Geliebter Prinz. Billy Remie
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Zwei weitere Nächte später waren sie ihrem Ziel bereits ganz nahe.
Die Reise an sich gestaltete sich recht einfach, da sie nur in den Tiefen Wäldern blieben und beide ganz genau wussten, wie man wilden Tieren und deren Angriffen entgehen konnte. Sie ritten tagsüber und schlugen ihr Lager auf, wenn es dämmerte. Bellzazar war nicht gerade das, was Desiderius schweigsam genannt hätte, aber immerhin hatte der Halbgott interessante Geschichten auf Lager. Desiderius erfuhr viel über die einstige Kultur seines Volkes und verstand dadurch immer mehr, weshalb Prinz Karic so versessen darauf war, diese wieder aufleben zu lassen.
Wenn die Luzianer herrschten, warum sollten dann weiterhin die Gesetze der Menschen gelten, nur weil diese sich wie trotzige kleine Kinder verhielten, die mit Krieg drohten, wenn man ihnen nicht erlaubte, Hinrichtungen im Namen der Götter zu veranstalten.
Die Menschen sahen das vermutlich anders, befürchtete Desiderius. In ihren Augen waren vermutlich die Luzianer die Tyrannen, die ihnen verboten, für ihren Glauben zu kämpfen und zu sterben.
Wie gesagt, jede Geschichte hatte zwei Seiten, und jedes Volk eine andere Ansicht, Desiderius konnte nur das wiedergeben, was er dachte und woran er glaubte.
Sie ritten nebeneinander her, zwei dunkelhaarige Männer mit schwarzen Umhängen auf großen, schwarzen Pferden, als Desiderius nach einiger Zeit die Stille zwischen ihnen brach und fragte: »Seid ehrlich, mögen es die Götter, dass die Menschen ihnen eine solche Bedeutung schenken?«
»Sie mögen es, dass die Menschen sie anbeten und sich ihnen unterwerfen«, erklärte Bellzazar und schmunzelte dann Desiderius listig an. »Wer würde das nicht mögen?«
Ernüchtert stellte Desiderius fest: »Dann stimmt es, weil sie die Götter anbeten, legen diese ihre schützenden Hände über die Menschen.«
»Nein«, widersprach Bellzazar.
Verwirrt betrachtete Desiderius sein Profil. »Aber das sagtet Ihr doch gerade.«
»Ich sagte nur, dass sie es mögen, dass es ein Volk gibt, das ihnen huldigt, das bedeutet aber nicht, dass die Götter irgendein Volk bevorzugen«, warf Bellzazar ein. »Vergesst nicht, Bursche, dass wir über Götter sprechen. Sie sind nicht habgierig, nicht machthungrig. Sie wollen nur Frieden und sie wissen, dass die Luzianer diesen Frieden garantieren können. Sie wollen Gerechtigkeit, und sie wissen auch, dass Luzianer gerechter sind als Menschen.«
Desiderius grübelte darüber.
»Sie sind Götter«, sagte er nach einer Weile verwirrt, »und sie sind doch in der Lage, für Frieden zu sorgen. Wieso lassen sie zu, dass so viel Ungerechtes passiert? Wissen sie denn nicht, was sich in dieser Welt abspielt?«
»Sie sind Götter und keine Geschichtenschreiber«, erinnerte Bellzazar tadelnd. »Sie erfinden keine Schicksale, schicken keine Helden, sie können nur das tun, wofür sie geschaffen werden. Götter sind auch nur magische Wesen, aber keine Schöpfer. Ihr als Luzianer müsstet das eigentlich wissen.«
»Wieso wissen es die Menschen nicht?«
»Weil es über die Vorstellungskraft der Menschen hinausgeht«, erklärte Bellzazar. »Ihr und ich wissen, dass das Reich der Götter nur eine andere Welt ist, die parallel zu dieser existiert, so wie die Unterwelt. Diese Welten sind miteinander verflochten. Die Götter erschufen unsere Völker, sie übernehmen die Verantwortung für unser vergängliches Leben, doch das bedeutet nicht, dass sie jedes einzelne Schicksal schreiben und vorherbestimmen. Geschweige denn, lenken können.«
»Wozu sind die Götter gut, wenn sie keine Schicksale lenken können?«, fragte Desiderius. Es verärgerte ihn, dass die Götter ihr Nichtstun so einfach abtaten.
