, ich muss weg.« Mit einem kräftigen Klong setze ich meinen Kaffeepott auf den Tisch und drehe mich zum Gehen.
»Was ist denn los Kengk?«
»Später, Oma. Später.« Ich schnappe meine Jacke, spurte aus dem Haus, greife mein Fahrrad und radele in Richtung Kanzlei. Der Fahrtwind hilft mir, wieder klarer zu denken. Ich muss mich bei der Polizei melden, sonst sieht alles noch schlimmer aus. Ob Jochen heute Frühdienst hat? Ich könnte ihn gleich in der Kanzlei auf seinem Handy anrufen. Er wird wissen, was zu tun ist und mir helfen. Das ist ein Plan. Es beruhigt mich, dass ich einen Plan habe, der vernünftig erscheint.
Als ich am Schreibtisch sitze, bin ich nicht mehr so sicher, ob der Plan wirklich so gut ist. Vielleicht habe ich ja Glück und sie kommen doch nicht auf mich. »Sabine, sei nicht so feige«, schimpfe ich mit mir selbst. Ganz sicher werden sie auf mich kommen. Nein, ich muss mich melden. Entschlossen greife ich zum Telefonhörer und wähle Jochens Nummer. Der Rufton ertönt. Geh ran, Jochen. Geh ran!
»Biene?«
»Gott sei Dank, Jochen. Hast du Dienst?«
»Ja, wieso? Fahre gerade Streife. Was ist los?« Er klingt besorgt. Aber anscheinend hat er noch keinen Fahndungsaufruf nach mir. Das ist gut, hoffe ich.
»Kann ich dir am Telefon nicht erzählen. Kannst du zur Kanzlei kommen?«
»Biene, was hast du wieder angestellt?«
»Ich habe gar nichts angestellt. Das ist es ja. Ich brauche deine Hilfe. Bitte.« Dass ich bitte sage, macht ihn wohl nachdenklich, denn das kommt nicht so oft vor. Ich höre, wie er mit seiner Partnerin spricht.
»Okay, wir sind in fünf Minuten da. Mach keinen Blödsinn, ja?«
»Ach Biene!« Jochen schüttelt den Kopf, nachdem ich ihm die Geschehnisse geschildert habe.
»Warum bist du nicht dort geblieben? Deine Flucht gibt ein richtig schlechtes Bild. Und das bei deiner Vorgeschichte …« Wieder schüttelt er mit dem Kopf.
»Was meinst du mit ›Vorgeschichte‹?«
»Na ja, jeder weiß doch, dass du mit Judith Streit hast. Vor zwei Tagen habt ihr euch noch geprügelt und sie hat dich angezeigt. Das ist ein Motiv, Biene. Und was für eins.«
So wie er das sagt, macht das ganz schön Angst. Sollte ich jemals Mut gehabt haben, ist jetzt davon rein gar nichts mehr da. Im Gegenteil, ich muss sehr kämpfen, dass ich nicht auf der Stelle laut losheule. Jetzt wäre es schön, wenn er mich einfach in den Arm nähme und sagen würde: »Alles wird gut!« Den Gefallen tut er mir aber nicht. Stattdessen sagt er: »Wir müssen dich zur Vernehmung mit auf die Wache nehmen.« Der Kloß in meinem Hals ist so dick, dass ich nicht sicher bin, überhaupt je wieder Luft zu bekommen. Ich japse. »Du musst ehrlich schildern, wie es gewesen ist. Schließlich hast du sie ja nicht ermordet. Sie werden dir schon glauben.« Wenn ich ihm das nur glauben könnte. Wie in Trance sammele ich meine Jacke und meine Tasche ein und folge den beiden Polizisten zum Auto.
»Guten Morgen Biene.« Frau Törschen, eine Bekannte von Oma, lächelt mich an.
»Hallo Frau Törschen.« Jochen öffnet die hintere Tür am Polizeiwagen und ich mache Anstalten einzusteigen. Frau Törschen verfolgt das Geschehen mit großen Augen.
»Hast du was angestellt?«, fragt sie mit einem Unterton, der durchaus die Interpretation zulässt, dass sie dies im Bereich des Möglichen sieht.
»Nein, nein, Frau Törschen«, versuche ich sie zu beschwichtigen. »Ich muss der Polizei nur helfen.«
Jochen schließt die Tür hinter mir und ich sehe im Gesicht von Frau Törschen, dass sie nicht überzeugt ist.
V
Jochen hat mich an einen Kollegen von der Kripo übergeben, dessen Namen ich mir nicht merken kann. Der Beamte weist auf einen Stuhl und sagt, dass ich warten solle. Ich schaue mich um. Das Polizeirevier hatte ich mir glanzvoller vorgestellt. In den Serien, die ich mir so ansehe, sind die Polizisten mit Hightech ausgerüstet und die Büros sehen aus wie in Hochglanzprospekten. Die Wache in Kempen ist eher das Gegenteil. Schon von außen strahlt das Gebäude den morschen Charme der Siebziger aus. Innen wird es nicht besser. Es wirkt alles dunkel und die Wände müssten dringend mal gestrichen werden. Wenn dies so sein soll, um die Verbrecher einzuschüchtern, muss ich sagen, dass es bei mir auf jeden Fall seinen Zweck erfüllt. Ob das bei wirklichen Verbrechern auch so ist, kann ich nicht sagen. Die sind wahrscheinlich noch dunklere Löcher gewohnt.
Der Schreibtisch vor mir ist mit Akten und Papieren bedeckt. Ich hatte damit gerechnet, in einen Vernehmungsraum geführt zu werden, an dessen einer Seite ein großer Spiegel prangt, durch den mich die Beamten erst einmal beobachten würden. Stattdessen sitze ich mitten in einem Büro und warte darauf, dass ich nun endlich vernommen werde.
Endlich kommt Leben auf. Ein Mann von ungefähr fünfzig, mit grauem, lockigen Haar, einer randlosen Brille und ziemlich missmutigem Gesichtsausdruck kommt herein. Der Beamte, der mich hier hingesetzt hat, begrüßt ihn und zeigt mit der Hand in meine Richtung. Der Mann kommt auf mich zu.
»Sie sind Frau Hagen?«
»Ja.«
Er reicht mir die Hand.
»Ich bin Hauptkommissar Terhoven.« Wir schütteln uns kurz die Hände, dann zieht er seine Jacke aus, schmeißt sie auf das Ende des Schreibtischs und setzt sich mir gegenüber hin. Er wiegt leicht den Kopf, als er die Unordnung wahrnimmt, und schiebt einige Akten zur Seite. Er legt einen Block in den freigewordenen Bereich, zieht einen Kugelschreiber aus seiner Jacke und legt diesen dazu.
»Danke, dass Sie sich gemeldet haben, Frau Hagen. Vielleicht