Tote Models nerven nur. Vera Nentwich

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Tote Models nerven nur - Vera Nentwich

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wir früher die Abende verbracht. Judith, Betty und ich. Manchmal war auch Jochen dabei, wenn wir gerade mal wieder zusammen waren. Später kam dann Georg, Bettys heutiger Mann, dazu. Dann haben wir geraucht und gequatscht. Ich musste lachen, als ich auf den gegenüberliegenden Teich schaute. Wie oft sind wir übermütig auf die Steine gesprungen, die als Weg durch den Teich führten. Wir wussten, dass Einzelne davon locker Waren und bei der Landung unberechenbar wanken könnten. Jeder von uns war schon ins Wasser gefallen. Gerne wird der Teich auch als Kulisse für Hochzeitsfotos verwendet. Ob auch schon Hochzeitspaare von den wackeligen Steinen abgerutscht sind? Unweigerlich musste ich lächeln.

      Es war kurz nach sechs. Ich suchte den Platz ab, ob ich Judith entdecken konnte. Na ja, pünktlich war sie noch nie. Wahrscheinlich würde sie irgendwann mit wehenden Fahnen angerannt kommen und mir von unzähligen Katastrophen erzählen, die sie daran gehindert hatten, pünktlich zu sein. Mir kamen die Bilder von früher in den Sinn. Wir hatten damals immer gewettet, welche Geschichte uns Judith heute wohl auftischen würde. Aber ihr Ideenreichtum überraschte uns immer wieder.

      Die akademische Viertelstunde war vorbei. Jetzt konnte sie wirklich langsam kommen. Ich hatte keine Lust, in der Einöde stundenlang auszuharren, bis Madame sich erbarmte, hier aufzutauchen. Ich zog mein Handy aus der Tasche.

       »Wo bleibst du?«, tippte ich ein und betätigte die grüne Senden-Schaltfläche. Ich hörte ein Piepsen. Diesen typischen iPhone-Klingelton, den jeder kennt. Ich habe aber kein iPhone. Wo kam der Ton her? Erschrocken sah ich mich um. Niemand zu entdecken. Der Ton kam von da vorne. Aus Richtung des Teiches, meinte ich. Ich klickte noch einmal auf Senden und hörte genau hin. Wieder erklang der Ton und nun wusste ich die Richtung. Dort vom Teich, wo das Schilf wächst. Ich ging unsicher auf die Stelle zu und hielt die Luft an. Dort zwischen dem Schilf leuchtete etwas Rot. Es waren die leuchtend roten Sohlen von Edel-High-Heels. Ich kannte nur eine Person, die solche Schuhe tragen könnte. Ich rannte und hatte auch gleich das Gefühl, mein Herz würde aussetzen. Judiths Körper lag bäuchlings im Teich. »Judith«, rief ich. Vorsichtig beugte ich mich zu ihr und rüttelte am leblosen Körper. Ich musste mit meinen Armen in den Teich, um ihren Kopf aus dem Wasser zu ziehen. »Judith, um Gottes willen.«

      Doch sie antwortet nicht. Ihre Augen sind weit aufgerissen und sehen durch mich durch.

      IV

      »Oh Gott, was haben Sie getan!«

       Ich weiß nicht, wie lange ich schon hier gestanden habe. Erschrocken drehe ich mich um. Eine ältere Frau starrt mich an und kramt hastig nach ihrem Handy. Ihr Rehpinscher zerrt laut kläffend an seiner Leine.

       »Kommen Sie mir nicht zu nahe!« Die Frau ist nahezu hysterisch. Mit zitternden Fingern tippt sie auf ihrem Handy, während ich die kläffende Miniausgabe eines Hundes zu umgehen versuche. Das Wasser tropft von meinen nassen Ärmeln auf den Boden vor mir. Ja, einen Krankenwagen brauchen wir.

       »Sagen Sie ihnen, sie atmet nicht mehr«, empfehle ich der Frau. »Oh Gott«, antwortet diese nur, während sie das Handy ans Ohr presst.

       »Kommen Sie schnell«, höre ich sie sagen. »Hier liegt eine Frau tot im Teich und die Mörderin ist noch da.«

       Hey, was sagt sie da? Nein, das ist ein Irrtum.

       »Moment mal«, versuche ich zu intervenieren und mache einen Schritt auf sie zu.

       »Bleiben Sie weg von mir!« Ihre Stimme ist schrill und der Hund bellt so laut, dass man befürchten muss, er bekommt gleich einen Herzinfarkt. »Ja, kommen Sie schnell«, kreischt sie ins Telefon.

