Geliebter Prinz. Billy Remie
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»Das Fass mit dem Wein genügt, Teuerste«, erklärte Desiderius. »Fürs Erste.«
Sie machte sich davon, um seinen Wunsch zu erfüllen.
Seufzend lehnte er sich wieder zurück und ließ seinen Blick durch die Räumlichkeiten schweifen. Kerzen und Fackeln flackerten. Das Licht der züngelnden Flammen wurde von den goldenen Stoffen, die überall herumlagen, zurückgeworfen. Die halbnackten Körper, die sich in dem Bordell um Desiderius herumtummelten, schimmerten durch das Leuchten der Stoffe wie bronzefarbene Statuen. Der Schweiß, der an blasser und dunkler Haut herablief, vermischte sich mit den Düften der Getränke und kitzelte Desiderius in der Nase.
Er betrachtete zum ersten Mal an diesem Abend, obwohl er schon einige Stunden hier zusammen mit seinen Kameraden saß, das zahlreiche Angebot. Es gab weibliche und – wie es an den Küsten üblich war – auch männliche Dirnen. Hübsche, junge Männer.
Die violetten Küsten waren der einzige Ort in ganz Nohva, in denen die Leidenschaft zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren toleriert wurde. Die Abtrünnigen, wie das gemeine Volk in Nohva die Küstenbewohner schimpfte, machten mit ihrer Toleranz ein großes Geschäft. Frauen und Männer aus ganz Nohva kamen her und zahlten einen überteuerten Preis, um einmal das Lager mit dem gleichen Geschlecht teilen zu dürfen. Außerhalb der Küste musste man mit derartigen Vorlieben vorsichtig sein, denn wenn diese Vorliebe öffentlich wurde, ließen die Menschen Köpfe rollen.
Desiderius wusste aber dank seiner vielen Reisen, das nicht jedes Volk derart versteift war. Es kam auf die Religion an. Die Menschen in den Ebenen und im Gebirge waren zu besessen von den Predigten ihrer Priester, um sich auf einen erweiterten Horizont einzulassen.
Doch bei dem Waldvolk, das weder richtig Mensch noch Luzianer zu sein schien, war es üblich, dass auch gleichgeschlechtliche Verbindungen getroffen wurden.
Desiderius hatte einst einige Monate, nachdem er bei einem verpatzten Überfall auf eine Vorratslieferung der Gebirgsarmee verletzt wurde, bei zwei Frauen aus dem Waldvolk gelebt. Er hatte nie eine tiefere Verbindung zweier Menschen erlebt.
Aber das einfache und friedliche Leben der Waldbewohner war nichts für ihn. Auch wenn er ihre Kultur liebte und sich dort hatte frei ausleben dürfen, ohne Angst zu haben, dass sein Kopf deshalb von seinen Schultern geschlagen wurde, musste Desiderius weiterziehen. Er brauchte Abenteuer, Reisen und die Gefahr im Nacken. Er konnte gar nicht mehr anders leben.
Obwohl die Familie seines Vaters die höchste Adelsfamilie der Luzianer war, und er von ihm abstammte, war Desiderius selbst nichts weiter als ein Vagabund. Und er liebte dieses Leben mit jeder Faser seines Körpers. Es störte ihn nur dann, wenn seine Familie ihn wie ein Stück Dreck behandelte, das entfernt werden musste. Desiderius würde seine Freiheit, und die damit verbundenen Abenteuer, niemals gegen ein Leben in einer Burg eintauschen.
Niemals!
Ein lautes Poltern ließ Desiderius aus seinen Gedanken hochfahren. Er fuhr herum und blickte zur Seite.
Einige Meter von ihm entfernt, an einem verstaubten Fenster, durch das nur schwach das Licht des großen Mondes hereinfiel, war ein Tisch unter dem Gewicht zweier Kerle zusammengebrochen, die sich ineinander verkeilt hatten und mit den Fäusten aufeinander einprügelten.
Desiderius war kein Mann, der sich in einen Streit einmischte, der ihn nicht betraft. So beobachtete er unbeteiligt, wie jeder andere auch, die Prügelei aus kühlen Augen.
Die Dirne kam zwischendurch und brachte ihm seinen Wein. Er schenkte sich ein, und die junge Frau ging wieder an die Arbeit, auch sie kümmerte die Schlägerei der zwei Männer nicht.
