Dillinger macht Wind. Rudi Kost
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Dillinger macht Wind - Rudi Kost страница 7
»Bin ich dein Taxi?«, blaffte er mich an.
»Heute schon. Isabel hat meinen Wagen.«
»Wäre ich nur mit nach Aalen oder Waiblingen gegangen, dann wärst wenigstens du mir erspart geblieben.«
»Das Leben ist ungerecht, ich weiß.«
»Dann komm halt mit. Ich habe allerdings noch den unangenehmsten Teil des Abends zu erledigen.«
»Warum delegierst du nicht die unangenehmen Aufgaben?«
»An wen denn? Ich habe doch niemanden mehr, die haben sie mir alle genommen.«
»Dein Assistent?«
»Nissen? Den haben sie jetzt endgültig nach Aalen versetzt. Der ist ganz schön angefressen. Hat sich gerade hier ein Haus gekauft und darf jeden Tag pendeln.«
»Mein Glück. Ich wollte schon immer sehen, wie ein Profi das macht. Diese Kondolenzbesuche. Hast du einen Standardtext oder improvisierst du jedes Mal?«
Keller knurrte nur.
Ich schickte Isabel eine SMS. Jetzt durfte sie wenigstens mit meinem Porsche nach Hause fahren.
***
Wie nennt man ein Neubaugebiet, das schon einige Jahre auf den Hausdächern hat? Altbau war es jedenfalls noch nicht. Ilshofen war in den vergangenen Jahren mächtig gewachsen, und vor dem nicht mehr ganz so neuen Neubaugebiet fraßen sich schon die Bagger in die Wiesen und Äcker für das nun wirklich ganz neue Neubaugebiet.
Mit dem Ausblick auf die Natur war es jedenfalls vorbei, und einen Naturschützer wie Gustav Rautenberg hatte das bestimmt geschmerzt. Aber die Sorgen hatte er jetzt sowieso nicht mehr.
Der Abend war noch immer lau, obwohl es mittlerweile auf zehn Uhr zuging, und über der Siedlung hing der penetrante Geruch von Gegrilltem. Ich musste schlucken. Seit unserem romantischen Picknick war es schon eine Weile her.
An dem kleinen Häuschen von Rautenberg hatte sich kein visionärer Architekt ausgetobt, es war austauschbar wie alle anderen Häuser hier. Der Garten wirkte gepflegt. Kein Hund bellte, als wir klingelten, niemand machte auf, das Haus blieb dunkel. Dafür regte sich im Nachbargarten etwas.
»Wollen Sie zum Rautenberg?«, fragte eine weibliche Stimme hinter der Hecke.
Zu der Stimme gehörte eine kleine Frau mittleren Alters in körperbetontem Freizeitdress. Es quoll aus allen Nähten. Ihrer leicht verwischten Aussprache nach zu urteilen, hatte das Grillen viel Durst gemacht.
»Den habe ich schon seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen«, fuhr die Frau ungefragt fort.
»Seit wann nicht mehr?«, fragte ich und handelte mir einen strafenden Blick von Keller ein. Okay, es war seine Show.
»Bestimmt seit drei Tagen oder so. Schauen Sie, diese ganze Werbung passt gar nicht mehr in den Kasten. Sonst sagt er’s ja immer, wenn er wegfährt, aber diesmal …«
Für einen Einbrecher wäre das eine interessante Information gewesen, aber der hätte wahrscheinlich nicht geklingelt.
»Er ist wohl öfter weg?«, fragte ich und ignorierte das Knurren neben mir.
»Freilich. Immer mal wieder für ein paar Tage.«
»Gibt es auch eine Frau Rautenberg?«
Kein Knurren, kein Boxhieb in die Nieren, Keller hatte aufgegeben.
»Eine? Jede Menge! Seit der geschieden ist, geht’s hier zu wie im Puff. Kaum ist die eine weg, kommt schon die Nächste. Mich geht’s ja nichts an, aber die hätten wenigstens das Fenster zumachen können, hier wohnen ja auch Kinder. Und ich sage Ihnen was, die Frauen, die zu ihm kamen, die waren nicht alle ledig. Was wollen Sie überhaupt von ihm? Um diese Uhrzeit? Suchen Sie vielleicht Ihre Frau?« Sie kicherte.
Sie war eindeutig ziemlich angeschickert.
Das war jetzt der Punkt, an dem ich Keller das Feld überlassen musste. Er zeigte ihr seinen Ausweis.
Sie schlug die Hand vor den Mund. »O Gott! Die Polizei! Hat er was ausgefressen? So weit musste es ja kommen!«
»Er hatte einen Unfall«, sagte Keller diplomatisch.
So konnte man es auch nennen.
»Einen Unfall! Eduard, hast du das gehört? Der Rautenberg hatte einen Unfall!« Und fort war sie.
»Da muss jetzt die Spusi ran«, sagte Keller. »Hoffentlich sind sie noch nicht weit weg vom Leichenfundort.«
Er telefonierte. »Glück gehabt, sie sind gerade erst los.«
»Du bringst die ganze Siedlung um ihren Schönheitsschlaf. So schnell kommen die jetzt nicht ins Bett. Und ich auch nicht.«
»Kannst dir ja ein Taxi nehmen.«
»Jetzt, wo’s spannend wird? Wie im Tatort, gell?«
Der Autokonvoi bog um die Ecke. Und es begann das übliche Ritual. Nur zu gern hätte ich mich im Haus umgesehen, aber mir war klar, dass ich jetzt nicht erwünscht war.
Ich wandte mich an Keller. »Bitte um Erlaubnis, mit der mitteilsamen Nachbarin sprechen zu dürfen, bevor sie wieder ganz nüchtern ist.«
»Ich kann dich ja doch nicht daran hindern. Notfalls kommst du garantiert morgen wieder.«
»Manchmal überrascht mich deine Menschenkenntnis.«
»Dazu gehört bei dir nicht viel.«
Die Nachbarin stand mit großen Augen an der Hecke, neben ihr die männliche Ergänzung. Ich ging zu den beiden hinüber.
»Was passiert denn da jetzt?«, fragte sie.
»Nun, Spurensicherung und so, Sie wissen schon«, sagte ich.
»Wie im Tatort?«
»Richtig, Frau …?«
»Roswitha Bäuerle. Und das ist mein Eduard.«
Ich nickte ihrem Eduard zu. Er nickte nicht zurück.
»Was ist denn mit dem Rautenberg eigentlich passiert?«, fragte Roswitha Bäuerle.
»Tut mir leid, das dürfen nur die Angehörigen erfahren. Gibt es irgendwelche Angehörigen? Seine Exfrau zum Beispiel, wo kann man die erreichen?«
»Man hat gehört, dass sie nach Welzheim gezogen ist nach der Scheidung, vor zwei Jahren ungefähr, zusammen mit dem Sohn, der muss jetzt achtzehn sein oder so. Aber nichts Genaues weiß man nicht.«
»Haben Sie mit Ihrer Nachbarin nicht darüber gesprochen? Wenn man so dicht aufeinander wohnt?«
»Ach, wir hatten nicht so viel Kontakt. Die Rautenbergerin war so eine … wie soll ich sagen …«
»Eine Verhockte«, ergänzte