Dillinger macht Wind. Rudi Kost
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Читать онлайн книгу Dillinger macht Wind - Rudi Kost страница 5
»Wo ist eigentlich Sonja?«, fragte Isabel. »Es fällt auf, wenn sie nicht im Büro sitzt.«
»Meine Geschäftspartnerin ist mit ihrer Lebenspartnerin in den Urlaub entfleucht.«
»Wow! Heiße Nächte am Strand!«
»Ich fürchte, es geht eher um die Bewältigung einer Ehekrise.«
»Ach? Haben die zwei geheiratet?«
»Genau das ist die Krise. Die eine will, die andere nicht.«
»Und wer will nicht?«
»Das wechselt.«
»Sei froh, dass wenigstens dir solche Diskussionen erspart geblieben sind.«
»Ich hatte tatsächlich an Heiraten gedacht. Sogar an Kinder.«
»Mein Armer! Du bist wirklich durch den Wind. Du brauchst Trost.«
»Von dir?«
»Ist sonst jemand hier? Diese Anwältin hat aber auch nicht zu dir gepasst.«
»Wahrscheinlich passt niemand zu mir.«
»Stimmt. Außer mir natürlich.«
Ich verdrückte innerlich ein Tränchen. Die Anwältin und ich hatten uns wirklich bemüht, aber wir waren beide nicht für eine Fernbeziehung geschaffen. Wir waren nicht im Streit auseinandergegangen, wir hatten nur die Konsequenz gezogen aus zwei Lebensentwürfen, die nicht zueinander passten. Jetzt saß Nele in Berlin und machte Karriere, und ich trottete durch einen Hohenloher Wald und machte – was eigentlich?
Im Moment bog ich mit einer meiner vormaligen Affären von der Hauptstraße, wenn man so will, in den Weg Richtung Windrad ein. Er war breiter als so manche Landstraße.
»Da musste ganz schön viel Wald fallen«, meinte Isabel.
»Die Zuwegung, wie das so schön heißt, ist auf mögliche Reparaturen ausgelegt, und die Rotorblätter haben ihre 120 Meter Durchmesser oder mehr.«
Wir standen auf dem weitläufigen Areal des Windrads. Vor dem Turm, neben der Eingangstür, parkte ein Geländewagen japanischer Fertigung.
Isabel deutete darauf. »Da weiß noch jemand die Romantik dieses Ortes zu würdigen.« Sie sah sich um. »Auch hier ist ja kräftig gerodet worden.«
»Der gleiche Grund. Was glaubst du denn, wie man ein Rotorblatt montiert? Da kommt ein nicht ganz kleiner Kran. Ich habe die genaue Zahl jetzt nicht im Kopf, aber ich weiß, dass so ein Ding mitsamt Rotorblatt auf 216 Meter Höhe kommt. So hoch wie der Stuttgarter Fernsehturm.«
»Stimmt, ich erinnere mich an die Diskussionen. Man muss so hoch hinauf, weil sonst der Wind zu schwach ist.«
»Hier kommt der schöne Begriff Windhöffigkeit ins Spiel. Wir sind halt das Hohenloher Land und nicht die Nordsee. Bei uns pfeift’s zwar manchmal auch ordentlich, aber nicht ständig.«
»Man merkt’s. Oder warum sonst dreht sich das Ding nicht?«
»Keine Ahnung.«
»Schade. Ich wollte mal hören, wie laut ein Windrad nun wirklich ist.«
»Laut genug, um als störend empfunden zu werden. Wenn der Wind mal ein bisschen kräftiger weht, was er im Sinne des Windradbetreibers ja tun sollte, hörst du ein wusch-wusch-wusch. Ständig. Auch in ein paar Kilometern Entfernung, wenn du in der Windrichtung wohnst. Klingt, als seien ein paar Flugzeuge im Landeanflug.«
Wir standen am Fuß des Turms und schauten nach oben. Es war schon ein imposanter Anblick. Aus der Nähe sah man erst, wie groß das Windrad tatsächlich war.
»Von da oben müsste man einen tollen Ausblick haben«, sagte Isabel.
»Es gibt Windräder mit Aussichtsplattform.«
»Ich will da rauf!«
Isabel drückte die Türklinke – und die Tür gab nach.
»Na also«, sagte Isabel befriedigt.
»Wahrscheinlich gehört das Auto keinem romantischen Wanderer, sondern einem Wartungstechniker. Der schaut wohl, warum das Rad nicht läuft.«
»Dann mal hoch!«
»Ich glaube nicht, dass das gern gesehen wird.«
»Sei kein Frosch! Du willst bloß nicht zugeben, dass du die paar Treppen nicht schaffst. Diese Typen erzählen doch gern von ihrer Arbeit.«
Ich gab nach. Mehr als einen Anschiss konnten wir uns nicht einhandeln. Als wahrer Gentleman ließ ich ihr den Vortritt. Abschirmung gegen Gefahren von hinten. Und das Röckchen im Blick.
Es war heiß in der Betonröhre, und mir lief schon der Schweiß in Strömen, als Isabel so plötzlich stehen blieb, dass ich gegen sie prallte.
»Ups!«, sagte sie. »Ich glaube, viel erzählt der uns nicht mehr.«
Ich drängte mich an ihr vorbei.
Wenigstens gehörte Isabel nicht zu den Frauen, die hysterisch aufschrien, wenn sie einen Toten sahen. Auch dann nicht, wenn der Tote nicht sehr appetitlich aussah.
Trotzdem sagte ich zu ihr: »Dreh dich um. Das ist kein Anblick für kleine Mädchen.«
»Ich bin hart im Nehmen. Ich war mal mit dir zusammen.«
Es war ein Mann, und man hatte ihn übel zugerichtet. Er schien schon einige Zeit hier zu liegen, etliche Kleinlebewesen erfreuten sich an ihm. In der Sommerhitze ging das schnell. Weiß der Himmel, woher die Viecher immer so plötzlich kamen.
Wir traten schleunigst den Rückzug an und atmeten draußen tief durch.
»Und jetzt?«, fragte Isabel.
»Das Übliche. Das Theaterstück musst du dir alleine anschauen. Ich warte hier auf Keller und seine Leute von der Kripo. Und überlege mir passende Antworten auf einige unangenehme Fragen.«
»Ich leiste dir Gesellschaft. Das Theater können wir auch sausen lassen.«
»Kommt nicht in Frage! Wir müssen ja nicht beide deine schwer erkämpften Plätze verfallen lassen. Und du willst dich doch umhören. Wegen Buchauer.«
»Und wie komme ich nach Leofels? Und nach Hause?«
Ich gab ihr meine Autoschlüssel. »Wenn du fertig bist, ruf mich an. Ich sage dir dann, wo du mich auflesen kannst.«
In ihren Augen sah ich ein begehrliches Glitzern.
»Und fahr bitte nicht so, wie du immer fährst. Mein Auto ist empfindsam.«
Ich holte mein Handy hervor und rief Keller an. Wenigstens hat man unter einem Windrad immer gutes Netz. Wegen der Fernwartung.
***