Pitaval des Kaiserreichs, 1. Band. Hugo Friedländer

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Pitaval des Kaiserreichs, 1. Band - Hugo Friedländer

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v. Zedlitz und ein Fräulein Schenk aus Berlin.

      Vors.: Wer hat denn nun die 90000 Mark gewonnen?

      v.M.: Ich habe 62000 Mark, das übrige v. Zedlitz und Fräulein Schenk gewonnen. Ich habe aber von Lichtner das Geld nicht erhalten, da ich ihm viel schuldete.

      Der Vorsitzende hält dem Angeklagten vor, daß er in Gotha mit zwei Offizieren und einem Redakteur in Gemeinschaft mit Lichtner gespielt und daß einer der Offiziere ihn beschuldigt habe: er gebe dem Oberkellner falsche Karten zur Verteilung. Der Angeklagte bestritt dies.

      Vors.: Im Jahre 1891 haben Sie mit Fährle und dem Hauptmann v. Boditzka in Homburg v.d. Höhe gespielt. Hauptsächlich soll dabei Fährle gewonnen haben. Sie sollen sich plötzlich verabschiedet haben unter der Angabe, daß Sie ein Rendezvous hatten. Bald darauf verschwand auch Fährle. v. Boditzka verfolgte Sie beide und traf Sie nicht auf dem Platze, wo Sie das Rendezvous haben wollten, sondern vor Ihrem Hotel. Bald darauf sollen Sie mit Fährle in Ihr Zimmer gegangen sein. v. Boditzka folgte Ihnen, und als er die Tür aufmachte, zählten Sie mit Fährle die gewonnenen Geldrollen?

      v.M.: Das geschah, weil ich mir von Fährle Geld borgen wollte, Fährle mir aber sagte, daß er nicht soviel besitze.

      Vors.: Die Anklage behauptet, daß Sie gemeinschaftliche Sache mit Fährle beim Spiel gemacht haben und ins Hotel gegangen seien, um sich den Raub zu teilen.

      v.M.: Das bestreite ich ganz entschieden.

      Im weiteren Verlauf wurde v. Meyerinck allgemein als der Schlepper bezeichnet. Er besitzt im Villenviertel von Hannover eine hochelegante, fürstlich eingerichtete Wohnung. In dieser veranstaltete er Bälle und andere Festlichkeiten, bei denen Offiziere der Hannoverschen Garnison, insbesondere aber die zur Reitschule nach Hannover kommandierten Offiziere stets eingeladen waren. v. Meyerinck dinierte auch vielfach mit Offizieren in den feinsten Hotels und sagte gewöhnlich nach aufgehobener Tafel: »Ich gehe zum Jeu.« v. Meyerinck beschränkte seine Tätigkeit keineswegs auf Hannover. Er besuchte, wie bereits erwähnt, alle besseren Badeorte und Rennplätze, um Kavaliere zum Spiel zu verleiten. »Ganz zufällig« traf er an allen diesen Orten mit Fährle, Abter und Lichtner zusammen, die er als Barone, Großindustrielle usw. vorstelle. Fährle wurde allgemein »Herr Kommerzienrat« tituliert. Eines Abends spielte v. Meyerinck und Lichtner mit einem Offizier. Lichtner gewann, der Offizier verlor etwa 50000 Mark. Als der Offizier schließlich in die Toilette ging, sah er in einem Spiegel, daß v. Meyerinck dem Lichtner einen vorwurfsvollen Blick zuwarf und mit dem Kopf schüttelte. Lichtner, der von Meyerinck zumeist als Baron v. Lichtner und als der Sohn eines österreichischen Großindustriellen vorgestellt wurde, der für seinen Vater in Linden bei Hannover eine große Samtfabrik verwalte, war in Wahrheit ein internationaler Hochstapler. Er hatte in Wien in einem Modewarenhandlungshause gelernt und auch eine Zeitlang als Kommis konditioniert. Er ist aber frühzeitig auf die Bahn des Verbrechens geraten. Er war vielfach wegen Veruntreuung, Hazardspiels, Wuchers und ähnlicher Straftaten mit langjährigem schwerem Kerker, verschärft mit Fasten, bestraft. Er war, gleich allen anderen Angeklagten, verhaftet. Es gelang ihm aber, aus dem Gefängnislazarett zu entfliehen. Erst nach langer Zeit wurde er in Preßburg verhaftet und da er österreichischer Untertan war, in seiner Vaterstadt Wien angeklagt. Ende April 1894 hatte er sich wegen der in Deutschland begangenen Straftaten vor dem kaiserlichen Landesgericht in Wien zu verantworten. Er wurde zu fünf Jahren schweren Kerkers, verschärft mit Fasten an einem Tage jeden Monats, und mit Zulässigkeit von Polizeiaufsicht bestraft. Stamer war ebenfalls entflohen; Freiherr v. Zedlitz war nicht aufzufinden.

