Seefahrt in den 1960-70er Jahren auf Bananenjägern und anderen Schiffen. Klaus Perschke
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Guayaquil
Bananen Bananen laden
Verladen der Bananenstauden in Guayaquil
Die Hafenarbeiter, also die zerlumpten Bananenträger, die wirklich hart arbeiteten und die die Stauden aus den Schuten über einen schmalen Steg an Bord trugen, bekamen nie eine amerikanische Zigarette geschenkt, obwohl sie die schwerste Arbeit verrichten mussten. Wir durften ihnen, also den Arbeitern, nichts schenken und die beiden deutschen Kontrolleure von der Reederei Laeisz waren so arrogant und überheblich, dass sie sie mit keinem Blick würdigten. Für sie waren die zerlumpten Gestalten nur faules Pack. Wir von der Besatzung waren nicht ganz einverstanden mit dieser menschlichen Klassifizierung.
Außer Bananen gab es, wohlgemerkt an Land in Guayaquil, nur noch viele junge bildhübsche Mädchen, die wegen der hohen Arbeitslosigkeit in diesem Land für die Familie sorgen mussten, also „anschaffen“ gehen mussten. Seeleute gab es genug, die während ihres Schiffsaufenthalts auf Reede an Land strömten und die Liebesdienste dieser hinreißenden Geschöpfe gerne annahmen und bezahlten. Unter anderem auch unser 1. Offizier, der diesen Hafen und die kleinen Mädchen noch von früher kannte. Während Herr Hagenah, unser 3. Offizier und ich in den Zwischendecks der Laderäume die Aufsicht beim Laden vor Ort übernahmen, schwirrte unser großer Bananen-Ladeexperte mit dem Agenturboot an Land und tauchte ganz bestimmt nicht in der Seemannsmission auf! Seine Seemannsmission waren die kleinen Bars in einem unter Bananenfahrern bekannten Hafenviertel. A. S. entfaltete dort seine Charme und seine Aktivitäten, womit er später, zurück an Bord oben auf der Brücke, unter uns Kollegen lauthals herum prahlte. Er stand auf „junges Gemüse“, also minderjährige, 14- bis 15jährige Mädchen, die aus dem ärmlichen Milieu kamen und schnell mal für ein paar Dollars ihren Körper anboten. Die Polizei in Ecuador drückte zu dieser Art Völkerfreundschaft stets beide Augen zu, wenn die Hoteliers für den Stundenservice den Gesetzeshütern ein paar grüne Scheinchen rüberwachsen ließen.
Die Tricks der Plantagenbesitzer während der Bananenladung
Zurück zu den Bananen, die wir auf Reede laden sollten. Ich kannte mich mit Stückgutladung, Schwergutladung, und auch Tankerladungen aus. Doch mit hochempfindlicher Bananenladung, die nur bei 11,3 Grad Celsius transportiert werden durften, hatte ich noch keine Erfahrungen gesammelt.
Der 1. Offizier hatte alle Laderäume auf plus 10 Grad Celsius bis zu unserer Ankunft vorkühlen lassen. In jedem Masthaus war ein Kühlautomatikgebläse eingebaut, das schon ab auslaufen San Juan in Puerto Rico vom 1. Offizier eingeschaltet worden war. Er war der Experte auf dem Gebiet, weil er schon vorher auf einigen Bananenjägern bei Bruns gefahren hatte. Eine kräftige Gebläseanlage im vorderen und im hinteren Masthaus blies die herunter gekühlte Luft jeweils auf dem Vorschiff in Luke 1 und Luke 2 als auch im Achterschiff in Luke 3 und Luke 4 direkt durch eine Art Doppelwandsystem an der inneren Außenhaut entlang. Von dort wurde die vorgekühlte Luft durch große Öffnungen in die einzelnen Zwischendecks der Laderäume gepresst. Die Kühlautomatikanlagen in den Masthäusern wurden alle vier Stunden nach der Seewache von dem abgelösten Steuermann kontrolliert und die abgelesenen Temperaturen in ein Kühltagebuch eingetragen.
Der Schiffsrumpf der „BRUNSKOOG“ hatte im Bereich der beiden oberen Zwischendecks Pforten (siehe Foto), die zum Laden nach außenbords geöffnet und nach Erreichen eines bestimmten Tiefgangs wasserdicht verschlossen wurden. Die Bananen wurden in „Schuten“ als grüne Stauden längsseit gebracht, die neben jeden Laderaum direkt vor der Pforte befestig waren und von den Hafenarbeitern über lange „geländerlose Gangways“ aus der Schute kommend bis zu den Pforten ins betreffende Zwischendeck des zu beladenen Laderaums getragen wurden. Das Tragen der Bananenstauden war der reinste Balanceakt über die schwankenden Gangways!
