Tote Models nerven nur. Vera Nentwich

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Tote Models nerven nur - Vera Nentwich

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Es fühlte sich gut an. Er war erschrocken und schob mich etwas von sich.

       »Was soll das?«

       »Ich wollte nur danke sagen.« Ich kuschelte mich an ihn. Tief atmete ich seinen Duft ein und genoss die Wärme seines Körpers. Mein Herzschlag beruhigte sich und das Blut, das sich gerade noch stauen und meinen Kopf platzen lassen wollte, verteilte sich nun wieder in meine Adern. Doch er drehte sich etwas von mir weg.

       »Biene, lass das!«

       »Was denn?« Ich rückte ihm nach, sodass ich meinen Kopf wieder auf seine Schulter legen konnte.

       »Das.« Jochen drehte seinen Kopf zu mir.

       »Ich werde mich doch wohl mal an die Schulter eines Freundes anlehnen dürfen?«

       »Nicht, wenn du dem Freund damit wehtust.«

       Erschrocken richtete ich mich auf.

       »Tue ich dir weh, wenn ich mich bei dir anlehne?«

       »Biene, manchmal kannst du echt ein Arsch sein.« Sein Blick war traurig.

       »Ich will dir doch nicht wehtun«, protestierte ich leise.

       »Du tust es aber.«

       »Tut mir leid.« Beide starrten wir still auf mein Sideboard, unfähig ein Wort zu sagen. Nur das Atmen unterbrach die Stille. Es schien, als ob wir im Gleichklang atmeten. Ich beobachtete, wie sich seine Brust hob und senkte. Wir hatten einen Rhythmus, einen Takt. Er legte vorsichtig seinen Arm um mich. Irgendwann schloss ich die Augen.

      III

      »Der Jochen ist ein netter Kerl.« Natürlich war es Oma nicht entgangen, dass Jochen erst spät gegangen war.

       »Ja, Oma.« Sie trug eine helle Jeans, Turnschuhe und ein T-Shirt auf dem »Ich schmeiß alles hin und werd Prinzessin« prangte.

       »Seid ihr jetzt wieder zusammen?«

       »Nein, Oma.« Tiefschürfende Gespräche am frühen Morgen hasse ich.

       »Warum denn nicht?«

       »Ach Oma.«

       »Ich verstehe das nicht. Er ist verlässlich, hat einen guten Job und mag dich. Und sein Body ist auch toll.«

       »Oma!«

       »Eine junge Frau wie du. Ist doch eine Schande, dass du keinen Freund hast. Das ist ungesund, wenn man so lange keinen Sex hat. Also, ich sage dir, dein Opa und ich …«

       »Oma, bitte!« Ich schnappte mir mein angebissenes Brötchen. Wenn Oma mit dem Sexthema anfing, dann half nur die Flucht.

       »Du weißt, dass ich recht habe, Kengk. Du solltest dir wirklich den Jochen schnappen.«

       »Ja, Oma, ich muss los.« Ich hetzte aus der Küche, nicht ohne noch ein »Ach Kengk« zu vernehmen.

      Während ich mich an meinem Brötchen kauend auf den Weg in die Kanzlei machte, dachte ich über meinen Entschluss nach. Jochen hatte ja recht, ich musste sehen, dass ich die Situation mit Judith entspannte. Er hatte mir sehr drastisch geschildert, welche Schwierigkeiten sonst auf mich zukommen konnten. Ich würde also über meinen Schatten springen und mich bei Judith entschuldigen. Gleich am Abend.

      Ich starrte auf das Telefon auf meinem Schreibtisch. Jetzt musste ich es tun. Ich musste Judith anrufen und um ein Gespräch bitten. Den ganzen Tag hatte ich mir immer wieder bestätigt, dass es das Richtige war. Schließlich bin ich eine erwachsene Frau von zweiunddreißig Jahren. Die kann sich weiterentwickeln und Frieden schließen. Noch einmal tief Luft holen und dann griff ich zum Hörer. Die Nummer der Schöllers hatte ich am Morgen schon rausgesucht und auf meiner Tischunterlage notiert. Nun tippte ich die Ziffern langsam ein. Der Rufton wirkte dumpfer als sonst.

      »Schöller.« Es war Judiths Mutter.