      Ein ebensolcher Hochstapler wie Lichtner war Fährle. Dieser gab auf Befragen des Vorsitzenden zu, daß er 17 Jahre lang in Österreich, Ungarn, Deutschland, Belgien, Holland, der Schweiz als Roulettebankhalter umhergezogen sei und sich dadurch ein Vermögen erworben habe. In Straßburg (Elsaß) wurde er wegen Diebstahls bestraft; er hatte in Baden-Baden beim Roulettespiel fünf Napoleondor entwendet. Obwohl der Mann, der in seiner Jugend auf den Straßen Zeitungen verkauft hat, vollständig falsch Deutsch sprach, hat er in den feinsten Badeorten mit hohen Offizieren, Rittergutsbesitzern und so weiter gespielt und stets große Summen gewonnen. Er soll eine ganz besondere Fingerfertigkeit besessen und vielfach mit gezeichneten Karten gespielt haben. Wo Fährle war, da war v. Meyerinck nicht weit. Dieser stellte Fährle als Kommerzienrat vor, damit war Fährle in die bessere Gesellschaft eingeführt. Im Wiener Café in Hannover ließ Fährle einmal zwei Karten, ein rotes Aß und ein Piquebube, verschwinden, der Oberkellner fand beide Karten in der Tasche des Fährle, er warf deshalb Fährle aus dem Café hinaus. Aber auch die anderen Angeklagten sollen mit gezeichneten Karten gespielt haben. Ein Offizier hat einmal vor dem Spiel die Bildseiten, aber nicht die Rückseiten der Karten untersucht. Ein junger Offizier traf eines Tages im Speisesaal des Hotels »Englischer Hof« in Frankfurt a. M. den Freiherrn v. Zedlitz. Dieser stellte ihm v. Meyerinck vor. Plötzlich kam ein Herr in den Saal, die Herren begrüßten ihn und v. Zedlitz sagte: »Da ist ja Herr v. Lindner aus Berlin.« v. Meyerinck versetzte: Den Herrn habe ich vor einiger Zeit in Helgoland kennen gelernt. v. Zedlitz sagte: Das ist ein sehr reicher Mann, mit dem können wir einmal ein Jeuchen wagen, der hat mindestens immer 50000 Mark bei sich, wir müssen aber dabei sehr vorsichtig zu Werke gehen. v. Meyerinck stimmte zu und die Herren näherten sich dem Herrn v. Lindner.

      Vors.: Kam es Ihnen so vor, als sollte dieser Herr v. Lindner eingefangen werden?

      Zeuge: Jawohl. Es wurde verabredet, in das Zimmer des Herrn v. Zedlitz zu gehen und dort Makao zu spielen. Ich wollte aber nur Ekarté spielen. Wir spielten etwa zehn Minuten Ekarté. Allsdann wurde gesagt: das Spiel ist doch gar zu langweilig, wir wollen lieber Makao spielen. Ich willigte ein und verlor 3000 Mark.

      Vors.: Wer gewann denn?

      Zeuge: Herr v. Lindner.

      Vors.: Das war Lichtner.

      Zeuge: Jawohl, ich hörte später, daß es Lichtner war.

      Ein nicht minder gefährlicher Betrüger war Samuel Seemann, genannt »der olle ehrliche Seemann«. Dieser spielte nicht bloß mit gezeichneten Karten, er zog auch mit einer Roulette in der Welt umher. Seemann wohnte überall in den feinsten Hotels. Sobald in irgendeinem Ort die Offiziere erfuhren, Seemann sei mit seiner Roulette eingetroffen, da strömten sie in Scharen zu diesem Mann, um sich am Roulettespiel zu beteiligen. Ein Offizier von hohem Adel, als Zeuge vernommen, bemerkte: Ich sagte mir, ob ich nach Monaco gehe oder zu Seemann, das bleibt sich im Grunde genommen ziemlich gleich.

      Ein anderer Offizier, bekundete als Zeuge: Er habe einige Male bei Seemann im Hotel de Russie in Hannover Roulette gespielt. Er habe den Eindruck gehabt, daß Seemann, der stets die Bank hielt, Betrügereien mache. Er hatte die Empfindung, daß zwei Kugeln in der Roulette waren. Wenn die richtige Kugel fiel, dann überschlug sie sich einige Male und fiel laut klappernd über die Felder. Wenn dagegen die falsche Kugel fiel, dann entstand ein dumpfes Geräusch und die Kugel fiel, ohne sich zu überschlagen oder zu klappern, auf die Felder.

      Angeklagter Samuel Seemann: Ich habe eine zweite Kugel nicht gehabt. Ich bitte im übrigen, Herr Vorsitzender, alle Herren Offiziere nach meinem Renommee zu fragen. Obwohl ich leider schon seit vielen Jahren dies Geschäft betreibe, so hieß ich doch allgemein der olle ehrliche Seemann. (Allgemeine große Heiterkeit.)

      Ein gefährlicher Spieler und Wucherer war auch der Angeklagte Abter. Auch dieser spielte mit falschen Karten und hat Offizieren innerhalb weniger Stunden 30 bis 40000 Mark »abgewonnen«.

      Im Laufe der Verhandlung erschien als Zeuge Kaufmann Engelke (Schöneberg bei Berlin). Dieser bekundete auf Befragen des Vorsitzenden: Fährle habe in den letzten zwei Jahren mit Lichtner nicht verkehrt. Lichtner habe ihn einmal zum Zwecke einer Schuldregulierung zu Fährle gesandt. Fährle

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