»Nun, wie viele Götter gibt es?« Es war eine rhetorische Frage, die keiner Antwort bedurfte. Bellzazar fuhr fort, ohne eine Erwiderung zu erwarten: »Es gibt den Gott des Lebens, Gott des Todes, Gott der Lust ... Es gibt für alles einen Gott. Jeder Gott hat einen Bereich, den er überwacht. Es gibt nun mal keinen Gott des Schicksals, der dafür zuständig ist, dass jeder einzelne Mann in Nohva den richtigen Weg findet. Und vergesst nicht die Dämonen aus der Unterwelt, die Gegenspieler der Götter, die die Menschen verführen. Götter sind nicht in der Lage, einen Dämon aufzuhalten, sobald er in diese Welt eingedrungen ist.«
Desiderius stellte amüsiert fest: »Dieses Thema scheint Euch wichtig zu sein.«
»Ich bin vielleicht ein Ausgestoßener, aber das bedeutet nicht, dass ich meine Brüder und Schwestern nicht verteidige, wenn jemand aus Unwissenheit schlecht über sie spricht.«
»Ich meinte ja nur, dass man den Eindruck haben könnte, dass die Götter mehr für uns tun könnten«, warf Desiderius ein.
Bellzazar runzelte auf einmal nachdenklich seine Stirn, als hätten Desiderius’ Worte ihn nun auch ins Grübeln gebracht.
Er zügelte sein Pferd und hielt an, als er Desiderius verwirrt fragte: »Wie meint Ihr das?«
Desiderius wendete seinen Rappen, um den Halbgott ansehen zu können. Er fühlte sich unsicher, weil er nicht anmaßend gegenüber dem göttlichen Wesen sein wollte.
»Sagt schon«, forderte Bellzazar ungeduldig auf.
»In Anbetracht der Ereignisse, angefangen bei den Hinrichtungen im Namen der Götter, oder all den Kriegen, die wegen ihnen geführt wurden, könnte man glauben, dass die Gunst der Götter Nohva längst verlassen hat«, erklärte Desiderius. »Wäre ich ein Gott und müsste zusehen, wie das Leben, das ich erschaffen habe, in meinem Namen tötet, würde ich mich auch abwenden.«
Bellzazars Miene verdunkelte sich noch mehr als sonst, als er angestrengt darüber nachdachte.
»Ich meine ... «, Desiderius suchte nach Worten, » ... wann habt Ihr das letzte Mal Kontakt zu einem Gott gehabt?«
Die Mundwinkel des Halbgottes fielen herab, und da hatte Desiderius seine Antwort. Auch der Halbgott hatte seit einiger Zeit die Präsenz der Götter nicht mehr gespürt.
Bellzazar trieb seinen schwarzen Hengst wieder an und beschloss mit grimmiger Miene: »Kommt, wir müssen weiter.«
Schweigend wendete Desiderius seinen Rappen erneut und folgte dem verstimmten Halbgott mit etwas Abstand. Es schien, als hätte er ein äußerst unpassendes Thema angesprochen und damit Bellzazar in tiefe Grübeleien versetzt.
Was auch immer nun durch den Kopf des Halbgottes ging, es sorgte dafür, dass er in den nächsten Tagen und Nächten sehr einsilbig blieb.
***
Trotz des Frühlingsbeginns herrschte weit im Süden im Gebirge eine eisige Kälte.
Eingehüllt in seinen Umhang, lag Desiderius in seinem winzigen Zelt und erwachte aus einem unruhigen Schlaf. In der Nacht hatte ein Schneesturm gewütet, und die Kälte hatte ihn wachgehalten, oder besser gesagt, das Zittern seines Körpers. Erst am frühen Morgen hatte er etwas Schlaf gefunden. Zum Glück würden sie an diesem Tag ihr