       »Hallo, Frau Schöller. Hier ist Sabine Hagen.«

       »Biene? Das ist aber eine Überraschung. Du möchtest sicher Judith sprechen, oder?« Frau Schöller habe ich immer gemocht. Von ihr gab es nie ein böses Wort. Wenn wir uns bei den Schöllers getroffen haben, gab es immer Kakao mit Sahne.

       »Ja, das wäre nett. Ist sie da?«

       »Nein, leider nicht, Biene. Aber du kannst sie sicher auf dem Handy erreichen.«

       »Die Nummer habe ich gar nicht. Können Sie sie mir geben?«

       »Aber natürlich. Moment mal …« Man konnte hören, wie sie nach etwas kramte. »Hier habe ich sie.« Sie las mir die Nummer vor, die ich ebenfalls auf meine Unterlage kritzelte.

       »Komm uns doch mal wieder besuchen, Biene. So wie früher.«

       »Vielleicht mache ich das demnächst, Frau Schöller.«

       Wir verabschiedeten uns und legten auf. Ob sie auch jetzt noch möchte, dass ich sie besuchen komme? Sie tut mir leid. Man wünscht keiner Mutter, dass sie den Tod ihres einzigen Kindes miterleben muss. Als ich Judiths Nummer wählte, ertönten erst ein paar Klingelzeichen und dann Judiths Stimme. »Ich kann leider Ihren Anruf nicht entgegennehmen. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht.« Der Piepston erklang und ich überlegte kurz, schnell aufzulegen. Nein, ich musste das durchziehen und brachte mich so in diese beschissene Situation.

       »Äh, hier ist Biene. Überrascht, was? Na ja, also, äh, ich meine, es ist irgendwie blöd gelaufen. Und jetzt dachte ich, also es wäre vielleicht gut, wenn, ich meine, also, es wäre gut, wenn wir uns vielleicht mal treffen würden. Sag mal Bescheid.«

      Ich starrte auf mein Handy. Ob sie sich melden würde? Entschlossen legte ich es auf den Schreibtisch. Ich hatte es auf jeden Fall versucht. Mir konnte keiner einen Vorwurf machen. Mit einer Handbewegung schob ich mein Smartphone zur Seite und schlug die Steuerakte vor mir auf.

      »Um sechs am Turm.« Das Display zeigte eine eingegangene SMS an. Es war Judiths Nummer. Ausgerechnet an den verrosteten Überresten des Aussichtsturms wollte sie sich treffen? Ich war ewig nicht mehr im alten Gartenschaugelände gewesen. Hätte es nicht ein Café sein können? Aber ich konnte nicht mehr zurück. »Ok«, tippte ich ins Handy und sendete es ab.

      Am frühen Abend waren keine spielenden Kinder mehr zu sehen, als ich mein Fahrrad am Hallenbad und an der Schule vorbeischob. Vor mir lag die große Wiese, auf der wir früher Fußball gespielt und so manche Pause verbracht hatten. Nun war niemand zu sehen. Nur ein Mann im blauen Kittel werkelte an einem Gitter. Ich grüßte ihn, ohne zu wissen, wer er war. Er grüßte zurück. Wie lange war ich hier schon nicht mehr gewesen? Ich versuchte mich zu erinnern, während ich die ruhig daliegende Wiese betrachtete und an den Überresten des Brunnens vorbeiging. In den Siebzigern hatte es hier mal eine Landesgartenschau gegeben. Das waren die Glanzzeiten von Grefrath gewesen. Das Eisstadion war gerade gebaut worden. Eine kleine Gemeinde am Niederrhein, die ein Eisstadion errichtete, war damals eine Sensation. Nur große Städte hatten so etwas. Gemeinden, die etwas auf sich hielten, bauten höchstens ein Schwimmbad. Später war dann sogar die 400m-Eisschnelllaufbahn dazugekommen und aus Grefrath wurde das Inzell des Nordens. Ich kann mir gut vorstellen, in welchem Glanz Grefrath zu Zeiten der Landesgartenschau gestrahlt haben musste. Der Aussichtsturm war damals das Wahrzeichen gewesen. Hoch oben prangt das Grefrather Wappen an zwei ausladenden Stahlträgern. Doch genau so, wie er damals den Glanz repräsentierte, so ist er heute ein Symbol des Niedergangs. Die Stahlträger sind längst verrostet, der Turm ist gesperrt. Die untere Treppe ist

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