Bei näherer Betrachtung konnte sich Desiderius denken, um welche Art Streit es sich handelte. Einer der Männer war verzottelt und trug dreckige, zerrissene Kleidung, er hatte krumme Finger, aber eine harte Faust. Sein Gegenspieler, der ihm weit unterlegen war, trug feine Kleidung aus bunter Seide und wies ein gepflegtes Äußeres auf. Sein pausbäckiges Gesicht war gepudert und sein blondrotes Haar schimmerte gesund.
Das offensichtliche Problem in Bordellen an der Küste war die Vermischung der gesellschaftlichen Schichten. Hier traf Hafenarbeiter, Räuber und Pirat auf Kaufmann und Lord. Erst tranken sie zusammen, dann kam das Gespräch auf ein heikles Thema, zum Beispiel, auf erhöhte Steuern, und schon flogen die Fäuste.
Keiner scherte sich darum, wenn jemand verletzt wurde. An den Küsten gab es keine Soldaten, keine Stadtwachen oder andere Vertreter der königlichen Gesetze. Wer an die Küsten kam, musste damit rechnen, verprügelt, ausgeraubt oder erstochen zu werden. Manchmal sogar alles zusammen. Und keine Seele kümmerte es. Die Leichen wurden ins Meer geworfen, wenn sie zu stinken anfingen.
Aber der in feine Seide gekleidete Kerl hatte an diesem Tag das Glück auf seiner Seite, denn der Bordellbesitzer unterbrach die Prügelei, indem er den Überlegeneren eigenhändig hinauswarf.
Belustigt verfolgte Desiderius, wie der hünenhafte Betreiber des Bordells den zerzausten Mann im Nacken packte und zur Tür schleifte.
Als sein Blick gemeinsam mit den beiden Männern an der Tür angelangte, streiften seine grünen Augen über etwas, das sein Interesse mehr weckte als der hochkantige Rausschmiss, der mit einem gezielten Arschtritt ausgeführt wurde.
Unweit von der Tür entfernt entdeckte Desiderius einen jungen Mann, etwa in seinem Alter. Jedoch einen ganzen Kopf kleiner und unter der feinen Kleidung um ein Vielfaches schmächtiger.
Er war Desiderius’ genaues Gegenteil. Sein kurzes, gelocktes Haar war goldblond und schimmerte erhaben im Schein der Fackeln. Sein Gesicht wies sanfte, feminine Züge auf, seine Lippen waren voll, versprachen Wollust, und seine eisblauen Augen waren groß und von langen, dichten Wimpern umrandet. Er war schön. Ein Anblick, der einem Mann nicht alle Tage geboten wurde. Eigentlich noch nie – und vermutlich auch nie wieder. Ein zartes Geschöpf, das von Unschuld umgeben wurde, verloren in der bunten Welt des Bordells.
Schüchtern und unsicher ließ der junge Mann seinen wachen Blick durch den Raum gleiten, nachdem das Schauspiel an der Tür ein Ende gefunden hatte, als der Bordellbetreiber sie laut zuknallte.
Ihre Blicke streiften sich flüchtig, und der Blonde stockte für einen Augenblick. Wirkte überrascht, fasziniert. Doch er hielt Desiderius’ fixierenden Blick nicht stand und senkte eilig seine wunderschönen, eisblauen Augen.
Nun schlug Desiderius’ Lust zu etwas um, das nichts mit dem Durst auf Wein zu tun hatte. Ein tief verwurzelter Instinkt erwachte in seinem Inneren und ließ ihn aufstehen. Er musste, wollte jagen. Sehnte sich nach Beute, die er verschlingen, aber nicht töten wollte.
Er bahnte sich mit raubtierähnlichem, geschmeidigem Gang einen Weg durch aneinander gedrückte Körper und zusammengestellte Tische. Er wies mehrfach einige Dirnen ab, Frauen und Männer, bis er sich schließlich hinter seiner Beute an den Tresen der Bar lehnen konnte.
Der Blonde, der nur zwei Schritte entfernt mit verschränkten Armen hilflos dastand und eine verschlossene Zimmertür im Auge behielt, hatte ihn noch nicht bemerkt.
Desiderius nutzte die Gelegenheit und betrachtete die Rückseite des Mannes. Er hatte breitere Schultern, als es von weitem den Eindruck gemacht hatte, dennoch wirkte er schmal und dünn. Abgemagert, etwas kränklich. Doch sein Hintern war wohlgeformt. Klein, rund und prall. Die knackigen Backen zeichneten sich unter der eng sitzenden Hose ab. Lockten. Luden dazu