Keiner unserer Decksprinzen wäre von der Schute mit einer auf der Schulter getragene Bananenstaude heil bis zur Seitenpforte rübergekommen. Diese armen Teufel verstanden offenbar ihre Zirkusnummer, sie balancierten ohne Schwierigkeiten mit jeder Staude über jeden Steg. Oben an jeder Laderaumpforte wurden diese Burschen von je einen bulligen deutschen Laeisz-Bootsmann erwartet, also Angestellte der Reederei Laeisz, die sich im Auftrage der Reederei auf ein Jahr für diesen Kontroll-Job in Guayaquil verpflichtet hatten. Und ihr spezieller Job war, jede Bananenstaude, die an Bord getragen wurde, genau auf den Reifegrad zu kontrollieren. Man wollte unter allen Umständen verhindern, dass bereits reife bzw. überreife Stauden heimlich übernommen wurden. Jeder Bananenträger musste an der Pforte vor dem Bootsmann stoppen, damit dieser mit einem scharfen Messer eine flache Scheibe vom Strunk abschneiden konnte. Hatte der Bananenstrunk bereits eine bräunliche Verfärbung, dann war sie reif oder sogar überreif und wurde von den deutschen Bananenkontrolleuren rücksichtslos über Bord in den Fluss geschmissen. Grund: Durch diese überreifen Bananenstauden, die vielleicht versehentlich an Bord gekommen wären, bildeten sich in den Laderäumen während der Rückfahrt nach Hamburg sogenannte Reife-Nester, und das musste unter allen Umständen verhindert werden. Das betrübliche an dieser Prozedur war, jeder einzelne Bananenträger bekam oben an der Ladepforte vom Bootsmann eine sogenannte Entlohnungsmarke, wenn seine Staude im echten „Unreife-Zustand“ akzeptiert und verladen werden konnte. Flog seine Staude dagegen außenbords, ging der arme Kerl leer aus und durfte sich unten auf der Schute wieder in der Schlange neu einreihen. Wieso konnte es passieren, dass bereits reife Stauden mit an Bord geschleust wurden?
Ganz einfach: Alle Bananenstauden kamen von unterschiedlichen Plantagen-Besitzern, die teils auf Grund der Größe ihrer Plantage, die sie bewirtschafteten, mit der Bananenernte bereits einige Tage früher vor Ankunft des Schiffes beginnen mussten. Etliche Plantagenbesitzer waren Griechen, die mit allen Wässerchen gewaschen waren. Die verfrühte Ernte der Stauden, weiter der Transport der vorgereiften Bananen zum Hafen, eins greift ins andere. Hatte ein Schiff zufällig Verspätung, dann saß der betroffene Plantagenbesitzer im Hafen auf seinen Stauden fest und konnte nur durch Schmieren des Verladers eine Schute zum Transport der eigenen Stauden bis an Bord mieten. Also ein gutes Geschäft für alle Verlader! Verlierer waren in diesem Fall immer die Empfänger der Bananenladung.
Sobald eine Staude geerntet ist, beginnt der Reifeprozess. Rechnet man mit zwei Transport-Tagen von der Plantage zum Hafen, weiter mit dem Verladen von Land auf eine Schute, die dann endlich längsseits des Bananenjägers verholt und entladen werden kann, dann kann man als Laie, der ich in diesen Fall war, während der Überfahrt nach Deutschland sein Wunder erleben. Die deutschen Bootsleute von der Reederei Laeisz waren gnadenlose Experten, sehr zum Wohle der Ladungsempfänger in Dieppe und in Hamburg. Herr Hagenah und ich staunten nur so über diese wohldurchdachte Organisation des Ladebetriebs. Theoretisch konnte bei solch strengen Kontrolleuren eigentlich nie etwas schief gehen. Die Bananenfahrt ist international ein knallhartes Geschäft, bei dem der deutsche Reeder, in diesem Fall Herr Bruns, natürlich auch mitverdienen wollte.
Beinahe noch etwas vergessen, so eine Art nette Nebenerscheinung im Bananengeschäft. Mit den Bananenstauden kam auch so allerlei Getier an Bord. Das stellten wir aber erst während der Rückreise fest, wenn wir alle vier Stunden unsere Kontrollgänge in den runter gekühlten Masthäusern an den Fernkühlüberwachungsgeräten absolvierten. Auf jeden Fall hatten wir etliche Bananenschweinchen in den Ladeluken. Das sind eine Art lustige kleinere Ratten, die sich hauptsächlich von Bananen ernähren und sich innerhalb der Stauden verstecken