       »Die Polizei kommt gleich. Sie wird sie kriegen.«

       Hat diese olle Tusse sie noch alle? Aber ich muss zugeben, der Eindruck ist nachvollziehbar. Ich habe mich über Judith gebeugt und die liegt da leblos im Teich. Man könnte daraus den Schluss ziehen, ich hätte sie ermordet. Er ist sogar recht naheliegend. Mist, das ist nicht gut. Aber die Polizei wird das schon verstehen, wenn ich ihnen den Sachverhalt schildere. Wird sie? Je mehr ich mir selbst die Tatsachen vor Augen führe, desto unsicherer werde ich. Vielleicht wird sie es auch nicht. Plötzlich sehe ich mich in Handschellen abgeführt und als Mörderin verdächtigt. Nein, das ist kein schönes Bild. Gar kein schönes Bild. Ich muss hier weg. Sofort. Hektisch greife ich nach meinem Fahrrad.

       »Sorry, aber ich muss weg«, rufe ich der angsterfüllt starrenden Dame entgegen. Sie macht eine kurze Bewegung, die ihr Pinscher nutzt, um sich loszureißen. Er stürmt auf mich zu. Ich schwinge mich aufs Fahrrad und trete in die Pedale. Die Frau versucht, sich mir in den Weg zu stellen.

       »Buh!«, mache ich und sie stolpert ängstlich zurück. Nicht dass sie auch noch stürzt und sich einen Oberschenkelhalsbruch holt. Dann bin ich nicht nur eine Mörderin, sondern foltere auch noch alte Damen. Ich gebe alles, was der untrainierte Körper hergibt. Irgendwann wird das Bellen des Hundes leiser und ich strampele weiter die Stadionstraße entlang.

      Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, als ich mich auf meine Couch fallen lasse. Keine Ahnung, ob dies nun damit zu tun hat, dass ich wie eine Verrückte in die Pedale getreten habe oder dass Judith tot im Teich liegt. Ihren starren Blick sehe ich jedenfalls immer noch vor mir. Wahrscheinlich wird schon die Polizei dort sein und die verrückte Alte schildert ihnen gerade, wie die Mörderin aussieht. Automatisch horche ich, ob ich vielleicht Sirenen höre, weil die Polizei auf dem Weg ist, um mich zu verhaften. »Beruhige dich, Sabine«, fordere ich mich auf. Panik bringt gar nichts. Die Alte hat mich nicht mit Namen angesprochen, also kennt sie mich nicht. Ich kenne sie auch nicht. Die Chance ist groß, dass sie der Polizei keinen direkten Hinweis auf mich geben kann. Sie kann mich vielleicht beschreiben, mehr nicht. Die Polizei muss dann erst einmal ermitteln, wer sich dahinter verbergen könnte. Es dürfte etwas dauern, bis sie auf mich kommen. Meine Anspannung legt sich etwas. Es ist nicht damit zu rechnen, dass sie heute noch vor meiner Tür stehen werden. Ich habe Zeit, um mir klar zu werden, was ich tun kann.

      Es klopft an der Tür. »Kengk, bist du da?«

       »Ja, Oma.«

       Sie kommt herein.

       »Wo warst du denn? Ich habe mit dem Abendessen auf dich gewartet.«

       »Äh ja, im Büro war viel zu tun. Entschuldige, ich hätte Bescheid geben sollen. Ich habe gar keinen Hunger.«

       »Ist dir nicht gut?« Wenn man nicht essen möchte, dann kann man für Oma nur krank sein.

       »Alles ist gut. War nur stressig heute.«

       »Du musst doch was essen, Kengk?«

       »Ich habe ein Brötchen im Büro gegessen.« Das ist eine Lüge, aber anders werde ich Oma gewiss nicht los. Es wirkt.

       »Dann ist ja gut.« Sie dreht sich um und geht zurück ins Erdgeschoss.

      Ich schalte mein Notebook ein und rufe nacheinander verschiedene Nachrichtenportale auf. Womöglich wissen sie es schon. Aber es gibt keine Anzeichen, dass sich die Nachricht von Judiths Tod bereits verbreitet. Ich klappe das Notebook gleich wieder zu. Ich darf mich nicht verrückt machen. Nervöses Starren auf die Webseiten hilft mir nicht, einen klaren Gedanken zu fassen. Ich muss mich ablenken, auf andere Gedanken bringen. Vielleicht hilft das Fernsehprogramm. Das ZDF erscheint. Werbung, bevor die Nachrichten kommen. Ich zappe durch die anderen Programme. Auf einem der Digitalkanäle läuft eine ältere Folge von NCIS.

      Das Klingeln des Weckers wirkt noch unangenehmer als sonst. Es holt mich in die beängstigende Realität zurück. Sofort sind alle Gedanken wieder da. Ständig sehe ich Judiths leblosen Körper im Teich liegen und sich langsam im Rhythmus der Wellen auf und ab bewegen, wie das Wrack eines gesunkenen Schiffes. Das halte ich nicht aus. Ich muss etwas tun. Hastig

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