Geliebter Prinz. Billy Remie
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Geliebter Prinz - Billy Remie страница 43
»Verheilt«, antwortete Desiderius, als er durch die Flammen hindurch zu ihm schielte.
Der Halbgott nickte zufrieden. »Ist eine feine Sache, dieses Bluttrinken.«
»Das könnt Ihr laut sagen«, gab Desiderius zurück.
»Wusstet Ihr, dass Euer Volk anfangs, als ihr nichts weiter wart als wilde Barbarenstämme, die in Strohhütten lebten, zu jedem Frühlingsanfang, das sogenannte Blutfest gefeiert hat?«
Desiderius blickte ihn mit offenstehenden Lippen fragend an. »Was war das für ein Fest?«
Nur zu bereitwillig erklärte Bellzazar: »Es war ein Fest für all jene, die vom Kind über den Winter zum Erwachsenen geworden sind. Sie wurden in den Stamm eingeführt.«
»Wie feierte mein Volk dieses Fest?«, fragte Desiderius interessiert.
»Ein großes Feuer wurde entfacht, dessen Flammen so hochschlugen, dass man es über viele Hügel entfernt sehen konnte. Sie bemalten sich gegenseitig mit Fruchtbarkeitssymbolen. Dann wurden alle Unberührten, die die Volljährigkeit erreicht hatten, in einer Reihe aufgestellt und mussten ihre Venen dem gesamten Stamm anbieten. Es wurde das Blut von Jungfrauen getrunken, Frauen und Männern, dann wurden zu Trommeln und Gesang um das hohe Feuer herumgetanzt, um die Götter anzurufen. Zum Ende hin wurden den Unberührten schließlich die Unschuld genommen. Dabei wurde dann wieder viel Blut getrunken, sodass jeder einmal von jedem einen Schluck genommen hatte. Damit stellte man die tiefe Verbundenheit zueinander sicher.«
Desiderius schmunzelte erheitert. »Und das ist wirklich wahr?«
»Ja«, versicherte der Halbgott. »Jedes Jahr zu Frühlingsbeginn habe ich einen Stamm Eures Volkes aufgesucht, um zusehen zu dürfen. Es war unglaublich, ich war stets fasziniert von der Freizügigkeit der Luzianer. Sie teilten alles, Blut und Körper. Es gab keinen Anspruch auf die Jungfräulichkeit eines Stammesmitgliedes. Meist wurde auch erst dann eine Frau zu einer geeigneten Gefährtin, wenn sie bereits ein Kind erwartete, ganz gleich, von wem es war.«
Desiderius hatte diese Geschichte noch nie gehört und er konnte kaum glauben, dass sein Volk, das schon seit Jahrhunderten die Gesetze der Menschen die eigenen nannte, einst so gelebt haben soll. Eine Schande, dass sie nun so engstirnig waren.
»Damals war es auch nicht ungewöhnlich, wenn sich ein Mann gleich mehrere Gefährtinnen aussuchte«, erzählte der Halbgott weiter. »Wenn die Frauen damit einverstanden waren, gab es daran nichts auszusetzen.«
»Und es gab tatsächlich Frauen, die das wollten?«, fragte Desiderius und lachte ungläubig auf.
»Sicher doch«, antwortete Bellzazar grinsend. »Es gab auch Frauen, die sich mehrere Burschen als Gefährten nahmen. Die Geschlechterrolle war bei Eurem Volk nicht so festgefahren wie es bei den Menschen war. Auch Frauen waren Jäger und versorgten einen Mann, der lieber die Kinder hütete und nahe beim Stamm blieb. Oder Frauen, die andere Frauen zu Gefährtinnen machten.«
Desiderius wandte nachdenklich den Blick ab. Er zog sich wieder seine Hose an, nachdem er alle Fäden aus der Wunde entfernt hatte. Er wusste nicht so recht, ob er dieser Geschichte Glauben schenkte.
»Und es gab natürlich auch Männer, die sich gleichgeschlechtliche Gefährten nahmen«, fügte Bellzazar hinzu.
Desiderius‘ Gesicht flog zu ihm herum. Wissende Augen schlugen ihm entgegen und er hatte erneut das Bedürfnis, fortzulaufen. Wieso kannten alle sein Geheimnis? War es so offensichtlich?
Obwohl es ihn eigentlich nicht überraschen sollte, falls Bellzazar wirklich etwas wusste, immerhin war der Halbgott dafür bekannt, Wissen innezuhaben, das anderen verborgen blieb.
Aber der Halbgott sprach Desiderius’ Befürchtung nicht aus. Mit einem Schulterzucken sagte Bellzazar nur gelassen: »Es ist leider schwer vorstellbar, aber es gab einst eine Zeit in Nohva, da konnte man wenigstens lieben, ohne dass man dafür geköpft wurde.«
Desiderius wusste nicht, ob und was er dazu sagen sollte, also schwieg er. Mit nachdenklichem Blick starrte er in die Flammen und fragte sich insgeheim, ob es denn möglich war, sein Leben in dieser Zeit aufzugeben, um Jahrtausende zuvor leben zu dürfen.
»Prinz Karic glaubt, er könnte ein solches Nohva wieder erschaffen«, berichtete Bellzazar stolz. »Ein freies Nohva. Ein Land voller Möglichkeiten.«
Desiderius wusste das aber schon, er hatte nicht vergessen, was der Kronprinz ihm anvertraut hatte. Dennoch fragte er nun grübelnd den Halbgott: »Glaubt Ihr es?«
Es dauerte lange, bis er eine Antwort auf seine Frage erhielt. Bellzazar hob den Blick und sah zu dem Blätterdach hinauf, durch das die letzten Sonnenstrahlen des Abends drangen. Ohne ihn anzusehen, antwortete er: »Ja, ich denke schon, dass er das schaffen wird.«
Unsicher wie ein Kind, hakte Desiderius nach: »Ehrlich?«
Schmunzelnd sah Bellzazar ihn an und erklärte: »Mit den richtigen Leuten an seiner Seite, kann der Prinz alles schaffen, was er will. Es kommt nur darauf an, wie stark seine Berater sind, unabhängig davon, wie stark er ist.«
»Dann ist laut Eurer Meinung ein König nur so stark wie seine Berater?«, fragte Desiderius interessiert. Er war nicht verwundert, nur neugierig, der Halbgott hatte schließlich reichlich Lebenserfahrung, die er teilen konnte.
»Es sind immer die Berater, die im Geheimen das Land regieren«, behauptete Bellzazar. »Der König gibt zwar die Befehle, aber was würde er tun, wenn niemand da wäre, der sie ausführt?«
»Und welche Befehle sollten Berater ausführen, wenn es keinen klugen und starken König gäbe, der sie erteilt?«, warf Desiderius ein und grinste erheitert.
»Das eine kann ohne das andere nicht existieren«, stimmte Bellzazar zu. »Umso wichtiger ist es für einen König, sich seine Berater und Gefährten gut überlegt auszusuchen.«
»Solange Ihr, ein Halbgott, an der Seite des Königs steht, wird ihm nicht viel passieren«, vermutete Desiderius.
»Im Moment stehe ich aber an Eurer Seite, und nicht an der des Königs«, gab Bellzazar zu bedenken. Dann fügte er etwas ernster hinzu: »Außerdem werde ich nur noch an König Wexmells Seite stehen, Bursche. Sobald der König ruhig und friedlich in seinem Bett an einem natürlichen Tod stirbt, habe ich meine Aufgabe erfüllt und werde endlich meinen Lohn für die Jahrhunderte erhalten, in denen ich einen Luzianerkönig nach dem anderen geschützt habe.«
Desiderius horchte verwundert auf. »Ihr werdet nicht an Prinz Karics Seite stehen, wenn er gekrönt wird?«
»Wenn der junge Kronprinz König wird, werde ich hoffentlich bereits im Reich der Götter sein, bei meinen Brüdern und Schwestern, als vollwertiger Gott, nicht als Bastard eines listigen Dämons, der eine Göttin verführt hat.«
Die Worte spuckte Bellzazar aus wie Gift. Damit erinnerte er Desiderius daran, dass auch er wegen seines Daseins oft verbittert war.
Er wusste nicht wieso, aber es beunruhigte Desiderius, dass der Halbgott nicht an Prinz Karics Seite stehen würde. Das magische Wesen war das einzige Geschöpf, das den König wirklich schützen konnte. Vor Magie, vor Mordanschlägen, vor Gift ... vor allem.
»Wer schützt den König, wenn nicht Ihr?«, murmelte